Ein Gastbeitrag von Marius Münch, Ulm Schmerzen sind ein häufiges Symptom in der Notfallmedizin. Über die Hälfte aller Patient:innen klagen über mittlere bis schwere Schmerzzustände. Gerade im Rettungsdienst existieren besondere Herausforderungen wie widrige Wetterbedingungen, niedrige Temperaturen oder ein erschwerter Zugang zu den Patient:innen, die eine adäquate Schmerztherapie erheblich erschweren können.
Die PreMeFen-Studie von Simensen et al. untersuchte Methoxyfluran, Fentanyl und Morphin in der prähospitalen Schmerztherapie hinsichtlich ihrer Wirksamkeit und verschiedener Applikationswege.
Simensen R, Fjose LO, Thorsen K, Olsen IC, Rehn M, Hagemo J, Smalberget L, Heyerdahl F
Comparison of inhalational methoxyflurane, intranasal fentanyl, and intravenous morphine for treatment of prehospital acute pain in Norway (PreMeFen): a randomised, non-inferiority, three-arm, phase 3 trial
Finanziert wurde die Studie von der Norwegian Air Ambulance Foundation und dem Innlandet Hospital Trust.
Methodik:
Im Zeitraum vom 12. November 2021 – 22. April 2023 erfolgte der Vergleich der verschiedenen Analgesie-Regime und deren unterschiedliche Applikationswege an präklinischen Notfallpatient:innen. Die Studie wurde in der norwegischen Provinz Innlandet durchgeführt und umfasste sowohl ländliche als auch urbane Rettungsdienstbereiche. Das Studiendesign war eine randomisierte, dreiarmige, Nicht-Unterlegenheitsstudie und sie umfasste 338 erwachsene Patient:innen. Einschlusskriterien waren ein Alter ≥ 18 Jahre, ein NRS ≥ 4, die Fähigkeit zur mündlichen Einwilligung und es durfte kein Verdacht auf einen akut lebensbedrohlichen Notfall bestehen. Die Rekrutierung erfolgte durch die Rettungsdienst-Teams vor Ort. Methoxyfluran wurde inhalativ, Fentanyl nasal und Morphin intravenös (i.v.) verabreicht. Gemessen wurden die numerischen Rating-Skalen (NRS-Score) und die Vitalparameter nach 5, 10, 20 und 30 Minuten.
Der primäre Endpunkt war die NRS-Reduktion nach 10 Minuten.
Zu den sekundären Endpunkten gehörten:
- die mittlere Veränderung des NRS-Scores nach 5, 20 und 30 Minuten,
- Veränderungen der Vitalparameter
- die Zeit von der Ankunft bis zur Behandlung
- die Zeit von der Ankunft bis zur 2-Punkte-Reduktion des NRS
- der Bedarf an Rescue-Medikation sowie die Zeit von der Verabreichung der Studienmedikamente bis zur Rescue-Medikation
- die Zufriedenheit von Patienten und Personal
- unerwünschte Ereignisse
- die Veränderung des Glasgow Coma Scale (GCS)
Die Schmerzdiagnosen wurden in vier Gruppen eingeteilt:
- Brustschmerzen kardialen Ursprungs
- traumatische Schmerzen
- nicht-traumatische muskuloskelettale Schmerzen
- andere Schmerzen nicht-traumatischen Ursprunges
Die Gabe einer zusätzlichen Analgesie als Rescue-Medikation war zu jedem Zeitpunkt möglich.
Dosierungen Altersgruppe 18-69:
- Methoxyfluran inhalativ initial 3 ml (maximal 6 ml)
- Fentanyl intranasal initial 100 μg (maximal 500 μg)
- Morphin i.v. initial 0,1 mg/kg KG (maximal 0,5 mg/kg KG)
Dosierungen Altersgruppe ≥ 70:
- Methoxyfluran inhalativ initial 3 ml (maximal 6 ml)
- Fentanyl intranasal initial 50 μg (maximal 250 μg)
- Morphin i.v. initial 0,05 mg/kg KG (maximal 0,25 mg/kg KG)
Ergebnisse nach 10 Minuten (primärer Endpunkt):
- Schmerzreduktion nach 10 Minuten Methoxyfluran -3.31 NRS-Punkte, Morphin -2,74 NRS-Punkte und Fentanyl -1,98 NRS-Punkte
- im Vergleich zu den Opioiden zeigte sich Methoxyfluran als nicht unterlegen
- Fentanyl war aufgrund eines langsameren Wirkeintritts dem Morphin unterlegen
Ergebnisse nach 5, 20 und 30 Minuten:
- nach 5 Minuten zeigte Methoxyfluran die stärkste und schnellste initiale Analgesie
- nach 20 und 30 Minuten zeigte sich kein Medikament als überlegen
- die anfänglichen Wirkunterschiede waren nahezu nivelliert
Rescue-Medikation und Nebenwirkungen:
- Bedarf an Rescue-Medikation bei Morphin 16%, bei Fentanyl 29% und bei Methoxyfluran 40%
- in der Methoxyflurangruppe war der Bedarf an Rescue-Medikation signifikant höher und die Zeit bis zur nötigen Verabreichung war am kürzesten
- Nebenwirkungsraten waren bei allen 3 Medikamenten vergleichbar
- die häufigsten Nebenwirkungen waren Übelkeit, Erbrechen, Schwindel und Atemdepression
- in der Methoxyflurangruppe traten bei demselben Patienten zwei schwere Nebenwirkungen nach Gabe zusätzlicher Analgesie auf: Atemdepression und Bewusstseinsverlust
- Frauen hatten ein signifikant größeres Risiko für das Auftreten von Nebenwirkungen
- es gab keine therapiebezogenen Todesfälle
Schlussfolgerung / Auswertung:
In der Studie zeigte Methoxyfluran nach Applikation die initial schnellste und stärkste analgetische Wirkung und war den Opioiden hinsichtlich der Effektivität nicht unterlegen. Allerdings benötigen Patient:innen, die initial mit Methoxyfluran behandelt wurden, im Verlauf deutlich mehr zusätzliche Analgesie. Es konnte gezeigt werden, dass Methoxyfluran in der initialen Schmerztherapie in der Präklinik eine gute Alternative darstellt, um die Zeit bis zum Wirkeintritt weiterer Medikamente zu überbrücken oder wenn die Anlage eines i.v.-Zugangs erschwert ist.
In den ersten 10 Minuten zeigte sich Fentanyl, durch einen langsameren Wirkeintritt, Morphin unterlegen. Nach 20-30 Minuten glichen sich die Wirkprofile aller drei Substanzen jedoch weitgehend an.
Hinsichtlich der Nebenwirkungen zeigten sich keine signifikanten Unterschiede zwischen den verschiedenen Medikamenten. Schwerwiegende Nebenwirkungen waren selten und traten ausschließlich in Zusammenhang mit der Rescue-Medikation auf.
Die Autor:innen kommen zu dem Schluss, dass Methoxyfluran eine schnelle, sichere und leicht anwendbare Option in der präklinischen Schmerztherapie ist, die vor allem in der Frühphase eines Einsatzes hilfreich sein kann. Die intranasale Gabe von Fentanyl bleibt eine Alternative für Situationen ohne i.v.-Zugang, wobei hier der verzögerte Wirkeintritt berücksichtigt werden muss.