Vorteil einer frühen Fibrinogengabe weiterhin unklar

Ein Gastbeitrag von Sarah Hermann, Ulm                        Jedes Jahr sterben weltweit vier Millionen Menschen infolge eines Traumas, wobei eine Blutung die häufigste potenziell behandelbare Todesursache darstellt. Das Risiko, an einer solchen Blutung zu sterben, steigt erheblich, wenn zusätzlich eine traumatisch induzierte Koagulopathie  (TIC – trauma induced coagulopathy) mit Versagen der Blutgerinnung auftritt. Die zentralen pathophysiologischen Merkmale sind hierbei Hyperfibrinolyse und Hypofibrinogenämie, die zugleich die relevantesten therapeutischen Ansatzpunkte darstellen.

Fibrinogen ist ein entscheidender Faktor im Gerinnungssystem, da es die letzte Vorstufe des Fibrins darstellt und der erste Gerinnungsfaktor ist, dessen Konzentration während einer traumatischen Blutung abnimmt. Bei schwer verletzten Traumapatienten ist eine Hypofibrinogenämie mit erhöhtem Transfusionsbedarf und einer erhöhten Mortalität verbunden. Beobachtungsstudien zeigen, dass die Substitution von Fibrinogen durch Fibrinogen-Konzentrate oder Kryopräzipitate die Überlebenswahrscheinlichkeit dieser Patienten verbessert.

Kryopräzipitat beinhaltet im wesentlichen Faktor VIII, von-Willebrand-Faktor und Fibrinogen, während Fibrinogenkonzentrat eben nur Fibrinogen enthält. Die Unterschiede sind dabei geographisch: während v.a. in Europa Fibrinogen isoliert erhältlich ist, wird in den USA v.a. Kryopräzipitat eingesetzt. Kryopräzipitat entsteht, wenn gefrorenes Frischplasma aufgetaut wird und sich v.a. Fibrinogen, F VIII, und vWF auf dem Boden als sog. Präzipitat absetzen.

 

Mit der Frage nach möglichen therapeutischen Unterschieden zwischen diesen beiden Präparationen und nach dem optimalen Zeitpunkt der Fibrinogen-Substitution wurde aktuell in Critical Care eine lesenswerte Übersichtsarbeit publiziert.

Burt T, Guilliam A, Cole E, Davenport R

Effect of early administration of fibrinogen replacement therapy in traumatic haemorrhage: a systematic review and meta-analysis of randomised controlled trials with narrative synthesis of observational studies.

Crit Care 29, 49 (2025)

 

Insgesamt wurden Daten aus fünf randomisiert-kontrollierten Studien (RCT) sowie sieben Beobachtungsstudien ausgewertet, die den Nutzen von Fibrinogen-Konzentrat oder Kryopräzipitat bei Traumapatienten innerhalb der ersten vier Stunden nach Krankenhausaufnahme untersuchten. Die Studien mussten zudem die Mortalität entweder innerklinisch, nach 28 Tagen oder nach 30 Tagen berichten.

Eine der RCTs verglich die Gabe von FgC mit der alleinigen Gabe von Fresh Frozen Plasma (FFP) und musste abgebrochen werden, da eine hohe Anzahl der Patienten aus der FFP-Kontrollgruppe eine notfallmäßige Therapie mit Gerinnungsfaktor-Konzentraten benötigte.

Die übrigen vier RCTs verglichen die Standardbehandlung gemäß Leitlinie (Kontrollgruppe) mit einer zusätzlichen Gabe von Fibrinogenpräparaten zum Leitlinien-Protokoll. Keine dieser Studien konnte eine signifikante Reduktion der Mortalität durch zusätzliche Fibrinogen-Substitution nachweisen. Auch hinsichtlich der benötigten Menge an Erythrozytenkonzentraten, FFP, Thrombozytenkonzentraten, sowie dem Auftreten thrombembolischer Komplikationen ergaben sich keine signifikanten Unterschiede.

Die sieben Beobachtungsstudien wiesen erhebliche Unterschiede bzgl. der Definition von „traumatischer Blutung“, der Einschlusskriterien und der Details der Fibrinogen-Substitution (ja versus nein, Vergleich der Dosierung usw.) auf. Vier dieser Studien verzeichneten eine Reduktion der Mortalität in der Fibrinogen-Gruppe, während eine Studie von einer höheren Mortalität in dieser Gruppe berichtete.

Die benötigte Menge an Erythrozytenkonzentraten, FFP oder Thrombozytenkonzentraten waren in vier der Beobachtungsstudien vergleichbar. Eine Studie dokumentierte einen geringeren Bedarf in der Fibrinogen-Gruppe, während zwei Studien dort einen höheren Bedarf feststellten. Keine der Studien zeigte ein erhöhtes Risiko für thrombembolische Komplikationen.

Fazit der Autoren:

  • Es besteht derzeit nicht genügend Evidenz, um den Effekt von Fibrinogen-Substitutionen auf die Mortalität von Traumapatienten, insbesondere hinsichtlich der frühen Gabe von Fibrinogen, zu bestätigen.
  • Eine Analyse der aktuellen Studien zeigt, dass keine signifikante Assoziation zwischen einer frühen Fibrinogen-Substitution und einer reduzierten Mortalität, einem geringeren Transfusionsbedarf sowie einer verringerten Inzidenz von Thrombosen besteht.
  • Es kann weder für Fibrinogen-Konzentrat noch für Kryopräzipitat eine Überlegenheit gegenüber dem jeweils anderen festgestellt werden.

 

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