Die neue Definition der Sepsis und des septischen Schocks – Teil 2

BlutkulturflaschenKürzlich sind wir auf die neue Definition der Sepsis und des septischen Schocks der 3. internationalen Consensuskonferenz SEPSIS-3 eingegangen (hier). Nachfolgend greifen wir weitere Punkte aus dieser Publikation auf.

Singer M, et al. The third international consensus conference definitions for sepsis and septic shock (Sepsis-3).
JAMA 2016; 315: 801-810


Warum brauchte es überhaupt eine neue Definition der Sepsis?

Bisherige Definition der Sepsis stammt aus dem Jahr 2003 (Levy MM, et al. Crit Care Med 2003; 31: 1250-1256).

Das Problem mit der Definition der Sepsis: Sepsis ist ein multifaktorielles Geschehen als Reaktion auf eine Infektion. Sepsis ist keine eigenständige Erkrankung, sondern ein Syndrom. Bisher besteht kein Goldstandard an diagnostischen Tests zur Sicherung der Diagnose „Sepsis“. Daher werden einerseits eine klare Definition der Sepsis und andererseits gute Kriterien um diese zu erkennen benötigt.

Das Problem mit den SIRS-Kriterien: SIRS-Kritieren fokussieren nur auf die Inflammation. In einer Studie wurde aber gezeigt, dass 12,5% der Patienten, die auf eine Intensivstation mit Infektion und Organversagen aufgenommen werden, die Voraussetzung von mindestens 2 positiven SIRS-Kriterien nicht erfüllen. Die SIRS-Kriterien erfassen damit also nicht alle Patienten mit schwerer Sepsis.

Das Problem mit dem SOFA-Score: Der SOFA-Score ist ein häufiges im Rahmen der Intensivmedizin eingesetztes Instrument. Für die Berechnung des Scores werden zahlreicher Parameter (paO2, Thrombozytenzahl, Bilirubin, mittlerer arterieller Blutdruck, Glasgow Coma Scale, Kreatinin, Urinausscheidung) benötigt (s. Tabelle). Dies macht die Verwendung des SOFA-Score in Bereichen außerhalb von Intensivstationen nicht weniger schwierig und zum Teil komplex.

SOFA-Score

Das Problem mit der Definition des septischen Schocks: Für den septischen Schock bestanden bisher zahlreiche Definitionen auch bezüglich der genutzten Cut-Off-Level für den systolische Blutdruck, den mittleren arteriellen Blutdruck, eine Hyperlaktatämie, die Nutzung von Vasopressoren, neue Organdysfunktionen, und definierte Größen und Ziele der Volumentherapielevel.

Zusammenfassend führt dies dazu, dass Studien zur Sepsis, aufgrund der Vielzahl an verschiedenen Definitionen der Sepsis und des septischen Schocks nicht miteinander verglichen werden konnten. Dies ist aus evidenzbasierter Sicht bedauerlich und muss zukünftig optimiert werden.


Die neue Definition von Sepsis und Septischem Schock:

Sepsis (ICD 10: R65.20) ist definiert als eine lebensbedrohliche Organdysfunktion, die durch eine übersteigerte Abwehrreaktion auf eine Infektion entsteht und dabei den körpereigenen Geweben und Organen schadet. Eine Organdysfunktion kann durch eine Zunahme von ≥2 Punkten im SOFA-Score aufgrund einer Infektion erkannt werden. Der baseline SOFA-Score kann mit „0“ angenommen werden, wenn keine vorbestehenden Organdysfunktionen bekannt sind. Ein SOFA-Score ≥2 Punkten spricht für eine Mortalität von bis zu 10% bei hospitalisierten Patienten mit angenommener Infektion (Vergleich Mortalität des STEMI: 8,1%). Patienten, bei denen ein längerer Intensivaufenthalt oder eine hohe Sterblichkeit angenommen werden muss, können durch den qSOFA (=quick SOFA) rasch erkannt werden:

  1. Verwirrtheit/Viliglanzstörung (GCS <15)
  2. systolischer Blutdruck ≤100 mmHg
  3. Atemfrequenz ≥22/min

Eine Sepsis muss rasch erkannt und entsprechend stringent behandelt werden. Dabei können die nicht-spezifischen SIRS-Kriterien (zB Fieber, Leukozytose) – nachdem wir uns bisher immer gerichtet haben – weiterhin herangezogen werden, um eine Infektion zu detektieren.


Der septische Schock (ICD 10: R65.21) ist eine Sepsis, bei der die zirkulatorischen und zellulären/metabolischen Veränderungen ausreichen, um die Mortalität deutlich ansteigen zu lassen. Ein septischer Schock kann an folgenden 2 Parametern erkannt werden:

  • persistierende Hypotension, bei der Vasopressoren eingesetzt werden müssen, um einen mittleren arteriellen Blutdruck (MAP) ≥65 mmHg zu erreichen
  • Laktat >2 mmol/l trotz Volumentherapie (volume resuscitation)

Das Vorliegen der beider Parameter parallel zeigt eine zelluläre Dysfunktion und eine cardiovaskuläre Störung und erhöht die Letalität der Patienten auf >40%.

Singer et al. zeigen dabei auch einen Algorithmus zur Operationalisierung der klinischen Kriterien für Sepsis und septischen Schock

Sepsisdetektion


Welche Implikationen hat die neue Definition der Sepsis bzw. des septischen Schocks?

Eine vorsichtige erste Annäherung: Aktuell stehen wir noch ganz am Anfang der Interpretation dessen was die SEPSIS-3 Konseuskonferenz uns präsentiert hat. Nachdem die Definition und die Erhebung von qSOFA-Score und die Erfassung des SOFA-Score bereits in zahlreichen Studien erfolgreich umgesetzt wurde, stehen nun aber viele Rettungs- und Notarztdienste, Zentrale Notaufnahmen, Intensivstationen und akutmedizinische Behandlungsbereiche vor der Aufgabe dieses Wissen zu nutzen und in die Praxis umzusetzen. Wer benutzt denn schon heute bei jedem vorgestellten Patienten im Notarztdienst oder der Zentralen Notaufnahme den SOFA-Score zur Detektion einer Sepsis? Hier werden wir uns umstellen müssen und ggf. diese Parameter nun regelhaft mit einem speziellen Blick betrachten, dokumentieren und klinisch dann einer Handlung und ggf. Intervention zuführen müssen. Auf den ersten Blick scheint ein Zeitalter zuende zu gehen, in dem die Sepsis als Kontinuum betrachtet wurde. Wo Infektion von Sepsis, von schwerer Sepsis und septischen Schock abgegrenzt wurde. Wie nutzen wir zukünftigt die ICD 10 zur Kodierung unserer Patienten? Wie etablieren wir die (prähospitale und innenklinische) Erfassung des qSOFA- und die (routinemässige innenklinische) Erhebung des SOFA-Score in den Alltag der Notaufnahme. Hier steht uns eine spannende Zeit bevor und wir sind sicher, dass es in kurzer Zeit zahlreiche optisch excellent aufgearbeitete Lösungsvorschläge hierzu geben wird. Nehmen wir die SEPSIS-3 Definition der Sepsis und des septischen Schock als das was es ist, als ein Versuch sich der Problematik mit der Detektion der Sepsis zu nähern mit dem Ziel die Morbidität und Mortalität der uns anvertrauten Patienten zu reduzieren.

Sind wir gespannt wie es weitergeht! Eine entsprechende Definition für pädiatrische Patienten steht noch aus.

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