Wenn’s gleich klappt – Notfallmediziner liegen beim Intubieren vorn

Ein Gastbeitrag von Ferdinand Maier, Ulm                      Die endotracheale Intubation (ETI) ist der Goldstandard der Atemwegssicherung. In der Notfallmedizin, ob prähospital oder in der Notaufnahme, bleibt die ETI eine risikoreiche Maßnahme. Patientenspezifische Faktoren (z.B. nicht nüchterner Patient, unbekannter schwieriger Atemweg, Lage/Position des Patienten, Kreislaufsituation) spielen dabei eine Rolle, genau wie die Erfahrungen und technischen Fähigkeiten des durchführenden Teams.

Der Erfolg beim ersten Versuch (First Pass Success = FPS) bleibt deshalb ein anerkannter Qualitätsmaßstab, da mehrere Versuche nachweislich zu höheren Komplikationsraten wie Hypoxie, Aspiration, hämodynamische Instabilität und Herz-Kreislaufstillstand und in der Folge zu einem schlechteren Outcome führen. Um dementsprechend einen hohen FPS zu erreichen, sollten alle zur Verfügung stehenden Hilfsmittel, wie beispielsweise ein Videolaryngoskop (VL), schon beim ersten Intubationsversuch verwendet werden (Soll Empfehlung der S1-Leitlinie Prähospitales Atemwegsmanagement).

In Brasilien ist die Notfallmedizin eine relativ neu entstandene Fachrichtung. Offiziell ist diese seit 2016 anerkannt. Dennoch sind die Notaufnahmen noch oft mit Ärzten anderer Fachrichtung oder eben examinierten Ärzten besetzt, die keine spezielle Ausbildung und Erfahrung im notfallmedizinischen Kontext besitzen. Der Zusammenhang zwischen der Ausbildung und den Ergebnissen der Intubation in diesem Umfeld ist noch nicht genau untersucht worden.

Oliveira J. e Silva et al. führten zu diesem Zweck eine Sekundäranalyse einer multizentrischen, prospektiven Kohortenstudie der Brazilian Airway Registry Cooperation durch (BARCO):

Oliveira JE, Silva L et al.; BARCO Investigators.

Association between physician specialty and first-attempt intubation success in the emergency department.

Eur J Emerg Med. 2025,  Epub ahead of print

Methoden

Studienzeitraum war von März 2022 bis April 2024. Ausgeschlossen wurden Patienten < 18 Jahre, Intubationen für elektive Eingriffe, außerhalb der Notaufnahme, bei Reanimationen und solche, die von Studenten durchgeführt wurden. Die Ärzte wurden in zwei Gruppen eingeteilt (Notfallmedizin vs. Nicht-Notfallmedizin):

  1. Assistenzärzte und Fachärzte für Notfallmedizin
  2. Assistenzärzte und Fachärzte für Innere Medizin, Chirurgie, Anästhesie/Intensivmedizin

Primärer Endpunkt war der FPS. Sekundäre Endpunkte umfassten u.a. Komplikationen wie schwere Hypoxämie (Sauerstoffsättigung < 80 %), hämodynamische Instabilität (systolischer Blutdruck < 65 mmHg und Herzstillstand. Ebenfalls wurde die 28-Tage-Mortalität bewertet.

Ergebnisse:

  • 2582 Patienten wurden eingeschlossen, davon wurden 42% von Notfallmedizinern und 58% Nicht-Notfallmedizinern intubiert
  • die meisten Intubationen wurden von Assistenzärzten durchgeführt
  • Notfallmediziner verwendeten signifikant häufiger eine Intubationscheckliste (54% vs. 38%; p < 0.001), ein VL (24 % vs. 14%; p < 0.001) und setzten signifikant seltener eine medikamentöse Vorbehandlung vor der Narkoseeinleitung ein, insbesondere Fentanyl (12 % vs. 28%; p < 0.001)
  • eine direkte Laryngoskopie (DL) wurde häufiger von den Nicht-Notfallmedizinern verwendet (86% vs. 76%)
  • Notfallmediziner verwendeten signifikant häufiger Rocuronium als Muskelrelaxans (40% vs. 31%, p < 0.001). Succinylcholin wurden von beiden Gruppen gleich häufig benutzt (55% Notfallmediziner vs. 58% Nicht-Notfallmediziner)

Primärer Endpunkt:

  • der FPS war bei Notfallmedizinern signifikant höher als bei Nicht-Notfallmedizinern (80% vs. 71 %, 95 % KI: 7.0–12.1, p < 0.001)
  • den höchsten FPS erzielten die Fachärzte für Notfallmedizin gegenüber Fachärzten anderer Fachrichtungen (92% vs. 85%, p = 0.019)
  • in der adjustierten Analyse waren Notfallmediziner unabhängig mit einer erhöhten Wahrscheinlichkeit für einen FPS assoziiert (aOR: 1,63, 95 % KI: 1,34–1,97), dieser Zusammenhang bestand über alle Ausbildungsjahre der Assistenzärzte hinweg

Sekundärer Endpunkt:

