Telenotarzt für ein pädiatrisches B-Problem?

Ein Gastbeitrag von Max Feth, Ulm                 Nicht zuletzt aufgrund ihrer Seltenheit und der damit einhergehenden geringen Routine unter den meisten prähospital tätigen Behandler:innen sind pädiatrische Notfalleinsätze mit Unsicherheit oder teilweise sogar Angst behaftet.

Während respiratorische Pathologien allgemein für etwa 20% der pädiatrischen Notfalleinsätze verantwortlich sind, nimmt der Krupp-Anfall mit 46% eine führende Stellung unter den pädiatrischen B-Problemen in der Präklinik ein. Der Krupp-Anfall als Krankheitsbild mit oberer Atemwegsobstruktion tritt bei etwa 3% aller Kinder auf und hat seinen Häufigkeitsgipfel bei Kindern zwischen 6 Monaten und 3 Jahren. Obwohl die Mortalität des akuten Krupp-Anfalls mit lediglich 0.5% der Fälle niedrig ist, ist eine zielgerichtete Initialtherapie wichtig, um eventuelle schwerwiegende Verläufe zu vermeiden und die Hospitalisierungsrate zu senken.

In einer Beobachtungsstudie mit Follow-Up-Fragebogen stellten sich Florian Hey vom Dr. v. Haunerschen Kinderspital in München und Kollegen nun die Frage nach prähospital angewendeten Therapiepfaden bei akuten Kruppanfall, dem klinischen Verlauf nach prähospitaler Erstversorgung und dem Potenzial zukünftiger telemedizinischer Beratungen im Rahmen der rettungsdienstlichen Versorgung eines Kindes mit Krupp-Anfall:

Hey F, Lieftüchter V, Olivieri M, Zimatschek S, Hoffmann F and Pfeiffer D

Treatment pathways and rebound-rate of prehospital viral croup attacks—data from a prehospital pediatric physician led emergency service—a prospective observational follow-up study.

Front. Pediatr. 13:1544480 (2025)

 

Methodik

  • Prospektive Beobachtungsstudie unter Kindern zwischen 0 und 18 Jahren, die zwischen 10/2020 und 07/2023 durch Kindernotärzt:innen in München versorgt wurden
  • Datenerhebung in 2 Schritten
    • I: Erhebung der Patienten- und Einsatzspezifika, der eingesetzten Therapie sowie des Initialverlaufs durch Befragung der Kindernotärzt:innen im Anschluss an einen entsprechenden Einsatz
    • II: Erhebung des weiteren klinischen Verlaufs durch Befragung der Eltern
  • Die Schweregrad des Krupp-Anfalls wurde mittels des Westley Scores erfasst. Der Westley-Score beurteilt das Vorliegen eines inspiratorischen Stridors, von Einziehungen oder einer Zyanose, das Atemzugvolumen sowie den Bewusstseinsgrad. Ein Westley Score zwischen 3 und 5 definiert einen moderaten, ein Score zwischen 6 und 11 einen schweren Kruppanfall und ein Score ≥ 12 ein drohendes respiratorisches Versagen.
  • Das Patientenalter wurde nach dem Munich Age Classification System in Gruppen erfasst.
  • Unvollständige Datensätze (abgesehen des Westley Scores) Erhebungsbogen wurden aus der Studie ausgeschlossen.

Ergebnisse

  • Von 249 Fällen wurden 226 (91%) in die Studie eingeschlossen. In 154 (68%) lag ein korrelierender Erhebungsbogen II vor.
  • Das mittlere Alter der Patient:innen lag bei 3.4 Jahren. In 8% der Fälle lag eine chronische Erkrankung, zumeist respiratorischer Natur (52.6%), vor.
  • Der mittlere Westley Score lag bei 4.1.
  • Alter und Westley Score waren negativ korreliert: Je älter das Kind, desto geringer war der Westley Score.
  • Die prähospitale Therapie verteilte sich auf:
    • 98% rektale Applikation eines Kortikosteroids
    • 89% inhalative Applikation von Adrenalin
    • 79% kühle und kalter Luft
    • 9% Gabe sonstiger Medikamente (z.B. Beta-Sympathomimetika inhalativ)
    • Das Vorliegen einer Zyanose (OR1.37) oder höhergradiger Einziehungen (OR 2.92 erhöhte das Risiko für eine verlängerte Adrenalininhaltion (OR2.92).
    • Intravenöse Zugänge oder eine Sicherung der Atemwege inklusive Notfallnarkose war in keinem Fall notwendig.
  • % der Kinder benötigten eine verlängerte Sauerstofftherapie im Anschluss an die Verneblung. Die Notwendigkeit einer verlängerten Adrenalin-Inhalation (OR 31.98), das Vorliegen einer Zyanose (OR 3.08) sowie höhergradiger Einziehungen (OR 2.67) steigerten das Risiko für eine verlängerte O2-Therapie.
  • Patient:innen, die mittels kalter Luft behandelt wurden, wurden seltener in eine Klinik transportiert und benötigten seltener supplementären Sauerstoff.
  • 40% der Kinder wurden in ein Krankenhaus, davon 36% unter Notarztbegleitung, transportiert
  • 70% der transportierten Kinder wurden nach einer Beobachtungsperiode aus der ZNA entlassen.
  • Von den 30% (n=20) stationär aufgenommenen Kinder benötigten 2 intensivmedizinischen Support.
  • Während eine prolongierte inhalative Adrenalin-Therapie das Risiko einer stationären Aufnahme signifikant um das sechsfache erhöht, gibt es Hinweise darauf, dass auch eine prähospitale Adrenlininhalation (OR 4.13, p = 0.062) sowie das Vorliegen von Begleiterkrankungen (OR 5.856, p = 0.074) das Aufnahmerisiko steigern. Für Patient:innen mit einem erhöhten Westley-Score lag lediglich ein Trend zu einem erhöhten Aufnahmerisiko vor (OR 1.2, p = 0.077).
  • In lediglich 7% der Fälle mit vorliegender Erhebung II kam es binnen 12 Stunden zu einem erneuten Krupp-Anfall

