E-FAST zu Diagnose des Pneumothorax beim Trauma-Patienten – wirklich so gut?

Ein Beitrag von PD Dr. Jürgen Knapp, Schweiz:

Die frühzeitige Diagnose bzw. der Ausschluss eines Pneumothorax beim Trauma-Patienten ist essentiell für die Entscheidung zur weiteren Versorgungsstrategie. Weit verbreitet (insbesondere im Schockraum und teils auch im prähospitalen Bereich) ist inzwischen die E-FAST-Untersuchung. Jedem, der regelmäßig Ultraschall im Schockraum anwendet, fällt aber auf, dass die anschließende Röntgen-Thorax und/oder CT-Untersuchung teils abweichende Ergebnisse liefert und eben doch ein drainagewürdiger Pneumothorax diagnostiziert wird, obwohl man diesen wenige Minuten zuvor ausgeschlossen hatte.

Eine aktuelle Studie aus den USA hat nun Sensitivität und Spezifität des Lungenultraschalls zur Diagnose des Pneumothorax untersucht…mit etwas enttäuschenden Ergebnissen.

Santorelli JE et al. Not so FAST—Chest ultrasound underdiagnoses traumatic pneumothorax. J Trauma Acute Care Surg 2021. DOI: 10.1097/TA.0000000000003429

 Kurz zusammengefasst:

  • retrospektive Beobachtungsstudie an einem Level 1-Trauma-Zentrum in den USA
  • Untersuchungszeitraum 2018 – 2020
  • insgesamt kamen in diesem Untersuchungszeitraum 568 Patienten mit einem traumatischen Pneumothorax zur Aufnahme
  • von diesen erhielten 362 Patienten eine Lungen-Ultraschall-Untersuchung, einen Röntgen-Thorax und eine bestätigende CT-Untersuchung und konnten somit in die Evaluation eingeschlossen werden
  • der E-FAST-Untersuchung wurde von „American Registry of Diagnostic Medical Sonography–registered sonographers“ mit einer Berufserfahrung zwischen 1 und 20 Jahren durchgeführt (in den USA ist es üblich, dass Ultraschalluntersuchungen nicht von Pflegekräften oder Ärzten durchgeführt werden, sondern von speziellen „Ultraschallern“, die ausschließlich dafür zuständig sind). Die Bilder wurden vom Trauma-Team im Schockraum sowie „real-time“ vom zuständigen Radiologen beurteilt.
  • die E-FAST-Untersuchung erfolgte nach dem üblichen Schema. Am Thorax wurden je zwei anteriore Areale und zwei laterale Areale in zwei verschiedenen Interkostalräumen auf beiden Seiten angelotet.
  • Ergebnisse:
    • bei 191 der 362 Patienten konnte der Pneumothorax (auch retrospektiv) nur in der CT-Untersuchung diagnostiziert werden und hatte klinisch keine Konsequenz
    • von den verbliebenen 171 Patienten mit klinisch relevantem Pneumothorax war der Befund des Röntgen-Thorax in 135 Fällen positiv.
    • von diesen 135 Patienten war der Ultraschall-Befund nur bei 73 Patienten positiv, bei 62 Patienten falsch negativ!
    • von diesen 62 Patienten mit falsch negativem Ultraschall-Befund benötigten 31 die Anlage einer Thorax-Drainage, 26 davon die umgehende Drainagen-Anlage
    • damit ergibt sich für die E-FAST-Untersuchung eine Falsch-negativ-Rate für die Diagnose eines klinisch relevanten Pneumothorax von 36% (62 von 171)! Beim Röntgen-Thorax lag die Falsch-negativ-Rate dagegen nur bei 22% (36 von 171)
    • die Sensitivität beträgt 65% (im Vergleich zum Röntgen-Thorax von 78%, p<0,01)
    • die Hälfte der Patienten, bei denen man den Pneumothorax nicht erkannte, benötige die Anlage einer Thorax-Drainage!

Fazit für die Praxis:

  • Auch wenn die E-FAST-Untersuchung ein unverzichtbarer Bestandteil der Schockraum-Diagnostik ist, sollte deren Sensitivität im Hinblick auf die Diagnose eines Pneumothorax im Vergleich zum Röntgen-Thorax berücksichtigt werden, und der konventionelle Röntgen-Thorax aus dem Schockraum-Diagnostik nicht verdrängt werden.
  • Die E-FAST-Untersuchung ist sicher gut dafür geeignet, bei positivem Befund rasch die Entscheidung für die notfallmäßige Anlage einer Thorax-Drainage treffen zu können. Dagegen sollte bei negativem Befund der Pneumothorax nicht aus der Liste der möglichen Diagnosen gestrichen werden.

4 thoughts on “E-FAST zu Diagnose des Pneumothorax beim Trauma-Patienten – wirklich so gut?

  1. Danke – kann ich gut nachvollziehen – der sichere Ausschluss/Nachweis eines Pneumothorax ist doch auch für erfahrene Ultraschalluntersucher nicht immer so ganz einfach! Erst recht nicht in einer Notfallsituation – ich tu mich schon schwer genug den Pneu nach Schrittmacherimplantation mittels Sono auszuschließen! Klappt am Ende doch meistens recht zuverlässig, aber nur mit Zeit und Ruhe und nur bei deutlichem, größerem Pneu….

  2. Hier wird eine bedauerliche Studie vorgestellt, die eine bedauerlich hohe Aufmerksamkeit erfährt! Man sollte sich genauer anschauen, was in dieser Studie NICHT beschrieben wird! Das Studiendesign beschreibt, dass hier AUSSCHLIEßLICH anhand des fehlenden Nachweises von Lungengleiten die Diagnose eines PTX gestellt werden sollte. Weder der Lungenpuls, noch der Lungenpunkt wurden untersucht. Wenn diese essentiellen Inhalte einer korrekt durchgeführten Lungensonographie jedoch fehlen, stellt sich die Frage, wie hoch die Expertise der Untersucher in der Lungensonographie tatsächlich war. Auch wird nicht definiert, in welcher Höhe die lateralen Thoraxanlotungen erfolgt sind (vordere, hintere AXL?). In unseren Breiten wird empfohlen, Lungengleiten nach den ventralen Anlotungen möglichst weit dorsolateral zu untersuchen und auf Unterschiede zu achten. Letztlich beschreibt die Studie m.E., dass eine inkomplett und fehlerhaft durchgeführte Lungensonographie keine hohe Diagnosesicherheit bringt. Da staunt der Laie und der Fachmann wundert sich…

    1. Lieber Armin, ganz herzlichen Dank für die Interpretation der Studie. Wichtig ist, dass dieses Thema noch nicht abschliessend bearbeitet ist, und dass besonders die Expertise des Anwenders beachtet werden muss.
      Herzliche Grüsse Michael

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