Regionalanästhesie in der prähospitalen Notfallmedizin

Ein Gastbeitrag von S. Maier, Ulm                  Schmerz zählt du den wichtigsten Symptomen von Traumapatienten. Entsprechend ist eine ausreichende Analgesie eine der zentralen Aufgaben der Therapie. In Deutschland wird in der Akutversorgung am häufigsten eine intravenöse Analgesie mit Nichtopioid-Analgetika und Opioiden durchgeführt, die jedoch v.a. bei Notfallpatienten erhebliche Nebenwirkungen haben kann. Obwohl die periphere Regionalanästhesie innerklinisch ein häufig angewandtes Verfahren mit einer schnellen und effektiven Analgesie darstellt, findet sie in der Notfallversorgung, insbesondere im prähospitalen Setting bislang wenig Anwendung.

Der frühzeitige Einsatz peripherer Nervenblockaden (PNB) kann zur Reposition dislozierter Frakturen oder Gelenkluxationen und in der technischen Rettung von Traumapatienten analog zum perioperativen Einsatz viele Vorteile zeigen. Häufige Frakturen älterer, multimorbider Patienten wie z.B. hüftnahe Femurfrakturen können suffizient durch PNB (z.B. durch eine Fascia-iliaca-Kompartment-Blockade (FICB)) therapiert werden und zeigen insbesondere bei geriatrischen Patienten deutliche Vorteile im Vergleich zur Anwendung von Opioiden.

Gaik et al. stellen Therapieoptionen unter Einsatz von PNB vor und diskutieren mögliche Versorgungskonzepte für Traumapatienten:

Gaik C, Schmitt N, Schubert A-K, Wulf H, Vojnar B

Regionalanästhesie in der prähospitalen Notfallmedizin

Anästhesiol Intensivmed Notfallmed Schmerzther 2024; 59:386–99

Die Datenlage methodisch qualitativ guter Studien zum prähospitalen Einsatz von PNB ist begrenzt. In der aktuell verfügbaren Literatur konnte eine Erfolgsrate prähospital durchgeführter PNB (auch bei überwiegend landmarkengestützter Punktionstechnik) mit fast 90% beschrieben werden und insgesamt eine hohe Patientenzufriedenheit, sowie eine Reduktion des Schmerzscores erreicht werden. Aufgrund mangelnder Informationen über den Gerinnungsstatus der Patienten, sowie nicht auszuschließender Wirbelsäulenverletzungen bei Traumapatienten gibt es aktuell keine Empfehlung zur prähospitalen Durchführung neuroaxialer Verfahren. Ebenfalls liegen keine Daten zur Anlage peripherer Katheterverfahren vor (sicherlich aus hygienischen und zeitlichen Gründen). Schwerwiegende Nebenwirkungen sind in der aktuellen Literatur insgesamt selten beschrieben.

Gaik et al. empfehlen zur prähospitalen Durchführung von PNB den Einsatz von Sonographie als Hilfmittel, da es unabhängig von Verletzungsmustern und anatomischer Besonderheiten universeller einsetzbar ist (im Vergleich zum Einsatz von Nervenstimulation und Landmarkentechniken). Standards zu Hygiene und Infektionsprophylaxe sollten auch prähospital angewendet werden. Bei weiterer Etablierung peripherer Regionalanästhesie im Rettungsdienst könnten vorgepackte Blockade-Sets analog zum perioperativen Setting sinnvoll sein.

Die PNB stellt keine „lebensrettende“ Maßnahme dar und erfordert daher das Einverständis des Patienten. Es sollte zumindest mündlich über mögliche Risiken, Komplikationen sowie Alternativen aufgeklärt werden. Diese sollte zudem im Notfallprotokoll vermerkt werden.

Ebenfalls sollten die Art und Durchführung der PNB, Dosierungen, Wirkung, NRS-Verlauf, ggf. die Ausbreitung der PNB und etwaige Komplikationen (sowie deren Therapie) ausreichend dokumentiert werden.

Es sollten Algorithmen und Standard-operating-procedures (SOPs) zur strukurierten Einführung und Etablierung des prähospitalen, sonographiegestützten Einsatzes von PNB erarbeiten werden, die auch eine strenge Limitierung zur Indikation und Durchführung des Verfahrens darstellen. Die Autoren stellen den „4E-Check“ als Algorithmus vor zur Überprüfung, ob alle Voraussetzungen für eine prähospitale PNB erfüllt sind. Dieser beinhaltet Expertise, Equipment, Environment (Umweltfaktoren) sowie Evaluation.

Kernaussagen:

Die prähospitale, periphere Regionalanästhesie kann durch entsprechend geschultes ärztliches Rettungsdienstpersonal eine suffiziente, nebenwirkungsarme Alternative zur Analgesie darstellen.

Für einen flächendeckenden Einsatz sollten SOPs, Checklisten oder Algorithmen eingeführt werden, die den Anwender von der Prüfung der Indikation/Kontraindikation, der Patientenaufklärung bis zur Durchführung der PNB sowie dem Prüfen der Analgesiequalität und Management möglicher Komplikationen führen.

In Zukunft sollten qualitativ hochwertige randomisiert-kontrollierte, verblindete Studien mit größeren Fallzahlen durchgeführt werden, die die Effektivität des prähospitalen Einsatzes der peripheren Regionalanästhesie hinsichtlich geeigneter Endpunkte vergleichen.

 

 

 

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