Hypothermie – Ein Update

Ein Beitrag von PD Dr. Jürgen Knapp, Bern/Schweiz:

  • Eine Hypothermie kann zahlreiche unterschiedliche Ursachen haben: akzidentell (z.B. bei Obdachlosen oder Drogen-abhängigen Patienten) oder durch Unfälle im alpinen Bereich (z.B. Lawinen, Erschöpfung, Blockierung bei Schlechtwetter etc.)
  • Alleine in der Schweiz sind seit 1. Oktober 2017 21 Menschen in Lawinen ums Leben gekommen.
  • In den USA versterben jährlich etwa 1.500 Menschen an Hypothermie (Baumgartner et al. Hypothermia and other cold-related morbidity emergency department visits: United States, 1995-2004. Wilderness Environmental Med 2008;19:233-7).

Gemäß dem Algorithmus der ICAR sollten Lawinen-Opfer unter bestimmten Bedingungen unter Reanimationsbedingungen zur ECLS in ein entsprechend ausgestattetes Zentrum-Spital transportiert werden.

  • Das neurologische Outcome von reanimationspflichtigen Hypothermie-Opfern ist oft exzellent.
  • Allerdings ist der Transport dieser Patient in ein ECLS-Zentrum häufig sehr aufwändig und gerade in alpinen Regionen riskant. Die ECLS-Therapie selbst ist extrem ressourcen- und personalbeanspruchend.
  • Bisher wird v.a. der Serum-Kalium-Wert genutzt, um die Erfolgsaussichten einer ECLS-Therapie abzuschätzen. Dies beruht jedoch auf einer sehr dünnen Evidenz-Basis.
  • Pasquier et al. haben nun den HOPE-Score entwickelt, mit dem die Überlebenswahrscheinlichkeit von Hypothermie-Opfern deutlich besser und mit einer breiteren Evidenzgrundlage abgeschätzt werden kann.
    Pasquier et al. Hypothermia outcome prediction after extracorporeal life support for hypothermic cardiac arrest patients: The HOPE score. Resuscitation 2018;126:58-64.

  • HOPE steht für Hypothermia Outcome Prediction after ECLS
  • Hierzu wurden in einer systematischen Literaturrecherche 237 reanimationspflichtige Hypothermie-Patienten aus 18 Studien identifiziert sowie zusätzlich die Daten von 49 Patienten, aus an der Studie beteiligten Kliniken in Helsinki, Lausanne, Krakau und Sion evaluiert
  • somit basiert der Score auf den Daten von insgesamt 286 Patienten
  • hiervon haben 106 Patienten (37%) überlebt, 84% hiervon mit gutem neurologischem Ergebnis
  • Durch eine logistische Regressionsanalyse konnte so der Score generiert werden, der insgesamt 6 kategoriale bzw. kontinuierliche Variablen enthält, die alle extrem schnell im Schockraum erhoben werden können:
    • Geschlecht
    • Alter
    • Körpertemperatur
    • Serum-Kalium-Spiegel
    • Dauer der CPR
    • Asphyxie ja (Kopf vollständig von Schnee/Wasser bedeckt) oder nein (bei Lawinenunfall: Atemhöhle vorhanden, Hypothermie-bedingter Herz-Kreislaufstillstand, Immersion)
  • der Score berechnet sich nach folgender Formel:
    Score=2.44 − 1.55×männliches Geschlecht −1.95×(Asphyxie bedingter Herz-Kreislauf-Stillstand) − 0.0191×Alter in Jahren − 2.07×log2Kalium-Wert − 0.573×log2 (CPR-Dauer) + 0.937×Körpertemperatur −0.0247×Körpertemperatur²
  • Die Überlebenswahrscheinlichkeit berechnet sich dann nach [escore/(1+escore)]
  • einfacher kann der Score auch unter hypothermiascore.org durch Eingabe der o.g. Variablen berechnet werden
  • die Area under the Curve der Receiver Operating Characterisitc Curve als Maß für die Sensitivität und Spezifität erreicht einen Wert von 0,895 (95%-Konfidenzintervall: 0,859-0,931) und war damit signifikant besser als der Kalium-Wert allein (AUC=0,774, 95%-Konfidenzintervall 0,720-0,828
  • Fazit für die Praxis: auch wenn die externe Validierung dieses Scores noch aussteht, so bietet dieser Score ein wertvolles Hilfsmittel, die Prognose von reanimationspflichtigen Hypothermie-Opfern besser abzuschätzen und somit die Möglichkeit der ECLS zu evaluieren.


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