Intoxikationen mit Benzodiazepinen und Nachfolgepräparaten

IntoxSie kennen vielleicht eine entsprechende Situation: Ein älterer Patient wird Ihnen durch den Rettungsdienst bewusstseinsgestört in die Notaufnahme verbracht („ruhiges Koma“). Im heimatlichen Umfeld war der Patient auf dem Boden liegend vorgefunden worden. Ein rührender Abschiedsbrief liegt vor. Tablettenblister oder sonstige Hinweise auf die vermutete Intoxikationssubstanz wurde nicht gefunden. In der Hausmedikation wird Stilnox® aufgeführt. Der Patient scheint tief zu schlafen, Schmerzreize führen eher zu ungerichteten Schmerzreaktionen, aber nicht zum Aufwachen des Patienten.

Nun ist guter Rat teuer:

  • Benötigt der Patient gleich ein CCT, um eine intracerebrale Blutung auszuschliessen?
  • Lassen Sie den Patienten weiter schlafen?
  • Wird eine Versorgung im Schockraum benötigt?

Auf Ihre Frage gegenüber dem Notarzt, ob ein Antagonisierungsversuch prähospital durchgeführt wurde, erfolgt eine verneinende Antwort. Bei kardiopulmonaler Stabilität mit ausreichendem Blutdruck, Herzfrequenz und Sättigung führen Sie nun zunächst einen Antagonisierungerversuch mit Flumazenil (Anexate®) durch. Wenige Sekunden nach der Applikation erwacht der Patient und kann Ihnen von einer Intoxikationen mit Zolpidem berichten.

Hierzu führen Zilker T et al. (Notfall Rettungsmed 2007; 10:443-459″ aus:

„Ein klassisches supportives nichtlebensrettendes Antidot ist das Flumazenil. Es vermag die Wirkung von Benzodiazepinen oder den Nachfolgepräparaten Zolpidem und Zopiclon aufzuheben. Damit kann das Koma, das bei diesen Vergiftungen vorliegt, reversibel gemacht werden. Obwohl dieses Antidot häufig zur Untermauerung der vermuteten Diagnose Verwendung findet, darf es nicht unkritisch angewandt werden. Haben die Patienten z.B. gleichzeitig Stoffe eingenommen, die Krampfanfälle auslösen können, wie bei Kombinationsvergiftungen aus Benzodiazepinen und trizyklischen Antidepressiva, kann durch die Gabe von Flumazenil ein lebensbedrohlicher Krampfanfall ausgelöst werden.“

Zolpidem und Zopiclon: Zolpidem und Zopiclon sind in ihrer chemischen Struktur weder untereinander noch den Benzodiazepinen ähnlich, binden aber an einen Subtyp des GABA-A-Rezeptors und wirken wie Benzodiazepine. Zolpidem und Zopiclon haben eine kurze Halbwertszeit und Wirkdauer, Zopiclon wirkt aber stärker Muskel relaxierend und atemdepressiv als Zolpidem und kann daher zu schwereren Vergiftungen führen. Im Intoxikationsfall liegt meist ein tiefes, schlafähnliches Koma vor, d. h. man findet bei dem Patienten bei der Untersuchung keine Besonderheiten, außer dass er schläft und u. U. nicht erweckbar ist. Zu beachten ist das Risiko für eine Rhabdomyolyse durch langes Liegen. Ebenfalls kann eine Dehydratation vorliegen und sich eine (Aspirations-)Pneumonie entwickeltn. Bei Patienten, deren Atmung und Sauerstoffsättigung ausreichend erscheinen, erfolgt die Etablierung eines periphervenösen Zugang und eine Infusionstherapie. Der Atemweg muss ggf. durch erweitere Massnahmen (bis hin zur endotrachealen Intubation) offen gehalten werden.

Flumazenil: Dosierung intravenös: 0,3-0,6 mg i.v., bei Bedarf wiederholbar bis zu einer Gesamtmenge von 1 mg. Dauereinsatz von Flumazenil ist nur indiziert, wenn eine Beatmung vermieden werden soll (z.B. älteren Patiente, chronischen Lungenerkrankungen). Cave: Halbwertzeit von Flumazenil ist häufiger kürzer als die der Noxe. Repetitive Gabe daher ggf. notwendig. Der sichere Umgang mit Flumazenil gehört in das Standardrepertoire eines jeden Notfallmediziners im prähospitalen und frühen innenklinischen Setting!


Weiterführende Literatur:

  • Zilker T et al. Toxikologische Notfälle. Notfall Rettungsmed 2007; 10:443-459
  • Weidhase L, et al. Akute Vergiftungen im Erwachsenenalter. Internist 2014; 55: 281-296

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