Der negative Effekt der akzidentiellen Hypothermie bei Schwerverletzten ist seit Jahrzehnten bekannt. Vor allem, wenn prähospital eine Notfallnarkose und Atemwegsmanagement durchgeführt wird, kann es zusätzlich zu einer Beeinträchtigung der Temperaturautoregulation kommen.
In einer aktuellen Arbeit aus Leipzig wurde das Thema Hypothermie beim beatmeten Polytrauma beleuchtet:
Struck MF, Nündel A, Kirsten H, Kaiser F, Zimmermann S, Thriemer N, Werdehausen R, Keß A, Kleber C, Hempel G. Admission hypothermia in trauma patients undergoing prehospital tracheal intubation: 15-year review of a level-1 trauma center. Prehosp Emerg Care. 2025 Sep 11:1-35. doi: 10.1080/10903127.2025.2558865. Epub ahead of print. PMID: 40932762.
DOI: 10.1080/10903127.2025.2558865
Über einen Beobachtungszeitraum von 15 Jahren wurden Fälle retrospektiv analysiert, die 16 Jahre oder älter waren und prähospital aufgrund des Verletzungsmusters eine Intubationsnarkose erhielten. Das primäre Ziel der Analyse war es, die Prävalenz und die Risikofaktoren im Zusammenhang mit einer Unterkühlung (definiert als Körpertemperatur < 35 °C) bei der Ankunft in der Notaufnahme zu ermitteln. Sekundäre Ziele waren die Bewertung des Zusammenhangs zwischen Unterkühlung und Gesamtmortalität, Transfusionsbedarf, Aufenthaltsdauer auf der Intensivstation und Dauer der mechanischen Beatmung.
Insgesamt wurden 851 Patienten (72% männlich) mit einem medianen Alter von 50 Jahren, einem medianen Injury Severity Score von 27 Punkten und einer 30-Tage-Mortalität von 30 % eingeschlossen. Die mediane Körpertemperatur bei der Aufnahme betrug 35,1 °C, und 366 Patienten (43%) waren hypotherm.
Unabhängige Risikofaktoren für eine Hypothermie waren
- Außentemperatur (Odds ratio 1,03 pro Grad Celsius Abnahme)
- Hubschraubertransport (Odds ratio 2,36)
- Injury Severity Score (Odds ratio 1,03 pro Punkt)
- Schock bei Aufnahme (Odds ratio 3,48)
- Azidose bei Aufnahme (Odds ratio 1,69)
- Koagulopathie bei Aufnahme (Odds ratio 1,85)
Multivariable outcome-analysen ergaben signifikante Zusammenhänge zwischen Hypothermie und
- 24-Stunden-Mortalität (Odds ratio 6,6)
- 30-Tage-Mortalität (Odds ratio 3,81)
- Massivtransfusion (Odds ratio 2,94)
- Dauer des Aufenthalts auf der Intensivstation bei Überlebenden (Beta-weight 3,15)
- Dauer der mechanischen Beatmung bei Überlebenden (Beta-weight 2,65)
Die vorliegenden Ergebnisse deuten darauf hin, dass ein erheblicher Anteil der prähospital intubierten Traumapatienten hypotherm im Schockraum eintreffen. Die Hypothermie bei Ankunft ist mit einer kritischen Verletzungsschwere und hohen Sterblichkeitsraten verbunden. Diese Zusammenhänge legen nahe, dass vorbeugende Maßnahmen und Strategien zur Wiedererwärmung bis zur Ankunft in der Notaufnahme erforderlich sein können, was in weiteren prospektiven Untersuchungen gesichert werden sollte. Die Arbeit wurde in Prehospital Emergency Care publiziert und ist barrierefrei lesbar (open access).

Abbildung1: Flowchart der Analyse

Abbildung2: Kaplan Meyer plot des 30-Tage Überlebens bei schwerverletzten Patienten mit und ohne Hypothermie (<35°C). Log-rank p<0,001.