Übersicht: Der Ileus…

In einer aktuellen Übersichtsarbeit wurde sich dem Ileus angenommen:

Vilz TO, et al. Ileus beim Erwachsenen – Genese, Diagnostik und Therapie. Dtsch Arztebl Int 2017; 114: 508–18 (PDF)


Hier eine kurze Zusammenfassung:

  • Ileus =  Darmverschluss oder eine Darmlähmung, mit Unterbrechung der Nahrungspassage und Aufstau des Speisebreis
  • Unterscheidung: mechanischen und funktionellen Ileus.
  • Akkumulation von Flüssigkeiten und Gasen mit erhöhtem intraluminalen Druck, Mikrozirkulationsstörungen der Wand und konsekutiv gestörter Mukosabarriere.
  • Folgen sind Flüssigkeitsverschiebungen, eine Durchwanderungsperitonitis und Hypovolämie

A) Mechanischer Ileus:

  • häufige Komplikation nach vorangegangenen Eingriffen, die Lebenszeitprävalenz nach Kolektomien beträgt beispielsweise 11 %.
  • Kompression von außen (Bride, Hernie)
  • Veränderung in der Darmwand (Tumor, Entzündung)
  • Lumenverlegung (Koprostase, Invagination)
  • eingeschränkten (Subileus oder inkompletter Ileus) oder aufgehobenen (komplet-ter Ileus) Nahrungspassage
  •  mechanischen Dünndarmileus (80 %)
    • durch Voroperationen bedingte Briden (65 %)
    • oder Hernien (15 %),
  • mechanischer Dickdarmileus (20 %)
    • in den meisten Fällen: Malignom (70 %)
    • Adhäsionen oder Stenosen nach rezidivierenden Divertikulitiden (bis zu 10 %)
    • seltenere Fälle: Sigmavolvulus (5 %) oder Hernien (2,5 %)

Symptome des Ileus

  • abhängig von der Lokalisation des Passagestopps
  • beim Dünndarmileus:
    • meist akut mit ausgeprägter Symptomatik
    • Übelkeit mit Erbrechen,
    • Krämpfe, aufgetriebenes Abdomen sowie Stuhl- und Windverhalt
    • je proximaler der pathologische Prozess, desto rascher das Erbrechen von unverdauter Nahrung
    • Stuhl- und Windverhalt treten als klassische Ileus-Symptome hingegen teilweise erst Tage später auf
  • beim Dickdarmileus:
    • initial eher symptomarm (Ausnahme Volvulus)
    • geblähtes Abdomen (80 %)
    • Krämpfe (60 %)
    • Stuhl- und Windverhalt (50 %)
    • längere Leidensgeschichte mit Veränderungen der Stuhlgewohnheiten sowie zunehmender Obstipation

Körperliche Untersuchung:

  • in der Frühphase: klassischerweise hochgestellte Darmgeräusche, zunächst kein Peritonismus
  • Spätphase: Paralyse ohne Peristaltik

Laborparameter:

  • kein spezifischer Laborparameter zur Diagnostik des mechanischen Ileus mit begleitender Darmischämie
  • Infektwerte
    • Procalcitonin (PCT) ab einem Wert > 0,57 ng/mL mit einer Wahrscheinlichkeit von 83 % Hinweis auf eine begleitende Darmischämie (< 0,57 ng/mL Ausschluss mit einer Wahrscheinlichkeit von 91 %)
  • Elektrolyte (z.B. Hypokaliämie als Hinweis auf funktionellen Ileus)
  • Retentionsparameter (z.B. Nierenversagen durch Flüssigkeitsverschiebungen)
  • Cholestaseparameter, Transaminasen und Lipase (z.B. Pankreatitis als Ursache für funktionellen Ileus)
  • Gerinnungsanalyse (z.B. Quickwertabfall als Hinweis auf Leberversagen)
  • Blutgasanalyse (pH-Wert und der Laktatwert als Hinweis auf Organminderperfusion)

