The COMBAT Trail

Ein Beitrag von PD Dr. Jürgen Knapp, Bern/Schweiz:

Ganz aktuell wurden am vergangenen Wochenende die Ergebnisse des Control of major bleeding after trauma trial (COMBAT) veröffentlicht.

Moore HB et al. Plasma-first resuscitation to treat haemorrhagic shock during emergency ground transportation in an urban area: a randomised trial. Lancet 2018, online first

In dieser Studie wurde der Nutzen der bereits prähospitalen Gabe von Blutplasma bei Patienten im hämorrhagischen Schock untersucht.

Die Facts zu der Studie kurz zusammengefasst:

  • randomisiert kontrollierte Monocenter-Studie
  • 4.2014 bis 31.3.2017
  • Level 1-Trauma-Zentrum in Denver, CO, USA
  • Trauma-Patienten im hämorrhagischen Schock definiert als systolischer Blutdruck (SBP) ≤70 mmHg oder SBP 71-90 mmHg undHerzfrequenz ≥108/min
  • bodengebunder Transport ins Level 1-Trauma-Zentrum
  • geplant war der Einschluss von 150 Patienten, die Studie musste aber nach 144 Patienten auf Anweisung des Data and Safety Monitoring Boards abgebrochen werden
  • ausgewertet werden konnten in der „as-treated-Analyse“ schließlich 125 der 144 Patienten
  • 65 Patienten in der Plasma-Gruppe (fresh frozen plasma (FFP) der Blutgruppe AB), 60 Patienten in der NaCl 0,9%-Gruppe
  • primärer Endpunkt: 28-Tage-Mortalität
  • sekundäre Endpunkte: 24-Stunden-Mortalität, Gerinnungsparameter einschließlich Thrombelastometrie, Hämodynamik bei Aufnahme in den Schockraum, Transfusionsbedarf, Intensivaufenthaltsdauer, Beatmungsdauer, Multiorganversagen, ARDS, zusammengesetzte Endpunkte etc.
  • Ergebnis: in der Plasma –Gruppe verstarben 15% der Patienten, in der Kontroll-Gruppe 10%, damit kein statistisch signifikanter Unterschied, p=0,37
  • auch in keinem der sekundären Endpunkte zeigte sich ein relevanter Unterschied zwischen den Gruppen
  • Die Autoren schlussfolgern daher, dass der prähospitale Einsatz von Blutplasma im städtischen Einsatzgebiet mit relativ kurzen Transportzeiten keinen Vorteil bringt und der finanzielle Aufwand bei kurzen Transportwegen in ein Level 1-Trauma-Zentrum nicht gerechtfertigt ist.

Was fällt bei einem genaueren Blick auf die Ergebnisse auf? Wie könnte das Ergebnis erklärt werden?

