REBOA – Aktuelle Erkenntnisse über Einsatz, Technik und Management

Ein Gastbeitrag von Ferdinand Maier, Ulm                   Blutungen gehören nach wie vor zu den häufigsten Todesursachen bei Trauma sowohl in der Zivilbevölkerung als auch bei den Streitkräften. Die Resuscitative Endovascular Balloon Occlusion of the Aorta (REBOA) stellt im Gegensatz zu der invasiven Notfallthorakotomie eine minimal-invasive Technik dar, die als vorübergehende Maßnahme zur Blutungskontrolle bis zur definitiven chirurgischen Versorgung angewendet werden kann.

In den letzten Jahren hat die Anwendung deutlich zugenommen. Studien zeigen bei ausgewählten hämorrhagischen Traumapatienten mit Durchführung einer REBOA bessere Ergebnisse als bei Pateinten, bei denen die Technik nicht angewendet wurde. Dabei ist es wichtig Patienten zu identifizieren, die von einer REBOA profitieren können, sowie Kenntnisse über die technischen Aspekte zur Durchführung und Positionierung einer REBOA zu erlangen, um eine maximale Wirksamkeit zu erreichen. Die erste dokumentierte Anwendung eines endoluminalen Aortenverschlusses geht auf einen Fallbericht von drei Patienten im Koreakrieg in den 1950er Jahren zurück. Jahre später erweckte diese Technik Interesse zur vorübergehenden Versorgung rupturierter Bauchaortenaneurysmata, bis in den 1980er Jahren in einer Fallserie zum ersten Mal blutende Traumapatienten behandelt wurden.

Im Journal of Trauma and Acute Care Surgery veröffentlichten Shaw und Brenner einen Übersichtsartikel ahead of print:

Shaw J, Brenner M

Resuscitative Endovascular Balloon Occlusion of the Aorta: What You Need to Know

Journal of Trauma and Acute Care Surgery 2025

REBOA – Was ist das?

Bei exsanguierenden nicht komprimierbaren Blutungen im Bauchraum oder distal wird über eine der beiden Femoralarterien ein Katheter eingebracht, an dem sich ein Ballon befindet, der nach erfolgter Platzierung in der Aorta geblockt wird. Die Positionen des Ballons, in der er zu liegen kommen kann, wird in 3 Zonen (Z1 -Z3) eingeteilt:

  • Z1: Abgang linke Arteria (A.) subclavia bis zum Truncus coeliacus
  • Z2: Truncus coeliacus bis zum Abgang der Aa. renales (hier sollte der Ballon nicht positioniert werden)
  • Z3: distal der Aa. renales

Der Ballon wiederum kann ganz oder partiell geblockt werden. Bei partieller Blockung kann weiterhin ein Blutstrom in die distalen Abschnitte gelangen. Ziel der REBOA ist es, Blutungen in den distalen Abschnitten zu reduzieren und gleichzeitig in den proximalen Abschnitten eine ausreichende Perfusion von Gehirn, Lunge und Herz zu erhalten.

Indikationen zur Anwendung

Zum aktuellen Zeitpunkt gibt es keine randomisierte kontrollierte Studie mit definierten Indikationen. Dennoch werden in der Literatur und anhand Expertengremien, wie z.B. dem American College of Surgeons Joint Committee on Trauma, Indikationen und Kontraindikationen sowie Ablauf und Durchführung anhand Algorithmen beschrieben:

Erwachsene Traumapatienten zwischen 18 und 69 Jahren mit folgenden Merkmalen:

  • Herz-Kreislaufstillstand mit pulsloser elektrischer Aktivität (PEA) als Z1 REBOA
  • Refraktärer hypovolämischer Schock infolge einer Blutung unterhalb des Zwerchfells als Z1 oder Z3 REBOA, insbesondere bei:
  1. intraabdomineller Blutung durch stumpfes Trauma oder penetrierender Verletzungen des Rumpfes (Z1)
  2. stumpfem Trauma und Verdacht auf Beckenfraktur und isolierte Beckenblutung (Z3)
  3. penetrierender Verletzungen des Beckens oder der Leiste mit unkontrollierter Blutung aus einer junktionalen Gefäßverletzung (Iliakalgefäße, gemeinsame Oberschenkelgefäße), (Z3)
  4. Verdacht auf retroperitoneale Blutung (Z1)

