Während akute Intoxikationen häufige Notfallereignisse darstellen, sind Vergiftungen mit einigen spezifischen Toxinen so selten, dass regelhaft kaum klinische Erfahrung mit der Identifikation und dem Management dieser Vergiftungen vorliegt. Jedoch kann eine Therapieverzögerung lebensbedrohlich sein. Toxidrome helfen, die Vergiftungssymptome schneller einzuordnen und eine zielgerichtete Diagnostik und Therapie rascher zu initiieren. Die Toxidromsonne ermöglicht, Untersuchungsbefunde und Leitsymptome intuitiv einem Toxidrom zuzuordnen und dadurch rasch eine spezifische Therapie einzuleiten. Die Toxidromsonne dient als Instrument zur strukturierten Herangehensweise bei intoxikierten Patienten und ist insbesondere für den Einsatz bei kritisch erkrankten Patienten im Schockraum geeignet.
Hüser C, et al. Die Toxidromsonne als diagnostisches Instrument im Schockraum. Notfall Rettungsmed 2024, online
(Open Access: https://link.springer.com/article/10.1007/s10049-024-01410-6)
Toxidromsonne: Innen(hellgrau): Toxine/Substanzen. Außen: typische Vitalparameter, Leitsymptome, Therapie. Ist das Toxin nicht bekannt, wird nach dem Ausschlussverfahren vom Leitsymptom und dem vorliegenden klinischen Befund von au.en nach innen gelesen. Bei bekanntemToxin arbeitet man sich von innen nach außen über die (zu erwartenden) Vitalparameter und Symptome bis zur Therapie vor. Toxine, die vorwiegendmit Vigilanzminderung/Somnolenz einhergehen, werden zwischen 9 und 3 Uhr (gelb, rot, violett, magenta) dargestellt. Vergiftungen mit Anticholinergika (marineblau) sind diametral zum cholinergen Toxidrom angeordnet (mit gegenteiligen peripheren Symptomen wie beim cholinergen Syndrom). Intoxikationen mit Salizylaten (5 Uhr, hellblau) gehen häufig mit Tinnitus, Hyperventilation, metabolischer Azidose, motorischer Unruhe, Vigilanzminderung und ggf. auch Schocksymptomatik einher. Auf Position 7 und 8 Uhr (hell-, dunkelgrün): sympathomimetisches und serotonerges Toxidrom: teils überschneidende Syndrome, die mit Tachykardie, Schwitzen und Hypertonie sowie mit weiten Pupillen einhergehen. Im innersten Kern der Toxidromsonne sind die Substanzen dargestellt, die häufig ein Mischbild aus verschiedenen Toxidromen vereinen: Halluzinogene:Die symptomatischeTherapie erfolgt hier nach vorherrschendem klinischem Bild. ADHS Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitäts-Störung, ASS Acetylsalizyls.ure, AF Atemfrequenz, GI-Symptome gastrointestinale Symptome, HF Herzfrequenz, HRST Herzrhythmusstörungen,MAOB- Inhibitor Monoaminoxidase-B-Inhibitoren, MDMA3,4-Methylendioxy-N-methylamphetamin, NaBic Natriumbicarbonat, NIV nichtinvasive Beatmung, RR Blutdruck, SSRI selektive Serotoninwiederaufnahmehemmer, Temp Temperatur.
Fazit:
- Die Toxidromsonne dient der Visualisierung der typischen Befunde, auslösenden Substanzen und wichtigsten Therapieschritte bei häufigen kritischen Vergiftungen.
- Sie stellt nicht nur eine Merkhilfe und ein „teaching tool“ dar, sondern kann auch im praktischen Alltag helfen, ein vorliegendes Toxidromzu identifizieren und eine zielgerichtetere Behandlung bereits im Schockraum zu initiieren.
- Eine weitere Überarbeitung und wissenschaftliche Evaluation sollten folgen.
Bezogen werden kann die Toxidromsonne als Plakat auf dem DGINA Notfallcampus (https://notfall-campus.de/shop/)