Prähospitaler Einsatz der REBOA bei exsanguierender subdiaphragmatischer Blutung

Ein Gastbeitrag von F. Maier, Ulm

Reminder REBOA (Resuscitative Endovascular Balloon Occlusion of the Aorta)

Die REBOA beschreibt ein Vorgehen, bei dem ein Katheter über eine der Leistenarterien bis in die Aorta vorgeschoben wird. Am Katheter selbst befindet sich ein Ballon, der ganz oder partiell geblockt werden kann. Dabei sollen Blutungen distal des Ballons reduziert und Abschnitte des oberen Kreislaufes (vor allem Herz, Lunge und Gehirn) besser perfundiert werden. Die Positionen des Ballons, in der er zu liegen kommen kann, wird in 3 Zonen (Z1 -Z3) eingeteilt:

Z1: Abgang linke Arteria (A.) subclavia bis zum Truncus coeliacus

Z2: Truncus coeliacus bis zum Abgang der Aa. renales

Z3: distal der Aa. renales

Ungefähr ein Drittel der Todesfälle nach Trauma sind durch unkontrollierte Blutungen bedingt. Damit ist Blutverlust (Hämorrhagie) die häufigste Ursache für einen vermeidbaren Tod nach Trauma. Sowohl im zivilen als auch im militärischen Bereich kommt es bei diesen Todesfällen innerhalb von 30 Minuten nach der Verletzung zum Verbluten (Tod durch hämorrhagischen Schock). Können Patienten dennoch bis in die Klinik transportiert werden, ist die Sterblichkeit in den ersten 3 – 78 Stunden am höchsten.

Ein Ballonverschluss in der Aorta descendens (Z1) kann den Blutverlust in den distal gelegenen Abschnitten reduzieren, die koronare und zerebrale Perfusion aufrechterhalten und so einen traumatisch bedingten Herzstillstand (TCA) bis zu einer endgültigen Behandlung in einer Klinik hinauszögern. In Großbritannien wird beispielsweise nach einer schweren Verletzung die Klinik im Durchschnitt erst nach 90 Minuten erreicht; dies liegt somit lange nach dem Zeitfenster für einen potentiellen Nutzen.

Es konnte bereits gezeigt werden, dass der prähospitalee Einsatz einer REBOA in Z3 Rumpfblutungen vorübergehend kontrollieren kann. Für weiter proximal gelegene Blutungen kann der Ballon in Z1 platziert werden (Z1 REBOA), wobei dadurch ein erhöhtes Risiko einer intestinalen Ischämie (also einer Minderversrgung der Bauchorgane) besteht. Auch kann eine totale Okklusion zu Reperfusionsschäden in den distalen Ischämiebereichen nach Wiedereröffnen des Ballons führen. Um diese Gefahr zu reduzieren, kann eine geringes Volumen an Blut am geblockten Ballon vorbei geführt werden; dieses Verfahren bezeichnet man als partielle REBOA (P-REBOA).

Eine Z1 P-REBOA wurde im prähospitalen Bereich bisher Zeitpunkt noch nicht untersucht.

Zu diesem Zweck führten Lendrum et al. eine prospektive Kohortenstudie zwischen Juni 2020 und März 2023 durch:

Lendrum RA, Perkins Z, Marsden M, et al.

Prehospital Partial Resuscitative Endovascular Balloon Occlusion of the Aorta for Exsanguinating Subdiaphragmatic Hemorrhage.

JAMA Surg. Published online July 10, 2024. doi:10.1001/jamasurg.2024.2254

 

Ziel

Das Hauptziel dieser Studie war es, den potentiellen Nutzen einer Z1 P-REBOA bei lebensbedrohlichen, nicht stillbaren Blutungen zu untersuchen. Weiterhin wurde untersucht, ob eine Z1 REBOA bei Traumapatienten prähospital durchführbar ist sowie der Einsatz einer P-REBOA bei diesen Patienten bewertet.

 

Methoden

Bei der vorliegenden Studie handelt sich um eine prospektive Kohortenstudie mit einer sequentiellen Fallserie, die in einem städtischen Bereich in Großbritannien den präklinischen Einsatz einer Z1 P-REBOA untersuchte.

Einschlusskriterien:
  • Patienten ab 16 Jahren, von denen angenommen wurde, dass sie unter einer exsanguinierenden subdiaphragmatischen Blutung mit aktuellem oder drohendem Risiko eines hypovolämischen Herzstillstandes litten
  • und für eine Behandlung mit einer Z1 REBOA geeignet erschienen
Ausschlusskriterien:
  • Patienten unter 16 Jahren,
  • Schwangere
  • Patienten mit nicht mit dem Leben vereinbare Verletzungen

Es wurden alle Patienten in die Studie aufgenommen, bei denen der Versuch unternommen wurde, einen Zugang über eine der Femoralarterien zu legen.