Aktuelle Daten gehen von einem idealen systolischen Blutdruck zwischen 60 und 80 mmHg für die Anlage aus. Die Messung des systemischen Blutdruckes, um die Entscheidung für den Einsatz der REBOA zu treffen, soll dabei über einen femoralen arteriellen Katheter erfolgen.

Eine REBOA sollte nur dann durchgeführt werden, wenn kardiothorakale Ursachen (Herzbeuteltamponade, (Spannungs-)Pneumothororax) durch eine Untersuchung oder gar einer Bildgebung mit hoher Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen wurden. Bei Hinweisen auf eine intrathorakale Lokalisation der Blutung sollte die REBOA aufgrund einer Verschlimmerung der Verletzung (bis hin zur Ruptur der Aorta) vermieden werden. Sind die Femoralarterien beispielsweise durch eine Gefäßverengung mittels Ultraschall oder durch die Verletzung selbst nicht darstellbar (aufgrund eines Gewebetraumas), kann die Kanülierung entweder per Landmarke oder auch durch eine präparative chirursgische Gefäßfreilegung erfolgen.

Technik und Management

Je nach vermuteter Region der Verletzung wird der benötigte Katheterabstand anhand von äußeren Orientierungspunkten näherungsweise bestimmt (Abstand femoraler Zugang bis zur abgerundeten Spitze des Katheters):

  • Z1: Abstand femoraler Zugang bis zur Sternumkerbe
  • Z3: Abstand femoraler Zugang bis zum Xiphoid

Es wird empfohlen, die Arteria femoralis communis sonograhisch gestützt 1 bis 2 cm unterhalb des Leistenbandes und proximal der Bifurkation zu punktieren. Falls die Gefäße bereits nur noch kollabiert darzustellen sind, soll ein offener Schnitt für die bessere Sichtbarkeit und Punktion erfolgen. Das Vorgehen erfolgt in Seldinger Technik. Nach Kanülierung der Arterie wird über die Nadel der Führungsdraht eingebracht. Die Nadel wird entfernt und anschließend wird die Einführschleuse (enthält auch den Dilatator) über den Draht vorgeschoben. Nun wird der Dilatator mit Führungsdraht entfernt. Der systemische arterielle Blutdruck kann über den seitlichen Anschluss dieser Schleuse gemessen werden. Nun wird die Schutzhülle über die abgerundete Spitze des Katheters geschoben und dieser direkt in die Einführschleuse eingeführt. Der Katheter (enthält Zentimeter Markierungen) wird bis zur vorher abgemessenen gewünschten Zone vorgeschoben.

Am proximalen und distalen Ende des Ballons befinden sich zwei röntgendichte Marker. Die korrekte Platzierung wird mit einem Röntgengerät geprüft und im Anschluss der Ballon mit einer 1:4 Mischung aus Kontrastmittel und Kochsalzlösung geblockt. Falls eine CPR (cardiopulmonary resuscitation) durchgeführt wird, darf diese dadurch nicht unterbrochen werden. Die Lagekontrolle kann bei ROSC (return of spontaneous circulation) erfolgen. Alternativ kann die Lage durch direkte manuelle Palpation bei einer Laparotomie verifiziert werden. Klinisch äußert sich eine erfolgreiche Anlage durch einen verbesserten systolischen Blutdruck (SBP systolic blood pressure) proximal des Ballons. In der Literatur wird eine Okklusion von weniger als 30 Minuten für Zone 1 und weniger als 60 Minuten für Zone 3 empfohlen. Eine partielle REBOA kann mit allen von der FDA (Food and Drug Administration) zugelassenen Kathetern erfolgen. Kleinere Schleusen, wie z.B. 4 French (Fr), können zu Überwachung auf der Intensivstation belassen werden, wenn die Untersuchung des distalen Pulses unauffällig ist.