  • die Zeit vom Unfallereignis bis zur Klinikaufnahme war in beiden Gruppen sehr kurz: 28 min in der Plasma-Gruppe, 24 min in der Kontrollgruppe
  • der Zeitbedarf zum Auftauen und dem Beginn der Applikation des Plasmas verzögerte den Transport um im Median 3 min
  • auch die Patienten in der Plasma-Gruppe erhielten im Median 150 ml NaCl, in der Kontroll-Gruppe 250 ml, p=0,02
  • hinsichtlich der Gerinnungsparameter (INR, Faktoren-Konzentrationen, thromelastometrische Daten) zeigte sich keinerlei Vorteil in der Plasma-Gruppe, im Gegenteil: 44% der Patienten in der Plasma-Gruppe wiesen einen INR>1,3 auf im Vergleich zu 24% in der Kontroll-Gruppe, p=0,02. Der INR stieg in der Plasma-Gruppe in der Zeit vom Unfallort bis zur Klinikaufnahme sogar stärker an als in der Kontrollgruppe
  • Dies fügt sich gut in die bestehende Datenlage ein: Mit Plasma eine derangierte Gerinnung zu korrigieren gelingt nicht gut, hierfür braucht es konzentrierte Lösungen. Dies wurde erst kürzlich für Fibrinogen von Innerhofer et al. gezeigt:
    Innerhofer P et al. Reversal of trauma-induced coagulopathy using first-line coagulation factor concentrates or fresh frozen plasma (RETIC): a single-center, parallel-group, open-label, randomised trial. Lancet Haematol 2017
  • bei nur 9% der Patienten in der Plasma-Gruppe und 13% in der Kontroll-Gruppe wurde Tranexamsäure verabreicht, eine Hyperfibrinolyse zum Zeitpunkt der Klinik-Aufnahme fand sich jedoch in 23% der Patienten der Plasma-Gruppe und 25% der Patienten der Kontrollgruppe
    • die geringe Rate der Gabe von TXA ist überraschend, da ja das Einschlusskriterium für die Studie ein hämorrhagischer Schock nach Trauma war, was nach der CRASH-2-Studie eine klassische Indikation für die frühzeitige Gabe von TXA darstellt. Offensichtlich ist die Gabe von TXA in den USA nicht so „en vogue“ wie im europäischen Raum.
    • dass eine Hyperfibrinolyse aber nur bei einer Minderheit der schwer verletzten Patienten (hier rund einem Viertel) vorliegt, passt sehr gut ins bestehende Bild. Siehe hierzu auch unseren Blog-Beitrag „TXA – nicht mit der Gießkanne“
  • alle Patienten in der Plasma-Gruppe erhielten die „volle Dosis“ von 2 Einheiten Plasma, aber nur 32% der Patienten in der Plasma-Gruppe erhielten dies prähospital. 37% nur eine Einheit während des Transports und die zweite im Schockraum und bei 31% lief nicht einmal die erste Einheit vollständig während des Transports ein.
    • Dies ist sicher zurückzuführen auf die kurzen Transportzeiten.
    • Damit diese geringe Menge an Plasma im prähospitalen Umfeld aber (ganz abgesehen vom fehlenden Effekt auf die Gerinnung) einen Effekt auf die 28-Tage-Mortalität zeigen könnte, müsste es eine wahre Wunderdroge sein.
  • Als Limitation ihrer Studie führen die Autoren auch an, dass die Hypotension, die der Trauma-Patient am Unfallort aufweist, nicht immer durch eine Blutung verursacht ist.
    • dies deckt sich sicher mit der persönlichen Erfahrung von vielen Kollegen. Hier würden wir uns über Rückmeldungen aus der Leserschaft sehr freuen.
    • bei wie vielen Patienten in der COMBAT-Studie tatsächlich eine Blutung vorlag, geht aus der Studie leider nicht hervor. Der innerklinische Gebrauch an Blutprodukten innerhalb der ersten 24 h war jedenfalls in beiden Gruppen, in denen die Verdachtsdiagnose eines hämorrhagischen Schocks bestand, sehr gering: Erythrozytenkonzentrate 2,0 bzw. 1,5 Einheiten im Median, Plasma 0 bzw. 0 Einheiten, Thrombozytenkonzentrate: 0 bzw. 0 Einheiten, Kryopräzipitate 0 bzw. 0 Einheiten. Bei wie vielen Patienten eine Massivtransfusion notwendig war geht leider nicht aus der Studie hervor, da dieser Endpunkt mit dem Tod der Patienten nach 6 h zusammengefasst ist: 23% in der Plasma-Gruppe vs. 20% in der Kontrollgruppe.
    • uns fehlen momentan zuverlässige Methoden, Patienten zu identifizieren, die absehbar eine Transfusion von Fremdblut benötigen.
  • ebenfalls von den Autoren bereits als Limitation aufgeführt:
    • Vielleicht hat die Beschäftigung mit dem Auftauen und dem Anhängen des Plasmas die Paramedics von wichtigeren Aufgaben abgelenkt?
    • der Transport aller Patienten erfolgte in ein Level 1-Trauma-Zentrum, wo Plasma ebenfalls zur Verfügung stand
  • Erythrozytenkonzentrate standen prähospital in dieser Studie nicht zur Verfügung

Welche Konsequenzen für die Praxis können wir aus dieser Studie ziehen?

  • die prähospitale Gabe von Blutplasma bei kurzen prähospitalen Zeiten (<30 min) bringt dem Patienten keinen Vorteil
  • ob dies bei längeren Transportzeiten der Fall ist (in Deutschland beträgt die gesamte prähospitale Zeit von schwer verletzten Patienten immer noch knapp 70 min), werden weitere Studien, die aktuell laufen, zeigen:
    • PAMPer-trial (NCT02736812)
    • RePHILL (IRAS ID: 179484)
    • PREHO-PLYO (NCT02736812)
    • siehe hierzu auch Lier H et al. Ansätze zur prähospitalen Gerinnungstherapie. Anaesthesist 2017

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