Platzierung der REBOA

Unter Ultraschallkontrolle wurde eine der Aa. femorales punktiert. Der arterielle Blutdruck wurde distal des Ballons (A. femoralis communis, über die seitliche Zugangsschleuse) und proximal des Ballons (Aorta thoracica, über die Katheterspitze) gemessen. Die Einführtiefe des Katheters mit dem Ziel von ca. 45 cm wurde durch Messung äußerer Orientierungspunkte (Kanülierungsstelle bis zur Mitte des Brustbeins) bestimmt. Der Ballon wurde mit 0,9 %iger Kochsalzlösung geblockt, bis die distale pulsatile Druckkurve (gemessen am Seitenarm des Zugangsschlauches) nicht mehr pulsierte und sich der proximale Druck verbesserte.

Dabei ist der distal gemessene Druck direkt proportional zum Fluss und weist eine lineare Beziehung auf. Ein Anstieg des distalen mittleren arteriellen Drucks um 5 bis 10 mm Hg über den Ausgangswert nach dem Aufblasen des Ballons geht mit einem Anstieg des distalen Flusses um 250 bis 500 ml/min einher. Daher kann bei der Einführung einer P-REBOA der distale Druck als Ersatz für den Fluss genommen werden.

Eine statistische Signifikanz wurde bei p < 0.05 angenommen.

Endpunkte der Studie:

Erfolgreiche prähospitale Z1 REBOA:

  • Balloneinführung auf 35 – 55 cm
  • Balloninflation
  • Erhöhung des proximalen Blutdruckes

Erfolgreiche prähospitale P-REBOA

  • Anstieg des distalen mittleren arteriellen Drucks um mindestens 5 bis 10 mmHg über den Ausgangswert nach der Balloninflation
  • Zunahme der distalen Pulsatilität oder eine distale Pulsatilität, die nach der ersten Balloninflation nicht vorhanden war

Klinische Endpunkte:

  • Reaktion des systolischen Blutdruckes (SBP) auf die Z1 REBOA
  • Inzidenz eines traumatisch bedingten Herz-Kreislaufstillstandes (traumatic cardiac arrest – TCA)
  • Mortalitätsrate (1 Stunde, 3 Stunden, 24 Stunden oder 30 Tage nach der Verletzung)
  • Todesursache
  • Überleben bis zur Entlassung aus dem Krankenhaus

 

Ergebnisse

Von 2960 behandelten Personen wurde bei 16 Patienten (mittleres Alter 30 (17-76) Jahre, davon 13 männlich und 3 weiblich) ein arterieller Zugang versucht. Die meisten Verletzungen wurden bei diesen Patienten durch ein stumpfes Trauma mit hoher kinetischer Energie verursacht (13 von 16). Die Patienten waren mit einem Injury Severity Score (ISS) von im Mittel 50 (39-57) schwer verletzt und hypoton mit einem mittleren SBP von 58 (47-82) mmHg. 2 Patienten erhielten aufgrund einer Besserung des klinischen Zustandes keine REBOA. Bei 3 Patienten konnte aufgrund fehlender sonographischer Darstellbarkeit der Aa. femorales keine REBOA gelegt werden. Somit erhielten 11 Patienten eine REBOA, davon zeigten 5 Patienten zum Zeitpunkt der Anlage einen TCA.

Von diesen 16 Patienten

  • Verbesserte sich bei 2 Patienten der klinische Zustand und es wurde keine REBOA unternommen
  • Zeigte sich bei 14 Patienten eine anhaltende hämodynamische Beeinträchtigung,
  • trotz Gabe von Blutprodukten
    • waren 8 von diesen 14 Patienten zum Zeitpunkt der REBOA in einem TCA
    • schlug bei 3 von 8 Patienten mit einer TCA aufgrund fehlender Darstellbarkeit der A. femoralis im Ultraschall die Kanülierung fehl
  • wurde bei 11 Patienten (davon 5 in TCA) eine Z1 REBOA gelegt
    • Konnte bei 2 Patienten aufgrund technischer Probleme vor Blockung des Ballons keine arterielle Blutdruckmessung stattfinden, sodass bei 9 Patienten initial ein mittlerer SBP von 47 (33-52) mmHg gemessen und eingeschlossen wurde

Die REBOA war mit einer signifikanten Verbesserung des SBP verbunden:

  • mittlerer SBP vor Okklusion 47 (33-52) mmHg
  • post-REBOA SBP bei 88 (64-107) mmHg
  • Verbesserung des SBP im Mittel von 40 mmHg (95 % KI, 5-64; p = 0.008)

