Harnwegsinfekt – Klinische S3 Leitlinie

In der Notaufnahme werden wir häufig mit einem Harnwegsinfekt konfrontiert. Und: „häufiges ist häufig und seltenes ist selten…“ Daher sollte man sich immer mal wieder mit diesem „wichtigen“ Krankheitsbild auseinandersetzen:

Kranz J et al., Unkomplizierte, bakterielle, ambulant erworbene Harnwegsinfektionen. Epidemiologie, Diagnostik, Therapie und Prävention bei erwachsenen Patienten. Dtsch Arztebl Int 2017; 114(50): 866-73; DOI: 10.3238/arztebl.2017.0866 (PDF)


Definitionen der S3-Leitlinie „Harnwegsinfektion“

  • Unkomplizierte Harnwegsinfektionen (uHWI)
    Eine HWI wird als unkompliziert eingestuft, wenn im Harntrakt keine relevanten funktionellen oder anatomischen Anomalien, keine relevanten Nierenfunktionsstörungen und keine relevanten Begleiterkrankungen/Differenzialdiagnosen vorliegen, die eine HWI beziehungsweise gravierende Komplikationen begünstigen.

  • Zystitis
    Eine untere HWI (Zystitis) wird angenommen, wenn sich die akuten Symptome nur auf den unteren Harntrakt beziehen, zum Beispiel neu aufgetretene Schmerzen beim Wasserlassen (Algurie), imperativer Harndrang, Pollakisurie, Schmerzen oberhalb der Symphyse.

  • Pyelonephritis
    Eine obere HWI (Pyelonephritis) sollte dann angenommen werden, wenn sich bei den akuten Symptomen, zum Beispiel Flankenschmerz, ein klopfschmerzhaftes Nierenlager und/oder Fieber (> 38 °C) finden.

  • Asymptomatische Bakteriurie
    Bei der asymptomatischen Bakteriurie wird in der Regel eine Kolonisation, nicht aber eine Infektion angenommen. Eine klinisch symptomatische HWI muss von einer asymptomatischen Bakteriurie unterschieden werden, was sowohl für das diagnostische als auch therapeutische Vorgehen wichtig ist. Deshalb soll ein Begriff wie „asymptomatische HWI“ nicht mehr verwendet werden, da er missverständlich ist und nicht zwischen beiden Formen unterscheidet.

  • Rezidivierende Harnwegsinfektionen (rHWI)
    Eine rezidivierende HWI wird angenommen, wenn eine Rezidivrate von ≥2 symptomatischen Episoden innerhalb von 6 Monaten oder ≥3 symptomatische Episoden innerhalb von 12 Monaten vorliegen.


Weitere Empfehlungen:

  • Einer symptomorientierten Diagnostik wird ein hoher Stellenwert beigemessen. Mit dem validierten Fragebogen ACSS (Acute Cystitis Symptom Score) kann aufgrund klinischer Kriterien die Diagnose einer akuten unkomplizierten Zystitis mit hoher Sicherheit gestellt, der Schweregrad der Beschwerden eingeschätzt, der Verlauf beobachtet und der Therapieeffekt messbar gemacht werden.

  • Bei unkomplizierten Harnwegsinfekten mit leichten bis mittelschweren Beschwerden stellt die symptomatische Therapie mit Ibuprofen eine Alternative zur Antibiotika- verordnung dar.

  • Eine asymptomatische Bakteriurie soll nicht therapiert werden. Nur bei Patienten, die sich einer erwartungsgemäß schleimhaut-traumatisierenden Intervention im Harntrakt unterziehen müssen, erhöht eine asymptomatische Bakteriurie das Infektionsrisiko. Deshalb soll in diesen Fällen nach einer asymptomatischen Bakteriurie gesucht und diese bei Nachweis behandelt werden.

  • Bei rezidivierenden Harnwegsinfektionen werden primär nichtantibiotische Präventionsmaßnahmen empfohlen.

  • Antimicrobial-Stewardship-Aspekte haben wesentlich die therapeutischen Empfehlungen geprägt. Eine breite Implementierung der neuen Empfehlungen durch alle behandelnden Fachgruppen ist notwendig, um eine vo- rausschauende Antibiotikapolitik zu gewährleisten und damit eine Versorgungsverbesserung zu erzielen.


In der Publikation werden auch die entsprechenden Antibiotischen Therapieschema dargestellt. (PDF)

Hier noch der Link zur entsprechenden S3 Leitlinie der amwf.


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