Adrenalin bei Anaphylaxie

Johannes Ring und Kollegen haben im Deutschen Ärzteblatt einen sehr schönen Übersichtsartikel zur Therapie der Anaphylaxie mit Adrenalin geschrieben, den jeder in der Notfallmedizin tätige einmal gelesen haben sollte:

Ring J et al. Adrenalin in der Akutbehandlung der Anaphylaxie. Dtsch Arztebl Int 2018; 115: 528–34 (PDF

Hier eine kurze Zusammenfassung:

  • Anaphylaxie ist die schwerste Manifestation einer allergischen Sofortreaktion
  • Adrenalin steht im Zentrum der akuten medikamentösen Therapie

Obwohl Adrenalin schon seit über 100 Jahren eingesetzt wird, bestehen in der praktischen Alltagssituation oft Informationsdefizite und Unsicherheiten in der Art der Applikation und Dosierung bei Arzt und Patient.

  • Adrenalin führt häufig zum Abklingen der Anaphylaxiesymptome
  • intramuskuläre Applikation von Adrenalin (mit einem Autoinjektor) ist die Methode der Wahl (v.a. bei mittelschweren Reaktionen)
  • i.m.-Injektion erfolgt in die Außenseite des Oberschenkels
  • i.m.-Injektion kann beim Nichtansprechen alle 10–15 Minuten wiederholt werden

Symptomatik:

  • Beginn mit subjektiven Allgemeinsymptomen und Hauterscheinungen (zum Beispiel Urtikaria 62 %, Angioödem 53 %)
  • manchmal mit Kribbelgefühl an Handflächen und Fußsohlen
  • Wichtigste Symptome der Anaphylaxie
    • subjektive Allgemeinsymptome:
      • Unruhegefühl
      • auffällige Müdigkeit bei Kindern
      • Parästhesien oder Juckreiz an Handflächen, Fußsohlen oder im Anogenitalbereich
      • metallischer oder fischiger Geschmack im Mund
      • Sehstörungen
      • Angstgefühl
    • Haut:
      • generalisierter Juckreiz
      • disseminierte Quaddeln (Urtikaria, Nesselsucht)
      • umschriebene Gewebsschwellungen (Angioödem, z.B. Augenlider, Lippe)
      • anfallsartige flächige Rötung (Flush)
    • Magen-Darm-Trakt:
      • Übelkeit, Erbrechen
      • Bauchkrämpfe, Koliken
      • Diarrhö, Stuhl- und/oder Harnabgang
    • Atemwege:
      • Rhinokonjunktivitis
      • Atemnot
      • Giemen
      • Asthmaanfall
      • Verschluss der oberen Luftröhre, Glottisödem („Kloßgefühl“)
      • Atemstillstand
    • Herz-Kreislauf-System:
      • Herzklopfen und Tachykardie
      • Blutdruckabfall
      • Kollaps, Kreislaufschock, Herzrhythmusstörungen

Allgemeine Maßnahmen:

  • Unterbrechung der Allergenzufuhr
  • symptomgerechte Lagerung
  • Vitalzeichenkontrolle
  • rasches Legen eines intravenösen Zugangs mit Volumengabe bei Bedarf
  • Sauerstoff und ggf. die sachgerechte kardiopulmonale Reanimation

Akut-Medikamente:

In der Pharmakotherapie der Anaphylaxie ist Adrenalin von zentraler Bedeutung. Antihistaminika (H1-Antagonisten) werden bei leichten Reaktionen, Glukokortikosteroide zur Verhinderung von Spätphasenreaktionen eingesetzt.

„Adrenalin (im angelsächsischen Sprachraum Epinephrin) ist seit über 100 Jahren im Einsatz. Es besteht Konsens, dass Adrenalin in der Anaphylaxiebehandlung wirksam ist, auch wenn im Sinne der evidenzbasierten Medizin placebokontrollierte prospektive Studien fehlen, die ethisch auch nicht vertretbar wären.“

Wirkmechanismus:

  • Stimulation von Alpha- und Betarezeptoren
  • Adrenalin antagonisiert wesentliche pathogenetische Mechanismen, die in der Entstehung und Ausprägung einer Anaphylaxie beteiligt sind:
    • Hypovolämie durch periphere Vasodilatation und Versacken von Volumen im Gewebe
    • Ateminsuffizienz durch Bronchokonstriktion oder Schleimhautödem im Bereich der oberen Luftwege
    • Herzversagen durch die negativ inotrope Wirkung

Merke:

  • Es existiert kein sicherer Zusammenhang zwischen der Schwere der anaphylaktischen Reaktion und dem Ausmaß früherer Anaphylaxien.

  • Trotz der positiven Hinweise und der Plausibilität eines Effekts von Adrenalin setzt sich die intramuskuläre Adrenalin-Applikation in Deutschland nur langsam durch; selbst bei schweren Reaktionen (Grad III und IV) wird Adrenalin nur in 20 % der Fälle als Erstmaßnahme gegeben.

Dosierung – Adrenalin: 

  • 300 und 600 μg/Person bei Erwachsenen (5–10 μg/kg Körpergewicht) i.m., Start mit 300  μg,  bei hohem Körpergewicht (> 100 kg) kann mit der Erstdosis von 500 μg i.m. begonnen werden
  • 10 μg/kg Körpergewicht bei Kindern i.m., Start mit 150 μg i.m.
  • die intravenöse Gabe in Verdünnung bleibt der intensiv/-notfallmedizinischen Situation vorbehalten
  • Glukokortikoide und Antihistaminika haben ihren Platz bei leichten (Grad I-)Reaktionen

Hauptprobleme:

  • nur 9 % der Anaphylaktiker erhalten eine Aufforderung zur Allergiediagnostik oder die Rezptierung eines Adrenalin-Autoinjektor
    • Zur Selbstmedikation erhält Notfallpatient ein Notfallset mit Antihistamin, Glukokortikoid- und Adrenalin-Autoinjektor, dessen Handhabung geübt werden muss.
    • Nach erfolgreicher Akuttherapie muss der Patient ausreichend informiert und einer weiterführenden Diagnostik zur Auslöserermittlung zugeführt werden.

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