Prost Neujahr: Tatort „Koniotomie“

Der Tatort am 2. Weihnachtsfeiertag hat in der notfallmedizinischen Community wieder einmal zu heftigen Diskussionen geführt: Kommisar Lessing des Weimarer Ermittler-Duos rettet das Opfer eines Würgers durch eine beherzte Koniotomie mittels Taschenmesser und Kugelschreiber.

(Die ganze Folge können Interessierte in der ARD-Mediathek nochmal anschauen – die entscheidende Szene etwa ab 1.13 Std.)

ARD Tatort Koniotomie
Szenefoto aus dem ARD Tatort „Der wüste Gobi“ vom 26.12.2017

Tatort KugelschreiberDie Diskussionen drehen sich im wesentlichen darum, wie realistisch das Vorgehen des Kommisars ist. Dabei ist zunächst die anatomische korrekte Platzierung des chirurgischen Atemwegs zu kritisieren – eine Koniotomie hätte weiter proximal stattfinden müssen. Darüberhinaus stellt sich aber auch die Frage, ob das Vorgehen mit Messer und Kugelschreiber nur eine Anekdote ist, oder tatsächlich eine Option zur Atemwegssicherung im Notfall darstellt. Dazu sind im wesentlichen zwei Publikationen aus dem Emergency Medical Journal (EMJ) zu Rate zu ziehen:

Neill A, Anderson P. Observational cadaveric study of emergency bystander cricothyroidotomy with a ballpoint pen by untrained junior doctors and medical students. EMJ 2012; 30: 308–11

Owens D, Greenwood B, Galley A, et al. Airflow efficacy of ballpoint pen tubes: a consideration for use in bystander cricothyrotomy. EMJ 2010; 27: 317–20

Neill und Anderson untersuchten an vierzehn Körperspendern im Dubliner Trinity College, ob eine Atemwegssicherung durch unerfahrene Kollegen oder Medizinstudenten nur mit einem Skalpell und der Hülse eines Kugelschreibers möglich ist. Dabei gelang die richtige Platzierung in der Trachea zu 57 %. Allerdings wurde für jeden Versuch ein frisches (und damit scharfes!) Skalpell verwendet und kein Taschenmesser mit fragwürdiger Klinge.

Owens und Kollegen befassten sich mit der Frage, ob durch handelsübliche Kugelschreiberhülsen überhaupt ein genügend großer Flow für eine effektive Ventilation generiert werden kann. Dabei kamen sie zu dem Schluss, dass dies für die meisten Kugelschreiber nicht zu trifft. Der im Tatort verwendete Kugelschreiber dürfte keinen ausreichenden Durchmesser gehabt haben.

Bleibt zusammenfassend zu sagen, das eine chirurgische Atemwegssicherung durch einen anatomisch orientierten (!) Anwender mit einem scharfen (!) Messer und einem Kugelschreiber möglich ist, die Kugelschreiberhülse jedoch einen deutlich größeren Durchmesser haben muss, als im Tatort gezeigt.

Wir wünschen allen Lesern viel Erfolg in 2018.

Bleiben Sie kritisch allen notfallmedizinischen Publikationen gegenüber.

One thought on “Prost Neujahr: Tatort „Koniotomie“

  1. Vielen Dank für den tollen Beitrag! Tatsächlich geistert diese Technik ja durch alle Filme und hat mich schon in der Schulzeit mit dem Mindset der Notfallmedizin „always be prepared“ vetraut gemacht.
    Meine erste erinnerliche Filmkoniotomie hat „Radar“ der Sekretär aus *Mash* unter Funkanleitung bei Bienenstich in die Zunge durchgeführt. (Videoquelle trotz längerer Suche nicht auffindbar)
    Nun die ernüchternde Datenlage zu dieser Technik – Kindheitsträume schwinden.
    ABER als Nerdfallmediziner bitte ich zu bedenken, dass das Skalpell immer treuer Wegbegleiter sein sollte – ein großlumiger Kugelschreiber ist dann sicher auch schnell gefunden. 😉
    Anbei ein amüsanter SMACC Vortrag dazu:
    https://aucklandhems.com/2013/10/25/brian-burns-always-carry-your-scalpel/

    Frohes neues und Danke für die tollen Beiträge auf News-Papers.eu

    https://aucklandhems.com/2013/10/25/brian-burns-always-carry-your-scalpel/

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