  • Notfallmediziner hatten im Vergleich zu Nicht-Notfallmedizinern eine geringere Rate an schwerer Hypoxämie während der Intubation (10% vs. 14%, 95 % KI: 1.9–6.9 %)
  • nach Adjustierung hatten Notfallmediziner eine höhere Wahrscheinlichkeit für eine Intubation ohne größere Komplikationen (aOR: 1.20, 95 % KI: 1.01–1.42), insbesondere eine geringere Wahrscheinlichkeit für eine schwere Hypoxämie (aOR: 0.67, 95 % KI: 0.52–0.86)
  • es wurden keine signifikanten Unterschiede in der Inzidenz von hämodynamischer Instabilität und Herzstillstand in den beiden Gruppen beobachtet. Auch andere Komplikationen wie Hypotonie, Arrhythmie, Aspiration und selektive Intubation eines Hauptbronchus, unterschieden sich nicht signifikant. Die 28-Tage-Mortalität war in beiden Gruppen ähnlich (45% Notfallmedizin vs. 46% Nicht-Notfallmedizin, aOR: 0.99, 95 % KI: 0.83–1.17)

Diskussion

In der vorliegenden Studie hatten Notfallmediziner im Vergleich zu Ärzten anderer Fachrichtungen höhere Raten eines FPS (80% vs. 71%) und weniger unmittelbare Komplikationen, einschließlich schwerer Hypoxämie. Um zu klären, ob die beobachtenden Unterschiede auf technische Faktoren zurückzuführen sind (Verwendung eines VL, eines Führungsstabes/Bougie, Muskelrelaxans) führten die Autoren eine Sensitivanalyse durch. Diese ergab keinen Unterschied zwischen den beiden Gruppen, sodass die Autoren daraus folgern, dass der höhere FPS nicht allein auf die Technik oder die Ausrüstung basiert, sondern auch die strukturierte Ausbildung einen erheblichen Einfluss auf den FPS hat. Diese Ergebnisse stehen im Einklang mit früheren Studien, in denen die Facharztausbildung und die Erfahrung mit dem Verfahren als entscheidende Faktoren für den Erfolg der Intubation identifiziert wurden. Mit jedem fehlgeschlagenen Intubationsversuch steigt die Komplikationsrate. Bei Maia et al. stieg die Häufigkeit von mindestens einer Komplikation von 14% auf 47% bei einem bzw. zwei Versuchen und bei drei oder mehr Versuchen lag sie bereits bei 60% [1].

In dieser Studie erzielten Fachärzte für Notfallmedizin einen FPS von 92.1% (174/189). Dieser ist vergleichbar mit einer FPS-Rate von 91.4% durch Anästhesisten und erfahrene Notfallmediziner an einem deutschen Rettungshubschrauber-Standort. Dort bezieht sich die Rate jedoch auf über 1000 eingeschlossene Patienten [2].  In einer anderen, erst kürzlich publizierten Studie aus England, wurde im prähospitalen Umfeld mit dem VL ein FPS von 92% (443/478) erreicht [3]. Wenn man die FPS-Raten in der vorliegenden Studie mit Notfallmediziner im 2-4 Ausbildungsjahr von 82% und Nicht-Notfallmediziner von 71% vergleicht, könnte man festhalten, dass eine ETI nur durch erfahrenes Personal durchgeführt werden sollte bzw. ein erfahrener Anwender unterstützend zur Seite steht. Ziel muss es sein, einen möglichst hohen FPS zu erreichen. Gerade im Hinblick auf die prähospital ungünstigen Intubationsbedingungen sollte dabei jedes nützliche Hilfsmittel eingesetzt werden.

Die sekundären Endpunkte waren, bis auf die schwere Hypoxämie, die sehr wahrscheinlich in direktem Zusammenhang mit dem FPS steht, ohne Unterschied zwischen den beiden Gruppen. Ebenso war die 28-Tages-Mortalität in beiden Gruppen ähnlich. Dies unterstreicht ebenfalls die Wichtigkeit einer guten und umfassenden Nachsorge und Weiterbehandlung der Patienten nach erfolgreicher Intubation.

Schade bleibt, dass in der Gruppe der Nicht-Notfallmediziner die Anäathesisten mit den anderen Fachrichtungen, die nicht arbeitstäglich mit Atemwegssicherung zu tun haben, gemischt wurden. Dies dürfte eineseits die Ergebnisse dieser Gruppe verbessern, andererseits wird nicht deutlich, ob die Anästhesisten möglicherweise einen besseren FPS erzielen als die Notfallmediziner.

Auf jeden Fall unterstreicht diese Arbeit von Oliviera die Notwendigkeit einer strukturierten Herangehensweise (Checkliste), inkl. Relaxierung und Verwendung eines Videolaryngoskops.

 

Literatur:

1. Maia, I.W.A., Besen, B.A.M.P., Silva, L.O.J. et al. Peri-intubation adverse events and clinical outcomes in emergency department patients: the BARCO study. Crit Care 29, 155 (2025). https://doi.org/10.1186/s13054-025-05392-w.

2.Hossfeld et al. First pass success of tracheal intubation using the C-MAC PM videolaryngoscope as first-line device in prehospital cardiac arrest compared with other emergencies. An observational study. Eur J Anaesthesiol 38: 806–812 (2021).

3.Hannah J, Adetoro O, Watson AJR, Owen P, Gamblin J, Lloyd M, Plumb JOM. Video laryngoscopy versus direct laryngoscopy in a UK pre-hospital physician/critical care paramedic helicopter emergency medical service. Scand J Trauma Resusc Emerg Med. 2025 Jul 8;33(1):120. doi: 10.1186/s13049-025-01433-z. PMID: 40629386; PMCID: PMC12235919.

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