S2 K Leitlinien für das pädiatrische Polytrauma – Teil III

Eine Zusammenfassung der neuen S2 K Leitlinien für das pädiatrische Polytrauma ist in Anästhesiologie und Intensivmedizin „Open Access“ von Bernd Landsleitner und Kollegen publiziert worden:

Landsleitner B, Jung P, Lehner M: Das kindliche Polytrauma – neue Leitlinie. Anästh Intensivmed 2022;63:307–319. DOI: 10.19224/ai2022.307 (PDF)

Die S2k-Leitlinie „Polytraumaversorgung im Kindesalter“ fokussiert auf die spezifischen Besonderheiten und stellt eine Ergänzung der S3-Leitlinie „Polytrauma / Schwerverletzten-Behandlung“ dar. Zur Beurteilung kritisch verletzter Kinder eignen sich v. a. solche Parameter, die weitgehend unabhängig von altersentsprechenden Normalwerten, Kompensationsmechanismen und Stres­soren sind: Atemarbeit, Rekapillarisierungszeit, Vigilanz, Gesamteindruck.

Bei der prähospitalen Versorgung polytraumatisierter Kinder steht die Stabilisierung der Vitalparameter im Vordergrund: Normotonie, Normoxie, Normokapnie, Normothermie und Analgesie. Da diese Ziele häufig auch mit einfachen Interventionen erreichbar sind, ist die Indikation zur invasiven prähospitalen Therapie (z. B. Notfallnarkose und in­vasive Beatmung) streng zu stellen. Die Schockraumversorgung folgt der gleichen Systematik wie bei Erwachsenen, allerdings steht bei der Diagnostik zunächst Ultraschall in Kombination mit klinischem Bild und Laborparametern im Vordergrund. Die Indikationsstellung zur Trauma-Spirale darf kein Automatismus sein, sondern erst nach Nutzen- / Risiko-Beurteilung erfolgen.

Extremitätenverletzungen:

  • Die Versorgung nicht-lebensbedrohlicher Extremitätenverletzungen soll weitere Schäden vermeiden, darf die Gesamtrettungszeit beim Polytrauma aber nicht verlängern.
  • Aufgrund der bei Kindern bestehenden diagnostischen Unsicherheit soll jede auch nur vermutlich verletzte Extremität vor Umlagerung bzw. Transport immobilisiert werden.
  • Nur bei grober Fehlstellung mit Kompromittierung von Weichteilen und/oder Gefäßen sind Repositionsmanöver indiziert. Sie sollen unter Analgosedierung durch Zug und Gegenzug mit dem Ziel der Weichteilentlastung und ohne das Ziel einer anatomisch korrekten Reposition durchgeführt werden.
  • Bei polytraumatisierten Patienten soll – insbesondere bei Hochrasanztrauma – bis zum Beweis des Gegenteils von einer Wirbelsäulenverletzung ausgegangen werden.
  • Bei Verdacht auf ein Beckentrauma sollte eine mechanische Stabilisierung durch Beckenkompression erfolgen. Hierzu eignen sich kommerzielle erhältliche Notfallbecken- schlingen oder bei kleineren Kindern die Umschlingung mit einem Tuch ggf. kombiniert mit Einsatz der Vakuummatratze.
  • Im Zweifelsfall ist deshalb zugunsten der Versorgungssicherheit eine höhere Verletzungsschwere anzunehmen („Übertriagierung“) und die Entscheidung zur Schockraumversorgung zu fällen.

Schockraumteam:

  • Das Basis-Schockraumteam soll im überregionalen Traumazentrum aus mindestens 3 Ärzten bestehen: Chirurg (Kinderchirurg oder Traumatologe mit kindertraumatologischer Expertise), Anästhesist und pädiatrischer Intensivmediziner. Ein Kinderradiologe oder Radiologe mit kinder- radiologischer Expertise und ein pädiatrisch erfahrener Neurochirurg/neurochirurgisch erfahrener Kinderchirurg sollten verfügbar sein.
  • Die Leitung des Schockraumteams soll sich an den strukturellen Gegebenheiten vor Ort orientieren und kann sowohl als interdisziplinäre Führungsgruppe als auch in Person eines Trauma-Leaders erfolgen.
  • Der überwiegende Teil des Schockraumteams soll ein spezielles Schockraumtraining (z. B. Advanced Trauma Life Support ATLS®, European Trauma Course ETC, Definite Surgical Trauma Care DSTCTM) absolviert haben.
  • Im Kinderschockraum sollen alle für die Notfallversorgung erforderlichen Materialien/Instrumente in sämtlichen kinderspezifischen Größen vorgehalten werden.
  • In einem überregionalen Kindertraumazentrum sollten pädiatrische Intensivmedizin und Kinderradiologie mit in die Schockraumversorgung eingebunden sein.
  • Im Rahmen des Primary Survey sollte eine eFAST zur Diagnostik von freier abdominaler Flüssigkeit, von Perikard- und Pleura-Erguss oder Pneumothorax durchgeführt werden. Ein primär negativer sonographischer Befund schließt jedoch eine abdominale oder thorakale Verletzung nicht aus.
  • Bei Säuglingen <1 Jahr mit Schädel-Hirn-Trauma kann eine transfontanelläre und transtemporale Schädelsonographie durchgeführt werden, wenn dadurch der weitere diagnostische Ablauf nicht verzögert wird.
  • Die Indikationstellung zur Ganzkörper-Computertomographie soll beim polytraumatisierten Kind nach Nutzen-/Risiko-Abwägung, aufgrund definierter Kriterien und im Konsens des Traumateams erfolgen. Die Durchführung soll einem altersspezifischen Untersuchungsprotokoll folgen, das die Überschreitung diagnostischer Referenzwerte vermeidet.

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