Adrenalin bei Reanimation – sind die Ergebnisse von PARAMEDIC2 übertragbar?

auch Narkosemedikamente wurden simuliert

Ein Blog-Beitrag von PD Dr. Jürgen Knapp, Schweiz: 

Mal wieder eine Arbeit „aus der eigenen Feder“:

Knapp J, Huber M et al. Outcome differences between PARAMEDIC2 and the German Resuscitation Registry: a secondary analysis of a randomized controlled trial compared with registry data. European Journal of Emergency Medicine 2022
DOI: 10.1097/MEJ.0000000000000958

Die Arbeit ist kostenlos („open access“) verfügbar unter
https://journals.lww.com/euro-emergencymed/Fulltext/9900/Outcome_differences_between_PARAMEDIC2_and_the.24.aspx

Die Ergebnisse der PARAMEDIC2-Studie haben zu viel Diskussion und Unsicherheit über den Nutzen von Adrenalin bei der Reanimation geführt. Schon kurz nach der Publikation der Studie 2018 sind im New England Journal of Medicine mehrere Leserbriefe (u.a. aus Europa und Australien) erschienen, die die überraschend niedrige Überlebensrate und relevante Unterschiede in den Rettungsdienstsystemen feststellen. Kollegen aus Australien stellten fest, dass in ihrem System von den Patienten, die prähospital so lange reanimiert werden müssen, dass die Leitlinien die Gabe von Adrenalin vorsehen, 5,9% neurologisch gut überleben, in Deutschland sind es in diesem Patientenkollektiv 7,4%. Dagegen war die Rate der Überlebenden mit gutem neurologischem Ergebnis in der Adrenalin-Gruppe des PARAMEDIC2 trials nur bei 2,2%. Ferner wurde unter anderem die enorme zeitliche Verzögerung der Gabe von Adrenalin in der Studie kritisiert (im Median 15 min nach Eintreffen des Rettungsdienstes), die hohe Rate an ausschließlichem Einsatz eines supraglottischen Atemweges (71%) und die hohe Rate am ausschließlichem Einsatz eines intraossären Zugangs (33%).

Um diese Unterschiede statistisch belastbar zu diskutieren, haben wir ein Modell entwickelt, um die Ergebnisse der PARAMEDIC2-Studie mit den Behandlungsergebnissen, wie sie im Deutschen Reanimationsregister dokumentiert sind, vergleichbar zu machen. Die Modellrechnung ergab, dass, wenn das Patientenkollektiv, das von den Ausgangsbedingungen her (Alter, Ausgangsrhythmus, Laienreanimation, Zeit bis zum Eintreffen des Rettungsdienstes etc.) den Patienten in der PARAMEDIC2-Studie entsprach, unter den Bedingungen des Deutschen Reanimationsregisters reanimiert worden wäre, 5,0% neurologisch gut überlebt hätten. Wenn man ein Patientenkollektiv modelliert, das das Adrenalins „genauso spät“ wie im PARAMEDIC2 trial bekommen hat und ebenfalls zu 71% nur mit supraglottischem Atemweg versorgt worden ist und in 33% nur mit einem i.o.-Zugang, wären es immer noch 3,4% mit neurologisch gutem Überleben.

Wie kann man diese Ergebnisse also interpretieren?

  • Die Ergebnisse der Ineffektivität der Gabe von Adrenalin im Rahmen der Reanimation hinsichtlich des neurologisch guten Überlebens des PARAMEDIC2 trials lassen sich nicht so einfach auf andere Rettungsdienst- und Gesundheitssysteme übertragen.
  • Die Art des Atemwegsmanagement, die Art des vaskulären Zugangs und die Zeitverzögerung bis zur Gabe von Adrenalin bei der Reanimation beeinflusst das Outcome der Patienten signifikant.
  • Als „Nebenprodukt“ hat die Entwicklung unseres Modells gezeigt, dass jede Verbesserung, egal in welchem Glied der Reanimationskette, sich auf das Outcome der Patienten am Ende der Kette auswirkt.

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