Das kompetente Beherrschen der Atemwegssicherung ist eine zentrale Aufgabe für Teams in der Notfallmedizin. Lagerungsmanöver und technische Hilfsmittel wie das Videolaryngoskop oder ein Bougie können den First Pass Success (FPS) erhöhen, müssen aber alle in einem realistischen, sicheren Umfeld erlernt und kontinuierlich trainiert werden. Der notwendige Umfang solcher Trainingsmaßnahmen wird immer wieder diskutiert. Kollegen aus Köln haben ein Konzept entwickelt, um die Atemwegssicherung an frischen tiefgekühlten Körperspendern auszubilden.
Imach, S., Kölbel, B., Böhmer, A. et al.
Re-creating reality: validation of fresh frozen full cadaver airway training with videolaryngoscopy and bougie FIRST strategy.
Methodik:
- prospektive Erfassung der Charakteristika von 60 prähospitalen Atemwegsicherungen der Luftrettungsstation Christoph 3, Köln (Mundöffnung, BMI, instabile HWS-Verletzungen, Mittelgesichtstraumata, Flüssigkeit vor Larynx etc.)
- Übertragung dieser Charakteristika in ein Fresh Frozen Körperspendermodell (WetLab) durch gezielte Modifikation von 5 anatomischen Präparaten
- Durchführung eines stufenweisen, standardisierten Atemwegstrainings mit 2 Gruppen.
- 12 erfahrenen Notärzt*innen der Luftrettungsstation Christoph 3 (HEMS)
- 12 unerfahrenen Weiterbildungsassistent*innen der Orthopädie und Unfallchirurgie (NOVICE, nur dry lab Training, ohne vorheriges Training in der Anästhesie)
- Beide Gruppen mussten in mehreren Durchgängen eine endotracheale Intubation am anatomischen Präparat durchführen. Begonnen wurde als Referenz mit der direkten Laryngoskopie ohne Hilfsmittel (OLD) und die Technik bis zur augmentierten Videolaryngoskopie mit Bougie-First-Approach und standardisierter Patientenlagerung (CONTROL, BOAH-Airway-Bundle) modifiziert.
Ergebnis:
- Der First Pass Success (FPS) beim OLD-Scenario lag in der HEMS Gruppe bei 83,3% und in der NOVICE Gruppe bei 80,0% [p=0,638]
- FPS beim CONTROL-Szenario lag sowohl in der HEMS Gruppe als auch in der NOVICE Gruppe bei 100%
- Die Intubationszeit für die augmentierte Videolaryngoskopie mit dem BOAH-Airway-Bundle war in der HEMS Gruppe 24,0s vs. 32,0s in der NOVICE Gruppe [p<0,001] und damit länger als im OLD Scenario (HEMS 21,0s; NOVICE 22,0s)
Schlussfolgerung:
- An frischen Körperspendern kann die anatomischen Herausforderungen der prähospitalen Atemwegssicherung realistisch und reproduzierbar abgebildet werden
- Durch standardisiertes Training am Kadavermodell kann der First Pass Success für erfahrene als auch für unerfahrene Anwender gleichermaßen stark erhöht werden.
Der klinische Erfolg dieses Kurskonzeptes wird nach Angabe der Autoren aktuell an der Luftrettungsstation Christoph 3 prospektiv evaluiert. Der BOAH (Best of Airwaymanagement in HEMS) Course umfasst, neben dem hier beschriebenen Training am anatomischen Präparat simulationsgestützte Workshops zur Notfallnarkose und Aspekte der Interpersonal-Competence wie der Teamführung in Notfallsituationen durch die Human Factors Academy der Lufthansa. Er stellt damit eine interessante Ergänzung zum Atemwegstraining in der Anästhesie für die Aus- und Weiterbildung von Notärzt*innen dar.
Die Teilnahme ist sowohl für das Rettungsdienstfachpersonal als auch für alle ärztlichen Kolleg*innen die in der Akutmedizin engagiert sind möglich und kann unabhängig von der persönlichen Erfahrung in der Atemwegsicherung erfolgen.
Die nächsten Kurse finden als Eintageskurse jeweils am 13. und 14.09.2022 in Köln statt und können HIER gebucht werden.