Oxygen is in the air: NIV zur Präoxygenierung bei einer Notfallintubation

Ein Gastbeitrag von F. Maier, Ulm                      In den USA werden jedes Jahr ca. 1,5 Millionen kritisch kranke Erwachsene endotracheal intubiert. Dabei tritt in 10 – 20% der Fälle in der Notaufnahme oder auf der Intensivstation eine Hypoxie auf, die zu Komplikationen bis hin zum Herzstillstand führen kann.

Die Präoxygenierung mit zusätzlicher Gabe von Sauerstoff vor Narkoseeinleitung erhöht den Sauerstoffgehalt in der Lunge und verringert so das Risiko einer Hypoxie während der Atemwegssicherung. Zur Durchführung der Präoxygenierung können laut internationaler Leitlinien sowohl eine Sauerstoffmaske, als auch eine nichtinvasive Beatmung (NIV) angewendet werden. Aktuell erhalten die meisten Notfallpatienten aufgrund der einfachen Handhabung eine Sauerstoffmaske. Hierbei kann der Anteil des zur Verfügung gestellten Sauerstoffs zur Einatmung (FiO2) nur unter optimalen Bedienungen 100% erreichen, der aber aufgrund einer locker sitzenden Maske mit Raumluft vermischt werden kann und so der Anteil deutlich reduziert wird. Bei der NIV wird durch eine eng anliegende Maske mit hohem Gasfluss sowie Überdruck eine Atemunterstützung mit einer FiO2 von 100% erreicht. Die Implementierung beansprucht jedoch mehr Zeit und könnte das Risiko für die Aspiration von Mageninhalt während der Phase der Intubation erhöhen, da durch den erhöhten Druck auch Suaerstoff in den Magen gelangen kann.

In der Literatur sind bisher zwei randomisierte Studien mit geringen Fallzahlen beschrieben, die keine eindeutigen Aussagen bezüglich des Risikos einer Hypoxie zwischen den beiden Methoden zur Präoxygenierung zeigen konnten.

Eine Arbeitsgruppe um Gibbs et al. publizierte nun im New England Journal of Medicine eine multizentrische, randomisierte Studie (PREOXI Studie (Pragmatic Trial Examining Oxygenation Prior to Intubation) zwischen März 2020 und Oktober 2023 an 24 Notaufnahmen und Intensivstationen durch, um den Effekt der Präoxygenierung mittels NIV oder einer Sauerstoffmaske hinsichtlich des Auftretens einer Hypoxie bei Notfallpatienten zu vergleichen. Die Autoren stellten dazu die Hypothese auf, dass die Inzidenz einer Hypoxie bei NIV geringer sein würde.

Gibbs KW, Semler MW, Driver BE and the PREOXI Investigators and the Pragmatic Critical Care Research Group.

Noninvasive Ventilation for Preoxygenation during Emergency Intubation.

N Engl J Med 390: 2165-2177 (2024)

 

Methoden

Die Patienten in beiden Gruppen wurden (nach Möglichkeit) für jeweils 3 Minuten präoyxgeniert. In der Gruppe mit Sauerstoffmaske wurde ein Frischgasfluss von 15 Liter pro Minute eingestellt. Für die NIV wurden ein FiO2 von 100%, ein Positive Endexspiratory Pressure (PEEP) von mindestens 5 cmH20, ein Inspirationsdruck von mindestens 10 cmH20 und eine Atemfrequenz von mind. 10 pro Minute im Protokoll festgelegt.

Als primärer Endpunkt wurde eine Sauerstoffsättigung (SpO2) von < 85% im Zeitraum zwischen Einleitung der Anästhesie und 2 Minuten nach Intubation als Hypoxie definiert.

Sekundärer Endpunkt war die niedrigste SpO2 im o.g. Zeitraum. Zu den Untersuchungsergebnissen gehörten auch hämodynamische Ereignisse, wie eine arterielle Hypotonie (systolischer Blutdruck < 65 mmHg), ein verstärkter Einsatz von Vasopressoren und Herzstillstand, die sich als Folgen von  Überdruckbeatmung und schwerer Hypoxie ergeben können.

Ergebnisse

Insgesamt wurden 645 Patienten (49,6 %) der Gruppe mit NIV und 656 Patienten (50,4 %) der Gruppe mit Sauerstoffmaske zugeordnet. Von diesen Patienten wurden 73,3 % auf Intensivstation und 26,8 % in der Notaufnahme intubiert. In 48,1% der Fälle war ein hypoxisches Atemversagen der Grund für die invasive Beatmung. Patienten mit höherem Body Mass Index (BMI) schienen von einer NIV hinsichtlich dem Auftreten einer Hypoxie mehr zu profitieren, eine statistische Signifikanz zeigte sich allerdings nicht.

