In einer sehr interessanten Übersichtsarbeit haben Frau Prof. Spitzweg und Kollegen sich dem Thema Schilddrüsennotfälle zugewendet:
Spitzweg C et al. Schilddrüsennotfälle. Thyreotoxische Krise und Myxödemkoma. Internist 2017, online.
Thyreotoxische Krise:
- Letalität der thyreotoxischen Krise: 8-25%
- Cave: Übergang der schwer verlaufenden Hyperthyreose in eine thyreotoxische Krise muss verhindert werden (engmaschige Kontrolle der Hyperthyreose, Risikobewusstsein Auslöser des Übergags von Hyperthyreose zu Thyreotoxischer Krise)
- Symptomatik:
- kardiovaskuläre Beschwerden:
- Tachykardien (Sinustachykardie, Vorhofflimmern, supraventrikuläre Tachyarrhythmien, selten ventrikuläre Tachyarrhythmien) bis hin zum hyperdyname Herzversagen
- hohe Blutdruckapmplitude
- hoher myokardiale Sauerstoffverbrauch: Risiko Myokardinfarkt
- Fieber >40°C
- zentralnervösen Symptome:
- Agitation, Delir, Psychose, myasthenische Muskelschwäche, Stupor bis Koma
- gastrointestinale Beschwerden:
- Übelkeit, Erbrechen, Diarrhoe, Abdominalschmerzen und Ikterus bis hin zum Leberversagen
- kardiovaskuläre Beschwerden:
- Komplikationen:
- thrombembolische Ereignisse
- Sinusvenenthrombose (neurologische Symptome)
- Ursache der Thyreotoxikose:
- lang bestehende bzw. nicht behandelte Hyperthyreose
- ggf. auf dem Boden einer Schilddrüsenautonomie oder eines M. Basedow
- + plus: auslösendes Ereignis: Infekt, chirurgischer Eingriff, Trauma, akute Jodkontamination (z.. CT, Herzkatheter oder Amiodaronsubstitution), Geburt, kardiovaskuläre Ereignisse oder psychische Belastungsreaktion
- ggf. unregelmässige Einnahme oder Absetzen von Thyreostatika
- als Auslöser wird auch ein rascher Anstieg der Schilddrüsenhormone und eine zusätzliche Stressreaktion diskutiert, die eine erhöhte Katecholaminpflichtigkeit der Organe bewirken
- Pathophysiologie:
- erhöhte Expression von ß-Rezeptoren: erhöhte Herzfrequenz, Rhythmusstörungen (tachykardes Vorhofflimmern) + Nachlastsenkung (hyperdynames Herzversagen)
- gesteigerte Expression der Na+-K+-ATPase an der Niere: Na+-Rückresorption mit erhöhtem Blutvolumen, erhöhter systolischer Blutdruck, damit Risiko eines erhöhten Vorlast und Rechtsherzdekompensation
- zentralnervöse ß-adrenerge Wirkung: psychomotorischen Symptome
- Diagnose:
- supprimiertes TSH, erhöhtes fT3 und fT4
- unklares septisches Bild
- myasthenische Muskelschwäche
- hyperdynames Herzversagen
- Fieber
- unklare zentralnervöse Symptome
- Hyperglykämie, milde Hyperkalzämie, Leukozytose/Leukopenie, Transamninasenerhöhung und/oder Cholestaseparameter, eingeschränkte Leberfunktionsstörung
- Hilfreich kann die Burch-Wartofsky Point Scale sein: <25 unwahrscheinlich, 25-45 V.a. drohende thyreotoxische Krise, >45 hochgradig verdächtig auf thyreotoxische Krise
- Therapie:
- intensivmedizinische Betreuung mit kardiopulmonaler und neurologischer Überwachung
- Blockade der Schilddrüsenhormonsynthese und -sekretion
- Thiamazol 20 mg i.v. alle 4–6 h (Hemmung der Schilddrüsenhormonsynthese)
oder: Propylthiouracil Startdosis 500–1000 mg p.o., Erhaltungsdosis 250 mg alle 4 h p.o. - Natriumperchlorat 1200–2000mg/Tag (Hemmung Jodaufnahme in Schilddrüse)
- Lugolsche Lösung (5 %-ige Kaliumjodidlösung) 10 Tropfen p.o. alle 8 h (mindestens 1 h nach Beginn einer Thyreostatikatherapie zur Hemmung der Freisetzung von Schilddrüsenhormonen)
- Colestyramin 4 g alle 8 h (Hemmung enterohepatische Kreislauf)
- Frühzeitige Thyreoidektomie in Erwägung ziehen
- Thiamazol 20 mg i.v. alle 4–6 h (Hemmung der Schilddrüsenhormonsynthese)
- Blockade der Schilddrüsenhormonwirkung
- Propranolol 1 mg/min i.v. bis maximal 10 mg/Tag
oder: Propranolol 60–80 mg p.o. alle 4–6 h (Blockade des adrenergen Stimulus, Hemmung der peripheren Konversion von fT4 zu fT3) - Alternativ: Esmolol 0,5 mg/kg KG Bolus über 2–3min, dann 50–200 μg/kg KG pro min über Infusionspumpe (V.a. bei Patienten mit Asthma bronchiale)
oder: Metoprolol 100–400mg/Tag p.o. - Hydrocortison 300mg Startdosis, Erhaltungsdosis 100 mg alle 8 h (Hemmung der peripheren Konversion von fT4 zu fT3)
- Propranolol 1 mg/min i.v. bis maximal 10 mg/Tag
- supportive intensivmedizinische Maßnahmen
- Hochkalorische parenterale Ernährung
- Kreislauf- und Lungenfunktionsüberwachung
- evtl. frühzeitige Beatmung, v.a. bei beginnenden zentralnervösen Symptomen mit Schluckstörung und Koma und/oder bei Lungenstauung
- Sedierung (Promethazin 2-mal 25 mg oder Benzodiazepine)
- Thromboembolieprophylaxe
- Cave: Unverträglichkeit von Thyreortatika mit Agranulozytose und Hepatotoxizität
Immer Suche und Behandlung der zugrunde liegenden Erkrankung bzw. auslösenden Ursache!
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