Folgerungen

Der Krupp-Anfall als häufiger Auslöser einer pädiatrischen Atemnot mit Einsatz des Kindernotarztes zeichnet sich in dieser Studie durch eine niedrige stationäre Aufnahmerate sowie eine niedrige Rate von erneuten Krupp-Anfällen innerhalb von 12 Stunden aus. In dieser Gruppe führte eine Therapie mittels kalter, feuchter Luft, rektaler Gabe eines Glucokorticoids sowie einer Adrenalin-Verneblung zu guten Therapierfolgen.

Auch unter den Expert:innen des Kindernotarztdienstes München gab es einen heterogenen Therapieansatz; eine entsprechende SOP lag nicht vor. Auf Grundlage der Studienergebnisse entwickelten die Autor:innen einen Algorithmus zur Therapie- und Transportentscheidung bei Kindern mit Krupp-Anfall (s. Abbildung), der mittels des Westley-Scores maßgeblich auf eine klinische Einschätzung des Patienten basiert. Folglich ist eine saubere klinische Untersuchung des Kindes sowie ein Maßnahmenpaket aus ruhigem Auftreten, kalter/ feuchter Luft, Adrenalininhalation und Glucokortikoidgabe wesentlich für eine zügige Besserung der Symptomatik, die dann nur bei Persistenz wesentlicher A-D-Probleme (z.B. Vigilanzminderung, reduziertes Atemzugvolumen, Hypoxämie) eine Klinikaufnahme und weitere Sauerstofftherapie (bei SpO2 < 94%) erfordert. Die Anwendung eines solchen Algorithmus, der auf einer klinischen Einschätzung und einer medikamentösen sowie nichtmedikamentösen Basistherapie beruht, ist sicherlich sowohl für das Rettungsdienstfachpersonal als auch für Notärzt:innen empfehlenswert. Eine prospektive Validierung des Algorithmus wird als Ergänzung hoffentlich erfolgen.

Neben einer klinischen Einschätzung des Patienten, die sicherlich – zumindest anteilig – auch telemedizinisch unterstützt erfolgen kann, besteht ein elementarer Vorteil eines Notarztes/ einer Notärztin an der Einsatzstelle in der vermeintlichen Routine in invasiven Maßnahmen. Für Kindernotärzt:innen des Rettungsdienstes München, die sich aus pädiatrisch-intensivmedizinisch erfahrenen Kinderärzt:innen, Anästhesist:innen und Kinderchirurg:innen rekrutieren, kann eine Routine in invasiven Maßnahmen bei Kindern vermutlich angenommen werden. Ob das für die Breite des Notarztdienstes gilt und ein entsprechender Vorteil einer notärztlichen Präsenz in praktischen Maßnahmen bei Kindern an der Einsatzstelle besteht, kann an dieser Stelle angesichts heterogenen Aus- und Fortbildung von Notärzt:innen in Deutschland nicht sicher beurteilt werden. Es muss darüber hinaus bedacht werden, dass die hier tätigen Kindernotärzt:innen durch ihren arbeitstäglichen Kontakt mit zum Teil auch kritisch kranken Kindern, sicherlich einen Vorteil in der klinischen Beurteilung gegenüber nicht-pädiatrisch erfahrenen Notärzt:innen haben. Nichtsdestotrotz waren invasive Maßnahmen in dieser Studie in keinem Falle notwendig. Eine spätere Notwendigkeit zur intensivmedizinischen Versorgung war ebenso selten. Eine sichere Vernebelung von Adrenalin, Gabe eines rektalen Kortikoids oder das Anbieten kalter, feucht Luft unter entsprechendem Wärmeerhalt des Kindes kann ohne Frage durch Notfallsanitäter:innen durchgeführt werden. Die Autor:innen folgen entsprechend, dass ein Krupp-Anfall bei Kindern möglicherweise eine sinnvolle Indikation vor eine telenotärztliche Unterstützung sein kann.

Take Aways

  • Der Krupp-Anfall ist zwar eine häufige Ursache eines pädiatrischen B-Problems, lässt sich jedoch mit o.g. Maßnahmenbündel meist gut behandeln.

  • Der Westley-Score ist hilfreich zur Orientierung der körperlichen Untersuchung sowie der Risikoabschätzung.

  • Die Notwendigkeit zur Klinikaufnahme kann sich an einer Veränderung der körperlichen Untersuchungsbefunde nach initialer Therapie orientieren. Bei Besserung der Symptomatik nach Therapie legt diese Studie nahe, eine ambulante Versorgung zu erwägen.

  • Möglicherweise kann in Zukunft eine telenotärztliche Unterstützung von pädiatrischen Einsätzen mit Kruppanfällen zu einer sinnvollen Ressourcenverteilung und Reduktion der Notarzteinsätze beitragen.

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