REBOA prähospital ?

Ein Gastbeitrag von Yannick Beres, Ulm:     „Resuscitative endovascular balloon occlusion of the aorta“ (REBOA) ist eine minimalinvasive Technik, um mittels endovaskuläre Okklusion der Aorta, eine nicht komprimierbare kritische Blutung im Bereich des Abdomens oder Beckens temporär zu kontrollieren. Neben der Blutungskontrolle erreicht man über die Okklusion „nach unten“ eine Verbesserung der zerebralen und koronaren Durchblutung und erhöht damit die Zeit, um Patienten einer definitiven chirurgischen Versorgung zuzuführen.

Zur Anlage der REBOA wird die Leistenarterie punktiert und eine Schleuse eingelegt. Über diese wird ein Ballonkatheter bis auf die gewünschte Höhe in der Aorta vorgeschoben und blockiert. Mögliche Komplikationen sind abhängig von der Liegedauer und liegen in systematischen Reviews bei etwa 5%. Dabei treten Komplikationen durch Minderperfusion distal des Gefäßballons, Komplikationen durch Dislokation des Drahtes und Komplikationen durch den Blockballon, insbesondere intraarterielle Thromben auf.

Der prähospitale Einsatz von REBOA erfolgt bisher nur in ausgewählten europäischen Luftrettungszentren, sowie in militärischen Spezialeinheiten weltweit.

Kollegen um Peter Hilbert-Carius aus Halle stellten sich in einem aktuell erschienen Artikel die Frage, ob wir dieses Verfahren prähospital benötigen:

Hilbert-Carius P, Schmalbach B, Wrigge H, Schmidt M, Abu‑Zidan FM, Aschenbrenner U, Streibert F

Do we need pre-hospital resuscitative endovascular balloon occlusion of the aorta (REBOA) in the civilian helicopter emergency medical services (HEMS)?

Intern Emerg Med (2022)- published ahead of print

doi:10.1007/s11739-022-03158-8

In einer retrospektiven Analyse betrachten die Autoren die Daten aller 29 Stützpunkte der DRF-Luftrettung in Deutschland im Zeitraum von Januar 2015 bis Juni 2021. Aus den Daten wurden alle Patienten über 16 Jahren mit stumpfen traumatischen Verletzungsmuster und einem NACA-Score von ≥4 in die Studie aufgenommen. Daraus ergaben sich insgesamt 22.426 Traumapatienten, die dann mittels selbstbestimmter Kriterien (siehe Übersicht) nach Indikationen für eine REBOA-Anlage überprüft wurden.

Kriterien der Studie für eine mögliche REBOA-Anlage

  • RRsyst <90mmHg, HF >100/min plus
  • angenommene nicht stillbare Blutung im Bereich Abdomen, Becken oder untere Extremität (bei fehlender Möglichkeit oder unzureichender Effektivität eines Tourniquets)

Diese Kriterien wurden einmal bei Erstkontakt mit dem HEMS-Provider (On-Scene Gruppe) angewendet und einmal bei Übergabe im Schockraum (Handover-Gruppe), um auch Patienten einzuschließen, deren Zustand sich im Verlauf verschlechterte. In einer Subgruppenanalyse wurden dann noch einmal anhand der oben genannten Vitalparameter unterschieden: Patienten mit einem systolischen Blutdruck (RRsyst) von 76-89mmHg und einer Herzfrequenz (HF) von 100-119/min wurden einem vermutlich niedrigen vorteilhaften Effekt durch prähospitale REBOA zugeordnet, Patienten mit einem RRsyst von <76mmHG und einer HF >119/min einem vermutlich klar vorteilhaften Effekt durch prähospitale REBOA zugeordnet.

In der On-Scene-Gruppe wurden insgesamt 502 (2.24%) Patienten für eine mögliche prähospitale REBOA identifiziert, dabei 192 Patienten mit einem vermutlich klar vorteilhaften Effekt.  In der Handover-Gruppe ergaben sich 215 (1.04%) PatientInnen für einen möglichen REBOA-Einsatz, 40 PatientInnen davon für einen möglichen klar vorteilhaften Effekt durch die Intervention.

Als Limitationen nannten die Autoren die Datengewinnung aus einer Datenbank, die nicht für die wissenschaftliche Auswertung gedacht war und bei der Folgedaten aus dem Klinikaufenthalt der PatientInnen fehlen. Auch die benutzten Entscheidungsbäume zur REBOA-Anlage geben nicht alle klinischen Daten wieder, die die Indikationsstellung beeinflussen könnten. Auch der Einsatz von prähospitalem Ultraschall ist eine wichtige Möglichkeit die Indikationsstellung zu festigen. Die Autoren geben weiterhin an, dass auch ohne den Einsatz von REBOA 2/3 der initial instabilen PatientInnen durch die prähospitalen Teams stabilisiert werden konnten.

Für die prähospitale Indikationsstellung empfehlen die Autoren folgende Parameter:

  • Patient mit Schock oder Hypotension aufgrund von Blutung plus
  • derangierte Vitalparameter plus
  • schlechtes Ansprechen auf initiale Volumentherapie plus
  • intraabdominale Flüssigkeit im Ultraschall oder Hinweise auf instabile Beckenverletzung

Kommentar:

Die abschließend propagierten Parameter zur Indikationsstellung sind sicherlich eine nachvollziehbare Empfehlung für die REBOA-Anlage. Durch den Einsatz von prähospitalem Ultraschall kann die Entschlussfindung nochmals beschleunigt werden. Nichtsdestotrotz sollte festgehalten werden, dass die REBOA-Anlage prähospital eine anspruchsvolle Teammaßnahme ist, die aufgrund der niedrigen Prozedurraten ein suffizientes Training voraussetzt und ab Inflation des Ballons eine zügige Zuführung in eine entsprechend informierte und vorbereitete chirurgischen Versorgung erfordert. Die bisher publizierten Überlebensraten von prähospitalen REBOA-Anlagen [1] sind vielversprechend, allerdings auch immer unter dem Gesichtspunkt des Publikationsbias zu sehen.

[1] Thrailkill MA, Gladin KH, Thorpe CR et al.  Resuscitative endovascular balloon occlusion of the aorta (REBOA): update and insights into current practices and future directions for research and implementation.

Scand J Trauma Resusc Emerg Med 29:8 (2021)

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