Nach Entfernung des Katheters sollten distale Gefäßkontrollen mindestens für 12 Stunden stündlich erfolgen, dabei soll der Patient die ersten 6 Stunden nur auf dem Rücken gelagert werden, jegliche Manipulationen sollten vermieden werden. Eine innerhalb von 48 Stunden durchgeführte arterielle Duplexuntersuchung kann zusätzliche Komplikationen ausschließen.

Komplikationen

Zugangskomplikationen:

  • distale Embolie
  • Pseudoaneurysma
  • Hämatombildung
  • erschwerte Entfernung des Katheters

Häufigste verfahrensbedingte Komplikationen:

  • distale Embolien
  • Ischämie der unteren Extremitäten
  • Gefäß- und Zugangskomplikationen

Technische Komplikationen:

  • Über- oder Unterinflation des Ballons
  • Fehlplatzierung des Ballon z.B. in den Iliakalgefäßen

Folgekomplikationen:

  • Kompartmentsyndrom der unteren Extremitäten
  • Amputation der unteren Extremitäten
  • mesenteriale Ischämie mit Multiorganversagen
  • akute Nierenschädigung
  • akute respiratorische Insuffizienz
  • Berichte über Ischämie des Rückenmarks bei Zone 1 > 30 Minuten
  • Aggravierung der genannten Komplikationen nach Entfernung der REBOA (Reperfusionssyndrom)

Komplikationen in Zusammenhang mit Blutungen sind relativ selten beschrieben. Eine Überinflation des Ballons kann bis zur Aortenruptur führen. Für die optimale Balloninflation sollten klinische Überlegungen wie Alter, Geschlecht und Flüssigkeitsstatus des Patienten berücksichtigt werden.

Eine geringere Kathetergröße (7 Fr) wurde im Vergleich mit einem größeren Durchmesser (11-12 Fr) mit einer geringeren Inzidenz von Komplikationen beim Gefäßzugang in Verbindung gebracht. Aktuell sind Katheter bis zu einer Größe von 4 Fr erhältlich.

Bei den genannten Komplikationen und Folgeerscheinungen ist es wichtig einen Gefäßchirurgen für die weitere Behandlung und Kontrolle der Komplikationen zur Verfügung zu haben.

REBOA vs. Notfallthorakotomie

Vorteile der REBOA:

  • Durchführung ohne Unterbrechung der CPR
  • bei irreversiblem Schädel-Hirn-Trauma überbrückende Maßnahme bis zur Organspende
  • Hinweise zur Überlegenheit bei traumatischen Hirnverletzungen (AORTA-Studie)
  • signifikant höhere Überlebensrate (Z1 REBOA vs. Thorakotomie, AORTA-Studie)
  • minimal-invasiv, Thorakotomie erfordert Expertise (große, invasive Maßnahme)

Vorteile der Notfallthorakotomie:

  • Möglichkeit zur offenen Herzdruckmassage
  • Entlastung einer Herzbeuteltamponade
  • direkte Reparatur von Gefäß- und Herzverletzungen

Vorteile der REBOA zu traditionellen Methoden

  • AAST-AORTA-Studie: REBOA als Teil eines festen Behandlungsalgorithmus ist bei Patienten mit REBOA mit einer höheren Überlebensrate verbunden, als bei Pateinten, die keine REBOA erhalten haben
  • Harfouche et al.: Z3 REBOA bei Patienten mit Beckenfrakturen als alleinige Maßnahme oder als Ergänzung zu herkömmlichen Maßnahmen (präperitoneales Becken Packing, Angioembolisation oder externe Fixierung) einsetzbar. Nach multivariabler Regression war die externe Fixierung mit einer geringeren Sterblichkeit verbunden
  • es gibt Studien mit schlechterem Outcome hinsichtlich der Mortalität durch die REBOA. Shaw und Brenner weisen jedoch auf Mängel in der Durchführung und Auswertung bei diesen Studien hin