P-REBOA

  • bei 8 von 11 Patienten mit einer Z1 REBOA wurde eine P-REBOA durchgeführt
  • 7 Patienten erhielten eine P-REBOA nach einer Phase kompletter Okklusion (C- REBOA), die im Mittel 8 (3-18) Minuten dauerte (ein Patient von Beginn an mit P REBOA)
  • der distale mittlere arterielle Druck nach Beginn der P-REBOA betrug im Mittel 22 (20-25) mmHg, gegenüber einem distalen mittleren arteriellen Druck von 13 (7-15) mmHg unmittelbar nach dem Aufblasen des Ballons (Unterschied im Mittel 10 mmHg; 95% KI, 5-30; p = 0.02)
  • 4 der 8 Patienten wiesen einen spontanen Druckanstieg auf, ohne dass Volumen am Ballon abgelassen wurde
  • bei den anderen 4 Patienten wurde im Mittel 1 (0,6-1,8) ml an Volumen abgelassen
  • bei allen zeigte sich eine distale Pulsatilität mit Ansteig des distalen mittleren Blutdruckes
  • bei den 3 Patienten, bei denen keine P-REBOA durchgeführt wurde, wiesen eine anhaltende proximale Hypotonie auf, sodass durch Ballondeflation distal kein Fluss erzeugt werden konnte

Prähospitaler Verlauf:

  • 10 von 11 Patienten wurden in die Klinik transportiert (einer verstarb am Unfallort)
  • bei diesen 10 Patienten betrug der mittlere SBP bei Ankunft in der Notaufnahme 101 (77-107) mm Hg. Die Verbesserungen des SBP gegenüber den Werten vor der Z1 REBOA betrugen im Mittel 52 mmHg (95% KI, 42-77; p = 0.004)
  • nach Etablierung einer Z1 REBOA wurden bei 3 Patienten aufgrund eines TCA eine Herzdruckmassage durchgeführt; dies führte bei einem Patienten zu einem return of spontanous circulation (ROSC) und er überlebte bis zur Entlassung aus dem Krankenhaus

Prähospitale Zeiten:

  • Verletzung bis zum Eintreffen des Rettungsdienstes im Mittel 21 (16-28) Minuten
  • Verletzung bis zum Aufblasen des Ballons in Z1 im Mittel 57 (54-67) Minuten
  • Verletzung bis zum Eintreffen in der Notaufnahme im Mittel 89 (82-108) Minuten

Innerklinischer Verlauf:

  • 10 der 11 Patienten überlebten mehr als 3 Stunden nach Verletzung (1-3-Stunden Mortalitätsrate: 9%)
  • 8 der 11 Patienten überlebten mehr als 24 Studnen (24-Stunden Mortalitätsrate 27%)
  • 2 der 11 Patienten überlebten mehr als 30 Tage und bis zur Entlassung aus der Klinik (30-Tage Mortalitätsrate: 82%)
  • Überlebensrate bis zur Entlassung aus dem Krankenhaus in der Z1 P REBOA Kohorte (2 von 8 Patienten): 25%

Komplikationen:

  • der Sequential Organ Failure Assessment (SOFA) Score war bei 10 von 11 Patienten ≥ 2 als Hinweis für eine Organdysfunktion
  • eine akute Nierenschädigung zeigte sich bei 7 von 10 Patienten, davon benötigten 6 Patienten eine kontinuierliche Nierenersatztherapie
  • die beiden Überlebenden benötigten keine Nierenersatztherapie
  • eine akute intestinale Ischämie zeigte sich bei 2 von 11 Patienten
  • eine Thrombektomie an distalen arteriellen Gefäßen wurde bei 2 von 11 Patienten durchgeführt

 

Limitationen

Trotz des geringen Datensatzes an Studienteilnehmern sehen die Autoren die Studie als repräsentativ für die meisten durchgeführten Fälle dieser Art an. Bei der Blutdrucküberwachung kam es teilweise zu Einstellungsfehlern, weshalb die Zahl an vollständigen Datensätze für die Analyse nicht mit einfließen konnten. Die Studie war nicht ausgelegt die Maßnahme mit einer standardmäßigen prähospitalenen Versorgung zu vergleichen. Es erfolgte auch keine Dokumentation über die Menge der transfundierten Blutprodukte.

 

Kernpunkte der Studie

Es ist machbar, bei der prähospitalen Rettung erwachsener Traumapatienten, bei denen das Risiko eines TCA und Tod durch Verbluten (hämorrhagischen Schock) besteht, eine Z1 P-REBOA durchzuführen

11 Patienten haben prähospital eine Z1 REBOA erhalten. Davon wurden bei 8 Patienten erfolgreich eine P-REBOA durchgeführt. Dieses Vorgehen war mit einer Verbesserung des proximalen Blutdruckes und der Frühsterblichkeit verbunden.

Die Ergebnisse der Studie deuten darauf hin, dass bei der prähospitalen Rettung erwachsener Traumapatienten, bei denen das Risiko eines TCA und Tod durch Verbluten besteht, die Z1 P-REBOA durchführbar ist. Es gibt Hinweise, dass dadurch ein frühes Überleben ermöglicht wird. Jedoch zeigt sich bei diesen Patienten eine signifikante Inzidenz von späten Versterben und eine hohe Inzidenz von Organdysfunktionen.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.