Beatmung unter mechanischen Reanimationshilfen – Ein Problem?

LUCAS2

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In einem aktuellen Editorial im European Journal of Anaesthesiology (EJA 2016, online, DOI:10.1097/EJA.0000000000000426) hinterfragen die Autoren dieses Litertaturblogs in Zusammenarbeit mit namhaften Kollegen der deutschen Notfallmedizin die bisherigen Beatmungsstrategien bei der Anwendung von automatischen mechanischen Reanimationshilfen (ACCD, automated chest compression device, zB LUCAS2, Autopuls).
Unter dem Titel

Don´t forget to ventilate during cardiopulmonary resuscitation with mechanical chest compression devices

wird zunächst auf die klare Empfehlung der ERC-Leitlinien 2015 hingewiesen, dass die routinemässige Anwendung von ACCD nicht empfohlen wird. Aber – und auch das wird konstatiert – ACCD sind gute Alternativen zur konventionellen manuellen Reanimation mittels Thoraxkompressionen in bestimmten Situationen. Hierzu sind den aktuellen ERC-Leitlinien folgende Indikationen für ein ACCD-Anwendung genannt:

  • persistierendes Kammerflimmern/pulslose ventrikuläre Tachykardie ohne Wiedereintritt eines spontanen Kreislaufes (return of sponteaneous circulation, ROSC) mit der Notwendigkeit eines Transportes in ein Krankenhaus
  • prolongierte Reanimationsdauer (zB Hypothermie, schwere Hyperkaliämie, Lungenembolie)
  • Wiederbelebungen in großer Höhe (zB hohe Belastung für die Retter)
  • Anwendung in Luftrettungssystemen oder bei Ambulanzflügen.

Bisher bestehen neben zahlreichen kleineren Studien drei große randomisierte Untersuchungen zum Thema der ACCD:

  • LINC (LUCAS in cardiac arrest, LUCAS 2 vs. manuelle Throaxkompressionen, n=2589)
  • PARAMEDIC (prehospital randomized assessment of a mechanical compression device, LUCAS 2 vs. manuelle Thoraxkompressionen) n=4471)
  • CIRC (Circulation improving resuscitation care, AutoPulse vs. manuelle Thoraxkompressionen, n=4753)

Zusammengenommen wurden in diesen drei randomisierten Untersuchungen über 11.000 Patienten behandelt: 5051 Patienten wurden mit ACCD und 6240 Patienten mit manuellen Thoraxkompressionen behandelt. Letztendlich konnten kein Nachteil (non-inferiority) zuungunsten von ACCD gegenüber manuellen Thoraxkompressionen nachgewiesen werden.

In keiner der drei großen ACCD-Studien (LINC, PARAMIDIC, CIRC) wurde aber das Atemwegsmanagement explizit betrachtet. Daher besteht folgende Kritik:

  • Teilweise fehlen in den drei Studien Aussagen dazu wie das Atemwegsmanagement (zB endotracheale Intubation, supraglottische Atemwegs (ink. Larynxtubus, Larynxmaske) oder Maskenbeatmung) konkret gemacht wurde,
  • in wie vielen Fällen „ununterbrochene Thoraxkompressionen“ in eine Compression-ventilation (C:V)-Ratio von 30:2  bei ineffektiver Beatmung überführt werden mussten und vor allem
  • wie die Ventilation (etCO2) oder die Sauerstoffsättigung (paO2) prähospital, unter Transport in die Klink oder bei Klinikaufnahme war.

Essentielle Parameter, zur Beurteilung des Beatmungserfolges [inkl. Oxygenierung (paO2) und Ventilation (zB paCO2 oder etCO2] werden also in den ACCD-Studien nicht berichtet. Interessanterweise werden aber in vorab publizierten Studienprotokolle die Erhebung dieser Parameter erwähnt (zB CIRC-Studie: Lerner et al. Resuscitation 2011; 82: 294-299).

Auch bestehen nach den Reanimationsempfehlungen des ERC und der AHA der Jahre 2005, 2010 und 2015 keine klaren Hinweise zum Vorgehen bei Nutzung von ACCD im Rahmen der kardiopulmonalen Reanimation. Es finden sich aber Hinweise, dass beim Auftreten von Leckagen bzw. ineffektiver Ventilation eine C:V-Ratio von 30:2 gewählt werden sollte, dies führt also zu unterbrochenen Thoraxkompressionen.

