Stellungnahme zum Einsatz von Lidocain zur Reduktion des Injektionsschmerzes beim Legen eines intraossären Zugangs in der Kindernotfallmedizin

Ein Gastbeitrag von S. Maier, Ulm                  In den meisten prähospitalen Kindernotfällen ist eine intravaskuläre Medikamentengabe nicht notwendig. Bei kritisch kranken Kindern ist diese jedoch erforderlich. Die Anlage eines peripher-venösen Zugangs ist in einer solchen Situation jedoch häufig eine Herausforderung. Die Reanimationsleitlinien empfehlen daher zur Vermeidung zeitkritischer Therapieverzögerungen nach zwei frustranen Versuchen die zeitnahe Anlage eines intraossären Zugangs.

In der Regel werden halb-automatische Systeme verwendet. Dabei ist die eigentliche Punktion des Knochens weniger schmerzhaft, es kann jedoch bei der ersten Injektion durch den intramedullären Druck zu einem starken Schmerzreiz kommen. Deshalb wurde bislang in verschiedenen Referenzen in Abhängigkeit der Dringlichkeit einer Medikamentengabe beim nicht-bewusstlosen Patienten die initiale intraossäre Applikation eines Lokalanästhetikums (z.B. Lidocain 1%) empfohlen, um den enostalen Schmerz durch den intramedullären Druck zu reduzieren und dieses wurde auch in den vielen Rettungsdienstschulen, sowie Notarztkursen gelehrt.

Ende 2022 veröffentlichte die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ) eine Stellungnahme nach der Aufarbeitung eines schwerwiegenden Kindernotfalls, in dem ein Säugling durch eine intraossäre Lidocain-Überdosierung reanimationspflichtig wurde. In dieser wird empfohlen, dass Lidocain in dieser Indikationsstellung nicht angewendet werden soll. Es wird alternativ die Gabe eines Fentanyl-Nasensprays empfohlen.

Nun wurde eine gemeinsame Stellungnahme zum Einsatz von Lidocain zur Reduktion des Injektionsschmerzes beim Legen eines intraossären Zugangs in der Kindernotfallmedizin veröffentlicht; beteiligte Fachgesellschaften sind die Deutsche Interdisziplinäre Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin e.V. (DIVI), die Gesellschaft für Neonatologie und Pädiatrische Intensivmedizin e.V. (GNPI), sowie die wissenschaftlichen Arbeitskreise Kinderanästhesie (WAKKA) und Notfallmedizin (WAKN) der Deutschen Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin (DGAI) und das German Resuscitation Council e.V. (GRC).

Landsleitner B, Hoffmann F, Heimberg E, Olivieri M, Markel F, Brenner S et al:

Stellung­nahme zum Einsatz von Lidocain zur Reduktion des Injektionsschmerzes beim Legen eines intraossären Zugangs in der Kindernotfallmedizin.

Anästh Intensivmed 2024; 65: 558–560

Lidocain 1% ist in der Lokal- und Regionalanästhesie zugelassen und kann grundsätzlich auch bei Kindern eingesetzt werden. Bei der intraossären Applikation kommt es jedoch zu einem schnellen Plasmaanstieg. Deshalb ist es bei dieser Applikation nicht als Lokalanästhesie zu werten.

Zudem ist die Indikationsstellung des intraossären Zugangs einem lebensbedrohlichen Zustand vorbehalten. Sowohl die analgetische Wirkung des Lidocains, als auch das von der AkdÄ empfohlen intranasal verabreichten Fentanyl benötigen einige Minuten bis zum Wirkeintritt. In einer perakuten Situation mit der Notwendigkeit einer dringlichen Medikamentenapplikation muss im Rahmen der Nutzen-Risiko-Abwägung der mögliche Injektionsschmerzen gegenüber einer lebensrettenden Therapie abgewogen werden.

Empfehlungen der Arbeitskreise:

  • Lidocain soll in der Kindernotfallmedizin zur Verhinderung eines Punktions- oder Injektionsschmerzes bei der Anlage eines intraossären Zugangs nicht mehr angewandt werden.

  • In lebensbedrohlichen Situationen bei oft bewusstseinsgetrübten Kindern wird auf eine primäre Analgesie verzichtet.

  • Für alle anderen Situationen wird ein zweizeitiges Vorgehen mit primärer Analgesie über einen alternativen Applikationsweg (z.B. intranasal) empfohlen.

  • Liegt weder eine lebensbedrohliche Situation vor, noch die Möglichkeit einer zweizeitigen Therapiestrategie, soll die Indikationsstellung kritisch hinterfragt werden.

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