  • Eine SpO2 von < 95% wurde bei 52 von 625 Patienten (8,3%) in der Gruppe mit NIV und bei 112 von 643 Patienten (17,4%) in der Gruppe mit Sauerstoffmaske festgestellt (absolute Risikodifferenz: -9,1 Prozentpunkte; 95% Konfidenzintervall (KI): -12,7 bis -5,5).
  • Eine SpO2 < 85% (primärer Endpunkt) zeigte sich bei 57 von 624 Patienten (9,1 %) in der Gruppe mit NIV und bei 118 von 637 Patienten (18,5%) in der Gruppe mit Sauerstoffmaske (absolute Risikodifferenz: -9,4 Prozentpunkte; 95% KI: -13,2 bis -5,6; p< 0,001).
  • Eine SpO2 < 80% wurde bei 39 von 624 Patienten (6,2 %) in der Gruppe mit NIV und bei 84 von 637 Patienten (13,2 %) in der Gruppe mit Sauerstoffmaske festgestellt (absolute Risikodifferenz: -6,9 Prozentpunkte; 95 % KI: -10,2 bis -3,7).
  • Eine SpO2 < 70% (sekundärer Endpunkt) zeigte sich bei 15 Patienten (2,4 %) in der Gruppe mit NIV und bei 36 Patienten (5,7 %) in der Gruppe mit Sauerstoffmaske festgestellt (absolute Risikodifferenz: -3,2 Prozentpunkte; 95 % KI: -5,4 bis -1,1).
  • Ein Herzstillstand trat bei 1 von 645 Patienten (0,2 %) in der Gruppe mit NIV und bei 7 von 656 Patienten (1,1 %) in der Gruppe mit Sauerstoffmaske auf (absolute Risikodifferenz: -0,9 Prozentpunkte; 95 % KI: -1,8 bis -0,1).
  • Eine Aspiration trat bei 6 von 645 Patienten (0,9 %) in der Gruppe mit NIV und bei 9 von 656 Patienten (1,4 %) in der Gruppe mit Sauerstoffmaske auf (absolute Risikodifferenz: -0,4 Prozentpunkte; 95 % KI: -1,6 bis 0,7). Die SpO2 24 Stunden nach Intubation war in beiden Gruppen ähnlich.
  • Eine Hypotonie zeigte sich bei 18 von 621 Patienten (2,9%) in der Gruppe mit NIV und bei 28 von 633 Patienten (4,4%) in der Gruppe mit Sauerstoffmaske (absolute Risikodifferenz: -1,5 Prozentpunkte; 95% KI: -3,6 bis 0,6).
  • Der Einsatz von Vasopressoren war in beiden Gruppen ähnlich (17,2% NIV Gruppe vs. 17,8% Gruppe mit Sauerstoffmaske).

Schlussfolgerung

Es konnte gezeigt werden, dass eine Präoxygenierung bei kritisch kranken Erwachsenen mittels NIV im Vergleich zu einer Sauerstoffmaske das Risiko einer Hypoxie während einer Intubation um fast die Hälfte reduziert. Eine Aspiration trat unter der Verwendung einer NIV nicht häufiger auf. Obwohl die geringe Anzahl von Ereignissen keine eindeutige Schlussfolgerung zulässt, kann die Präoxygenierung mit NIV durch die Vermeidung einer Hypoxie während der Intubation die Inzidenz von Herzstillstand und Tod reduzieren. Die Autoren sind der Meinung, dass die Implementierung einer NIV logistisch machbar sei, da für deren Einsatz dieselben Beatmungsgeräte geeignet sind, wie später für die invasive Benicht eingeschlossen wurden (20% in dieser Studie) verglichen mit anderen Studien (11 – 18%) ähnlich sind und bei jenen weniger zeitintensive Maßnahmen als die Etablierung einer NIV Grund für einen Ausschluss waren.

Für die Verwendung einer NIV im prähospitalen Einsatz müssen alle Mitarbeiter für eine erfolgreiche Durchführung ausreichend geschult sein. Auch erscheint der Einsatz einer NIV nicht in jeder Situation sinnvoll zu sein, da dafür das Beatmungsgerät stets griffbereit sein muss und dies im Einsatz aufgrund dynamischer Entwicklungen und der Entfernung des Patienten zum Rettungswagen nicht immer gewährleistet werden kann. Wenn die Atemwegssicherung im Rettungswagen erfolgt, sollte NIV gerade beim eh schon hypoxischen Patienten zur Präoxygenierung eingesetzt werden.

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