Kernaussagen: Vor dem Hintergrund der og Limitationen der Studien und der Problematik, dass viele alternative Atemwege unter hohen Atemwegsdrücken (zB >20 cm H2O), wie sie bei Thoraxkompressionen auftreten, keine effektive Ventilation zulassen, stellt sich die Frage, ob die ACCD-behandelten Patienten möglicherweise unzureichend oder einfach nicht erfolgreich ventiliert und oxygeniert waren. Natürlich ist es eine Frage der Vigilanz, Ausbildung und Qualifikation diese Probleme zu erfassen, jedoch liegt es auch auf der Hand, dass die Primärdaten der LINC-, PARAMIDIC- und CIRC-Studie hinsichtlich dieser Problematik noch einmal detailliert ausgewertet werden müssten. Vielleicht liegt also die nicht-bestehende Überlegenheit (non-inferiority) der mechanischen Reanimationshilfen in den ACCD-Studien letztendlich an dem viel zu häufig nicht ausreichend berücksichtigen Punkt der Atemwegssicherung und Beatmung. Lesen Sie das komplette Editorial und reflektieren Sie einmal über die Frage. Sind wir gemeinsam gespannt wie die scientific community die Kritik an den ACCD-Studien aufgreifen und ob es möglicherweise zu einem stringenten Umdenken hinsichtlich der Atemwegssicherung und Beatmung unter ACCD kommen wird.

Wie ist Ihre Ansicht zu diesem Punkt?

9 thoughts on “Beatmung unter mechanischen Reanimationshilfen – Ein Problem?

  1. Herzlichen Glückwunsch zunächst zur Auflage des Blog, ein tolles Format!

    Es ist sicher korrekt, dass hier noch relevante Daten fehlen und der Grund für die fehlende Überlegenheit der ACCD bisher nicht geklärt ist. Wenn auch die ACCD hier zunehmend als „Verursacher“ durch ineffektive CO2-Elimination in den Fokus rücken, so wäre es sicher verfrüht, bereits jetzt von diesen hilfreichen Devices abzurücken. In der Praxis empfehlen wir daher folgendes pragmatisches Vorgehen, wenn die Einlage supraglottischer Atemwegshilfen im jeweiligen Rettungsdienstbereich (durch nichtärztliches Rettungsdienstpersonal) vorgesehen ist: Leitliniengerechte permanente Kapnografie, bei konstantem etCO2-Anstieg unter Anwendung des kontinuierlichem Modus des ACCD Wechsel auf den diskontinuierlichen Modus (30:2). Wenn damit die Ventilationspause zur CO2-Elimination gegeben ist, sollte die Anwendung des ACCD (theoretisch) nicht schlechter sein als die händische HDM und die Vorteile überwiegen. Aus Sicherheitsgründen für das begleitende Personal ist der Einsatz des ACCD allerdings bei jedem bodengebundenen Transport eines Reanimationspatienten zu fordern, auch wenn zum Zeitpunkt des Transportbeginns bereits wieder ein Spontanrhythmus/kreislauf vorhanden ist.

    1. Lieber Ralph,

      ganz herzlichen Dank für Deinen Kommentar. Das von Dir aufgezeigte Vorgehen weist auf einen sehr reflektierten Umgang mit ACCDs hin. Möglicherweise wird genau das von Dir vorgestellte Vorgehen zukünftig so vorgeschlagen werden müssen, um Ventilations-assoziierte Probleme mit den ACCD zu vermeiden und gleichermassen die ggf. vorliegenden Vorteile der ACCD zu nutzen. Wesentlicher Punkt unseres Editorial war es, dass bisher noch keine Untersuchungen hinsichtlich des möglicherweise Ventilation-assoziierten und ggf. Outcome-relevanten Problems bestehen. Auch ist es interessant, dass diese Parameter zwar im Studienprotokoll verschiedener Studien auftauchen, letztendlich aber nicht berichtet werden. Sind wir gemeinsam gespannt, welche neuen Untersuchungen zu diesem Thema erscheinen werden. Wir können diese dann auch gerne – zB im Rahmen dieses Blogs – diskutieren. Ganz herzlichen Gruss Dein Michel

  2. Da nach Sicherung des Atemweges (unabhängig davon, ob supraglottisch oder endotracheal) die Thoraxkompressionen nicht mehr zur Ventilation unterbrochen werden und in der Regel mindestens 4 Leute (RTW- und NEF-Besatzung) vor Ort sind, nutzen wir in der Regel den Auto-Puls nur, wenn unter Reanimation transportiert wird.
    Und das aus 2 Gründen:
    1. Korrekte Thoraxkompressionen sind Mitarbeitern unter 1,80 durch die Höhe des Tragetisches schon bei stehendem RTW kaum möglich, auf der Fahrt schaffen es auch größere Mitarbeiter kaum.
    2. Sicherheit des Personals

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