Blitzlicht: Schuss- und Explosionsverletzungen

Die schrecklichen Ereignissen jüngster terroristischer Anschläge in Europa haben zu einer intensiven Beschäftigung mit diesem Thema geführt. Axel Franke und Kollegen haben sich mit einer selektiven Literaturrecherche dem Thema der Erstversorgung von Schuss- und Explositionsverletzungen gewidmet.

Franke A, et al.  Erstversorgung und innerklinische Therapie von Schuss- und Explosionsverletzungen. Dtsch Arztebl Int 2017; 114: 237–43. DOI: 10.3238/arztebl.2017.0237 (PDF)


Hier die wesentlichen Punkte kurz zusammengefasst, dabei lohnt sich das eigene Studium dieser Publikation auf jeden Fall:

  1. Prähospitale Versorgung:
  •  initialen Maßnahmen bei einem Massenereignis gemäss „tactical abbreviated surgical care“ auf das Überleben möglichst vieler Patienten ausrichten
  • Abkehr von der Individualmedizin mit Lagebeurteilung, Anzahl der Verletzten bestimmen, Material und Personal nachfordern
  • Identifikation lebensbedrohlich Verletzter
  •  in den ersten 10 Minuten („platinum 10 min.“) lebensbedrohliche Komplikationen behandeln:
    • Nutzung des ABCDE-Approach und des ABCDE als Sprache
    • Therapie verlegter Atemwege,
    • Therapie eines Spannungspneumothorax
    • Stop the bleeding (C-ABCDE), Tourniquets
    • Sichtbare perforierende Fremdkörper belassen (tamponierende Effekt)
  • bei Blutungen in den Körperhöhlen oder stammnah (Achsel/Leiste) Periorisierung des Transport
  • bei Achsel- und Leistenverletzungen: Woundpacking, Wundtamponade, lokaler Druck, ggf. Hämostyptikum
  • Verteilung der Patienten auf die verfügbare Versorgungseinrichtungen

Abb.: Dreieck der unmittelbar lebensbedrohlichen Komplikation nach Schuss- und Explosionsverletzungen (mod. nach Franke et al.)

2. Innerklinische Versorgung:

  • Triage und Reihung (da Mangelsituation), klare Kommunikation und Benennung des MANV
  • innerklinische Versorgung gemäss „damage control surgery“ (DCS)
    • Ziel: Leben und Funktionserhalt sichern, dabei Systembelastung durch OP so gering wie möglich halten
    • lebensbedrohliche Komplikationen behandeln
    • hämodynamische Instabilität, penetrierende Verletzungen oder Koagulopathie vorrangig behandeln.
  • Ziele der initialen operativen Stabilisierung sind:
    • Blutungs- und Kontaminationskontrolle, Lavage
    • Vermeidung von Verletzungsfolgen
    • Ischämieprophylaxe, Wiedererstellung einer Repression
    • max. OP-Dauer von 60-90 min
  • Ziele der Restitutions- und Stabilisierungsphasen sind:
    • Wiederherstellen einer Euvolämie
    • Normalisierung der Beatmungsparameter
    • Korrektur des Säure-Basen-Haushaltes
    • Optimierung der Perfusion und Oxygenierung in der Peripherie
    • Wiedererwärmung des Patienten
    • befundadaptierte gezielte Optimierung der Gerinnung

Cave: Spuren, insbesondere Projektile, Fragmente sowie Kleidung und andere potenziell tatrelevante Gegenstände sollten zu gegebener Zeit zur forensischen Aufarbeitung asserviert werden.

  • wenn Ressourcen besteht wieder Rückkehr zur Individualmedizin
  • Vorbereitung und Training zur Bewältigung eines Großschadensereignisses notwendig

Die Autoren fassen als Kernaussagen des Manuskriptes zusammen:

  • hämodynamisch relevante Blutungen sind die führende Todesursache bei Schuss- und Explosionsverletzungen
  • Letalitätsreduktion durch notfallmedizinische Therapie der vermeidbaren Todesursachen (Spannungspneumothorax, Atemwegsverlegung, Blutung an Extremitäten)
  • UND zeitnahe chirurgische Blutstillung von hämodynamisch relevanten stammnahen oder Körperhöhlenblutungen
  • chirurgische Versorgungsstrategie gemäss „damage control surgery“ (DCS) und „tactical abbreviated surgical care“ (TASC). Beachte Ressource und DCS-Kriterien.
  • DCS: Operative Stabilisierung mit sofortigen lebensrettenden Maßnahmen
  • weitere Interventionen innerhalb der nächsten 24-72 h

Triggerfaktoren für DCS (s. Franke et al.):

  • persistierende hämodynamische Instabilität
  • multiple lebensgefährliche/penetrierende Verletzungen
  • hochgradiger/hämorrhagischer Schock
  • Injury Severity Score (ISS) > 35
  • persisitierende Azidose (ph < 7,2)
  • manifeste Koagulopathie
  • Hypothermie (Körperkerntemperatur unter 35 °C )
  • Massentransfusion (> 10 EK)
  • Notwendigkeit einer Schockraumthorakotomie/Laparotomie
  • Notwendigkeit einer zusätzlichen Angioembolisation
  • Mangelsituation oder Massenanfall von Verletzten (MANV )

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