Weitere dokumentierte Einsatzmöglichkeiten

  • nicht-traumatischer Herzkreislaufstillstand, zur Umverteilung des proximalen Blutflusses, verbessert die myokardiale und zerebrale Perfusion
  • nicht-traumatische Blutungen
  • vorübergehende Behandlung von peripartalen Blutungen aus dem Plazenta-Accreta-Spektrum (PAS). Studien zeigen hier geringere Transfusionsraten, geringeren Blutverlust, kürzere Aufenthaltsdauer und eine geringe postoperative Ileusrate bei Patienten mit REBOA im Vergleich zu Pateinten, die keine REBOA erhalten haben. Aktuell existiert eine Leitlinie für den prophylaktischen Einsatz einer REBOA bei PAS-Erkrankungen

Prähospitaler Einsatz

Der Einsatz im zivilen prähospitalen Rettungsdienst ist umstritten. Daten zeigen, dass die meisten Todesfälle infolge traumatischer Blutung innerhalb von 30 Minuten nach der Verletzung eintreten, bevor der Patient das Krankenhaus erreicht. Der Ziel besteht darin, das Überleben von der Verletzung bis zur endgültigen Behandlung zu verlängern. Der Mangel an Daten, die einen Mortalitätsvorteil der prähospitalen REBOA belegen, die Unklarheit der Patientenauswahl und der Indikationen für den Einsatz, sowie Bedenken hinsichtlich der Logistik haben den Einsatz der REBOA in der prähospitalen Umgebung eingeschränkt. Eine kürzlich veröffentlichte Delphi-Studie deutet darauf hin, dass die REBOA prähospital eingesetzt werden kann, wenn die Anwender angemessen geschult und entsprechende Protokolle für die Anwendung geschaffen werden.

In einer Beobachtungsstudie wurde bei Patienten, die einen nicht-traumatischen Herz-Kreislaufstillstand erlitten hatten, die REBOA zur Kreislaufunterstützung eingesetzt, während sie eine CPR erhielten. Bei diesen Patienten wurde festgestellt, dass die REBOA den endtidalen CO2-Gehalt erhöht. Dies deutet auf eine verbesserte Organzirkulation während der CPR und auch auf die erfolgreiche Durchführbarkeit der Technik bei laufender CPR hin.

In einer anderen prospektiven Beobachtungsstudie war der Einsatz einer partiellen Z1 REBOA mit einem frühen Überleben assoziiert, ging aber mit einer signifikante Inzidenz für ein spätes Versterben einher.

Zusammenfassung

Patienten, die eine REBOA erhalten oder benötigen, sind kritisch krank und häufig polytraumatisiert. Zum typischen Verletzungsmuster gehören ein Schädel-Hirn-Trauma, ein Herz-Kreislaufstillstand mit CPR, sowie Verletzungen des Thorax, des Beckens und des Abdomens durch stumpfe oder penetrierende Mechanismen. Diese Verletzungen gehen häufig mit erheblichen metabolischen und hämodynamischen Veränderungen einher. Bei der REBOA-Anlage spielen die Kompetenz des Anwenders, das Team und eine rechtzeitige definitive operative Intervention eine entscheidende Rolle für das Outcome. In Traumazentren, in denen die REBOA Teil eines standardisierten Behandlungsalgorithmus ist, wird sie mit einer erhöhten Überlebensrate im Vergleich zu Patienten, die keine REBOA erhalten, in Verbindung gebracht. Die REBOA stellt nur ein überbrückendes Verfahren bis zur definitiven operativen Versorgung dar. Die Durchführung kann von jedem geschulten Anwender erfolgen und erfolgt am besten in einem multidisziplinären Team, um die endgültige Blutstillung zu erreichen und Komplikationen zu beherrschen.

 

 

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