Ertrinken als Ursache des prähospitalen Kreislaufstillstandes
Ertrinken ist eine seltene, aber klinisch relevante Ursache des prähospitalen Kreislaufstillstands (OHCA). Ein Team um Stephan Seewald (Kiel) und Christoph Hüser (Köln) hat nun anhand von Daten des Deutschen Reanimationsregisters die Charakteristika und Behandlungsergebnisse dieser Patientengruppe untersucht.
Hüser C, Eimer C, Wnent J, Cukoski S, Hackl MJ, Suárez V, et al. Characteristics and outcomes of out-of-hospital cardiac arrest due to drowning – a nationwide registry-based study. Scand J Trauma Resusc Emerg Med 2025;33:151.
https://doi.org/10.1186/s13049-025-01469-1.
Methodik:
Analysiert wurden alle außerklinischen Reanimationen im Deutschen Reanimationsregister von 2013 bis 2023. Verglichen wurden Patient:innen mit Kreislaufstillstand infolge Ertrinkens (D-OHCA) mit solchen anderer Ursachen (ND-OHCA). Erfasst wurden Alter, präklinische Faktoren (bystander CPR, Erst-Rhythmus, Körpertemperatur) sowie Überleben und neurologischer Status (CPC/mRS) bei Krankenhausentlassung.
Ergebnisse:
- Von 68 719 Patient:innen waren 316 (0,5 %) durch Ertrinken bedingt. Die Hälfte dieser Fälle trat in den Sommermonaten auf.
- D-OHCA-Patient:innen waren deutlich jünger (Median 50 vs. 72,5 Jahre, p < 0,001) und hatten seltener Vorerkrankungen (PES 1: 37 % vs. 8 %).
- Asystolie war häufiger der Initialrhythmus (73 % vs. 55 %), Kammerflimmern seltener (8 % vs. 22 %).
- Die initiale Körpertemperatur war niedriger (31,1 °C vs. 35,8 °C, p < 0,001).
- Obwohl die Überlebensraten insgesamt vergleichbar waren (14,9 % vs. 11,8 %, gutes neurologisches Behandlungsergebnis: 10,1 % vs. 8,3 %)), zeigte sich ein deutlicher Altersunterschied:
- Kinder ≤ 10 Jahre: Überleben 44,7 % vs. 16,3 % (p < 0,001); gutes neurologisches Behandlungsergebnis: 34,0 % vs. 7,6 % (p < 0,001).
- Erwachsene: kein Überlebensvorteil.
- D-OHCA-Kinder erhielten häufiger Laienreanimation (91 % vs. 48 %) und hatten häufiger Bradykardie als Initialrhythmus, was für eine kürzere Submersionszeit und schnellere Rettung sprechen könnte.
- Eine niedrigere Körpertemperatur war mit einem schlechteren Behandlungsergebnis: assoziiert; nur 1 von 40 (2,5%) der Patient:innen Körpertemperatur < 28 °C überlebte mit gutem neurologischem Ergebnis
- In der Subgruppe mit > 20 min CPR und initialer Asystolie überlebten 2,6 % der D-OHCA vs. 0,6 % der ND-OHCA mit gutem neurologischem Behandlungsergebnis (p = 0,026).
Schlussfolgerung:
- Ertrinken ist in Deutschland eine seltene Ursache des prähospitalen Kreislaufstillstands und tritt häufig im Sommer auf
- Die Coronapandemie schien keinen maßgeblichen Einfluss auf die Häufigkeit gehabt zu haben
- Kinder bis 10 Jahre haben eine deutlich bessere Prognose als Erwachsene – bei häufigerer initialer Bradykardie und Laienreanimation. Dies könnte darauf hinweisen, dass eine schnelle Rettung erfolgte und maßgeblich zur besseren Prognose beiträgt.
- Eine niedrige Körpertemperatur war entgegen der gängigen Annahme meist ein negativer Prognosefaktor.
- Die Ergebnisse legen dennoch nahe, dass verlängerte Reanimationsmaßnahmen bei D-OHCA gelegentlich gerechtfertigt sein können, auch wenn die Subgruppe der Patienten mit Asystolie > 20 Minuten trotz statistischer Signifikanz zu klein war, um klinische Folgerungen abzuleiten
- Welche Patientengruppen genau von einer verlängerten Reanimation profitieren, konnte diese Studie noch nicht klären
- Neben den üblichen Limitationen einer Register-Studie, gab es weitere Limitationen, so konnte die Submersionszeit (Zeit unter Wasser) nicht erfasst werden, schien jedoch einen wesentlichen Einfluss auf das Behandlungsergebnis gehabt zu haben