Atemwegs- und Beatmungsstrategie bei der Reanimation

Auf news-papers.eu haben wir uns schon häufiger mit der Problematik alternativer Methoden zur Atemwegssicherung bei der Reanimation beschäftigt. Ein ganz aktuelle Artikel kommt nun aus Wien und wurde im European Heart Journal publiziert:

Sulzgruber P, et al. The impact of airway strategy on the patient outcome after out-of-hospital cardiac arrest: A propensity score matched analysis. European Heart Journal: Acute Cardiovascular Care 2017, 1–9, DOI: 10.1177/2048872617731894


In der Untersuchung wurden initial 2.224 Patienten, die prähospital einen Herzkreislaufstillstand erlitten und durch das Wiener Rettungsdienstsystem behandelt wurden, eingeschlossen. Ein Propensity-Score Matching wurde durchgeführt und die Patienten in vier Gruppen mit einem Verhältnis von 1:1:1:1 zugeteilt, d.h. pro Gruppe gab es 210 Patienten die mit folgenden Atemwegsstrategien behandelt wurden:

  • Maskenbeatmung (BMV)
  • Larynxtubus (LT)
  • endotracheal Intubation (ETI)
  • zunächst Versorgung mit Larynxtubus und dann Intubation (LT/ETI)

In der Propensity-Score Matching Gruppen mit je 210 Patienten fanden sich folgende Ergebnisse:

  • Dauer bis ROSC (min): BMV: 14, LT: 14, ETI: 11, LT/ETI: 12 (p=0,451)
  • Erreichen eines ROSC (%): BMV: 37, LT: 24, ETI: 35, LT/ETI: 30 (p=0,024)
  • 30-Tagesüberleben (%): BMV: 24, LT: 9, ETI: 17, LT/ETI: 16 (p<0,001)
  • CPC 1/2 (%): BMV: 21, LT: 7, ETI: 9, LT/ETI: 10 (p<0,001)

Man kann sich diese Ergebnisse aber besser auch grafisch vor Augen halten:

Abb: Odds Ratio inkl. 95% Konfidenzintervall (95%CI) für das Überleben (oben) und das adjustierte Überleben (unten). Diese Abbildung wurde unter Verwendung der Angaben von Sulzgruber et al. (European Heart Journal: Acute Cardiovascular Care 2017) erstellt. 

Die Abbildung verdeutlicht, dass alles was links von der „1“ ist ein besseres Überleben, und was rechts von der „1“ steht ein schlechteres Überleben aufweist. Ergebnisse bei denen das 95% CI die „1“ überschneidet, sind nicht signifikant: Letztendlich zeigt diese Art der Analyse, dass hinsichtlich des adjustierten Überlebens nur die endotracheale Intubation signifikant mit einem besseren Leben assoziiert ist. Die Nutzung eines Larynxtubus weist ein signifikant schlechteres Überleben auf. Adjustiert wurden die Daten an: Alter, Geschlecht, kardiovaskuläre Ursache des Herzkreislaufstillstandes, beobachteten Kollaps, Laienreanimation, schockbarer Rhythmus im ersten EKG, Zeit bis zum ersten Schock, Ventilationsrate, hands-on Fraktion, Kompressionrate und schwieriger Atemweg. Die Autoren konstatieren im Artikel, dass…

  • „The use of a laryngeal tube was independently and directly associated with mortality with an adjusted odds ratio of 1.97 (confidence interval: 1.14–3.39; p=0.015).“
  • „Additionally, patients receiving laryngeal tube ventilation showed the lowest rate of good neurological performance (6.7%; p<0.001) among subgroups.“
  • „However, if patients received endotracheal intubation after initial laryngeal tube ventilation, the outcome proved to be significantly better (9.5%; p<0.001).“

