Intubationen auf der Intensivstation sind schwieriger

Zunächst scheint die Aussage nicht zu verwundern, dass die endotracheale Intubation auf der Intensivstation schwieriger ist als im OP. Schließlich haben schon früher Autoren berichtet, dass die Atemwegssicherung außerhalb des OPs mit schlechteren Ergebnissen verbunden ist. Dafür wurden verschiedene Faktoren verantwortlich gemacht:

  • operator related“ (Intensivmediziner hätten weniger Erfahrung in der Atemwegssicherung, als Anästhesisten im OP),
  • patient related“ (Patienten auf der Intensivstation seien kränker, als im OP)
  • environment related“ (Patienten seien im Intensivbett schlechter gelagert und schwieriger zugänglich, als im OP).

Kollegen um Manuel Taboada, Anästhesist an der Uniklinik in Santiago, Spanien haben nun einen sehr interessanten Ansatz verfolgt, um diese Faktoren einzugrenzen.

Taboada M, Doldan P, Calvo A, Almeida X, Ferreiroa E, Baluja A, et al.

Comparison of Tracheal Intubation Conditions in Operating Room and Intensive Care Unit:

A Prospective, Observational Study.

Anesthesiology 2018; 129: 321–8 (PDF)

Zum einen kommen die Ärzte auf der Intensivstation und im OP für diese Studie aus der gleichen Abteilung für Anästhesiologie & Intensivmedizin und besitzen vergleichbare Routine in der Atemwegssicherung, zum anderen wurden in die Studie nur Patienten eingeschlossen, die im Zeitfenster von 30 Tagen vor ihrer Intubation auf der Intensivstation bereits einmal im OP endotracheal intubiert worden waren. Mit diesem Ansatz sollten die „operator related factors“ und die „patient related factors“ minimiert werden. Eingang fanden nur Intubationen in direkter Laryngokopie – fiberoptische oder videolaryngoskopische Intubationen wurden ausgeschlossen.

Verglichen wurden

  • der Laryngoskopiebefund nach Cormack/Lehane
  • die Zahl der nötigen Intubationsversuche / First pass success (erfolgreiche Intubation auf den ersten Versuch)
  • eine Schwierigkeitsbewertung durch die jeweils intubierenden Kollegen (easy, mild, moderate, severe)
  • auftretende Komplikationen – v.a. Hypoxie (SpO2<80%)
  • benutzte Hilfsmittel

Die Ergebnisse zeigen signifikant bessere Laryngoskopiebefunde im OP und damit verbunden einen signifikant besseren Fist pass success (OP 97%. ICU 89%) einen signifikant geringen Anteil der erschwerten und schwierigen (moderate + severe) Intubation (OP 9%, ICU 16%) und in diesem Zusammenhang auch den häufigeren Einsatz von Hilfsmittel (z.B. Bougie) (OP 10%, ICU 19%). Darüber hinaus wird eine signifikant höhere Komplikationsrate für die Intensivstation beschrieben (Hypoxie: OP 2%, ICU 9% / ösophagiale Fehlintubation OP 0%, ICU 2% / Blutdruckabfall < 80mmHg OP 4%, ICU 28%).

Bewertung der Ergebnisse

Der Ansatz Intubationen bei den selben Patienten zu vergleichen ist grundsätzlich nicht schlecht. Allerdings betrifft diese Überlegung vor allem die Anatomie des Atemwegs, obwohl sich (z.B. durch Schwellung) auch diese innerhalb von 30 Tagen verändern kann. Physiologisch jedoch wurden die Patienten auf der Intensivstation mehrheitlich wegen respiratorischer Insuffizienz intubiert, befanden sich daher also in einer ungünstigeren Ausgangsposition im Hinblick auf die Oxygenierung. Dies ist umso interessanter, als dass die Grenze für eine Hypoxie erst bei einer Sauerstoffsättigung von 80% – und nicht wie bei vielen anderen Publikationen bereits bei 90% – gezogen wurde. Einerseits ist ein Anteil von von fast einem Zehntel der Patienten mit einer SpO2 < 80% auf der Intensivstation zwar erschreckend, andererseits muss die Frage erlaubt sein, ob der Unterschied zum OP bei einer Grenze von SpO2 < 90% genauso deutlich gewesen wäre, oder ob dann der Anteil der hypoxischen Patienten im OP höher gewesen wäre.

Der hohe FPS in beiden Bereichen zeigt die Routine der teilnehmenden Anästhesisten – in anderen Arbeiten mit nicht-anästhesiologischen Intensivmedizinern werden deutlich niedrigere FPS-Raten berichtet.

Ein Unterschied zwischen OP und ICU wird von den Autoren gar nicht angesprochen: Das ist die geringere Routine des intensivmedizinischen Assistenzpersonals in der Atemwegssicherung, die aus unserer Sicht ebenfalls einen wesentlichen Einfluss auf den Intubationsvorgang haben kann.

Letztlich jedoch liegt der Fokus auf den „enviroment related factors“ also auf der schlechteren Zugänglichkeit des Intensivpatienten vom Kopfende des Bettes und die im Vergleich zum OP-Tisch ungünstigere Lagerung.

Damit bestätigt die Arbeit einmal mehr, dass die endotracheale Intubation nicht erst prähospital, sondern grundsätzlich außerhalb der elektiven und routinierten Situation des OPs mit deutlich mehr Schwierigkeiten verbunden ist. Darauf müssen wir gedanklich bei jeder Intubation vorbereitet sein und Hilfsmittel sowie Alternativen planen und bereitlegen!

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