Die Arbeit von Sulzgruber et al. zeigt also in dieser Art der Datenaufbereitung aus einem Register, dass die Nutzung des Larynxtubus im Rahmen der prähospitalen Atemwegssicherung nicht mit einem besseren Überleben assoziiert ist. Das beste Verfahren für ein Überleben und ein neurologisch gutes Überleben scheint die endotracheale Intubation zu sein. Dies Ergebnisse stellen also die Empfehlungen der AHA/ERC zur Reanimation bezüglich des zu verwenden Atemwegshilfsmittel in Frage. Zumal sich die Empfehlungen ja deutlich zugunsten alternativer Methoden in der Atemwegssicherung verschoben hatte. Vielerorts wurde ja bisher empfohlen den Larynxtubus bei Reanimation bis zum ROSC oder gar bis zur Klinikaufnahme zu belassen. Die vorliegenden Daten unterstützen dieses Vorgehen nicht, sondern zeigen das signifikant schlechteste Ergebnis gerade in der Gruppe, die ausschliesslich mit einem Larynxtubus behandelt wurden. Vielmehr unterstützt die Ergebnisse einen möglichst raschen Wechsel vom Larynxtubus hin zur endotrachealen Intubation. Die Autoren nennen die bereits andernorts zuvor angeführten Argumente (POST), warum die Beatmung mittels Larynxtubus bei der Reanimation erschwert bzw. insuffizient sein könnte:

  • hoher Atemwegsdruck
  • reduzierte Lungencompliance
  • unzureichende Ventilation bei kontinuierlicher Thoraxkompression

Interessant ist auch, dass sich die beste Kompression-Ratio in der Gruppe der intubierten Patienten findet. Andererseits wiesen die einzelnen Gruppen unterschiedliche Raten an schwierigen Atemwegsmanagement auf (BMV: 6,7%, LT: 15,7%, ET: 1,0%, LT/ETI: 11,0%, p<0,001). Dies könnte ein Hinweis sein, dass die Gründe für den Einsatz des Larynxtubus möglicherweise die Anwendung im Rahmen einer erschwerten Atemwegssicherung war. Wie bereits bei anderen Studien kritisiert, wurde auch in der Studie von Sulzgruber das etCO2 bzw. paCO2 bei Aufnahme in der Klinik nicht berichtet. Dies hätte jedoch ein guter Hinweis auf die Ventilationsqualität bzw. von Problemen bei der Reanimation sein können (s. POST). Dieser Punkt wird  in der Studie selbst nicht aufgriffen, aber von den Autoren in einem Interview bei #dasFOAM.

Interessant ist auch der Vergleich von Perkutaner Koronarintervention (PCI), Stenting und Target Temperatur Management (TTM) im innenklinischen Verlauf:

  • PCI (%): BMV: 8,6, LT: 4,8, ETI: 4,8, LT/ETI: 6,8 (p=0,307)
  • Stenting (%): BMV: 6,7, LT: 3,3, ETI: 2,9, LT/ETI: 4,3 (p=0,220)
  • TTM (%): BMV: 5,2, LT: 3,8, ETI: 4,8, LT/ETI: 8,1 (p=0,247)

Diese Ergebnisse zeigen sehr ähnliches Vorgehen im Rahmen der innenklinischen Versorgung in allen vier Gruppen.

Fazit für die Praxis: Wir haben mit der Studie von Sulzgruber et al. eine interessante Arbeit vorliegen, die die Hypothese anderer Arbeitsgruppen unterstreicht und zeigt, dass der Larynxtubus möglicherweise bei der Reanimation doch nicht so gut ist, wie häufig angenommen. Ursachenbegründend ist diese Studie jedoch nicht! Wir wissen nicht, ob es an der Performance der Anwender lag, die zu diesem Ergebnis geführt haben und wir wissen auch nicht, ob möglicherweise ein schwieriger Atemweg zur Nutzung des Larynxtubus zwang. Also liegt mit der Studie ein weiterer Baustein vor, der in das komplexe Bild der Atemwegssicherung beim reanimierten Patienten eingefügt werden muss. Es bleibt zu dieser Thematik also weiter spannend.


Das Thema zu den Problemen bzw. der Anwendung des Larynxtubus ist nicht neu und daher verweisen wir ergänzend auf folgende Post bei news-papers.eu:


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