Bildgebung: 

  • Sonographie
    • freie Flüssigkeit oder einer inkarzerierten Hernie ihren Stellenwert
    • aufgrund des distendierten Abdomens bei Ileus mit Luftüberlagerungen nur eine untergeordnete Rolle
  • Röntgenübersichtsaufnahme des Abdomens:
    • Vorteil bei Durchführung im Stehen oder in Linksseitenlage: kostengünstig und rasche Durchführbarkeit
    • Nachteil: geringe Sensitivität und Spezifität
    • zunächst Leeraufnahme, im Anschluss als Passageuntersuchung mit oraler Gabe von unverdünntem Kontrastmittel (Nebeneffekt: Kontrastierung abführende Wirkung des hypertonen, jodhaltigen Kontrastmittels)
  • Computertomographie des Abdomens
    • mit oraler und intravenöser Kontrastierung: Sensitivität und Spezifität von weit > 90 % bei der Diagnose des mechanischen Ileus (Goldstandard)
    • Vorteil: Schweregradbeurteilung, genaue Lokalisation (Kalibersprung) und der Ursache (inkarzerierte Hernie, Tumor, inflammatorische Veränderungen) sowie Detektion von mögliche Komplikationen (z.B. Ischämie, Perforation)
  • weitere Diagnostik
    • beim Dickdarmileus: zur Diagnostik (maligne vs.  benigne Stenose) als auch zum Bridging (Einlage einer Entlastungssonde oder Stenting einer Stenose)
    • Magnetresonanztomographie: in der Akutdiagnostik bislang keinen Stellenwert, aber als „MR Sellink“ zur Lokalisationsdiagnostik und besseren Therapieplanung (v.a. Diagnostik des Dünndarms)

Behandlung des mechanischen Ileus

  • Initiale Behandlung in der Notaufnahme:
    • Volumensubstitution
    • Ausgleich des Elektrolyt- und Säure-Basen-Haushalts
    • zur gastrointestinalen Dekompression: Anlage einer Magensonde
    • körperliche Untersuchung
    • Anlagesie obligat (Verschleierung der Symtomatik bei CT-Bildgebung nicht mehr gegeben)
    • keine Applikation von Vagolytika (z.B. Buthylscopolamin), wegen Peristaltik-lähmenden Wirkung
    • bei klinischen oder laborchemische Infektzeichen oder Sepsis; Vorgehen gemäss „Surviving Sepsis Campaign“ und frühzeitige Antibiose
    • Diskussion konservativer Therapieversuch möglich oder Indikation zur umgehenden Operation
    • konservativer Therapieversuch:
      • wenn keine absolute Indikation zur Operation (z.B. Strangulation, Ischämie, vollständiger Passagestopp) und keine klinischen Zeichen eines akuten Abdomens ist ein konservativer Therapieversuch gerechtfertigt
      • bei inkomplettem Ileus: Erfolgsrate unter rein supportiver Therapie bei 80 %, Wahrscheinlichkeit für eine Operation mit Darmresektion < 5 %
      • bei einen kompletten Ileus Risiko für eine Darmresektion unter konservativen Maßnahmen auf circa 30 %
    • supportiven Maßnahmen:
      • Flüssigkeitssubstitution
      • Magensonde
      • Nahrungskarenz
      • Applikation von 100 mL wasserlöslichem, jodhaltigen Kontrastmittels über die einliegende Magensonde (z.B. 00 mg/mL Natriumamidotrizoat + 660 mg/mL Megluminamidotrizoat), Sensitivität 96 % und Spezifität 98 % eine erfolgreiche konservative Therapie vorhersagen, wenn KM innerhalb von 24 h das Kolon erreicht hat
      • erhöhten Risiko für eine Darmstrangulation bei
        • Bauchschmerzen über 4 Tage
        • Peritonismus
        • C-reaktives Protein > 75 mg/L
        • Leukozyten > 10 500 μL
        • > 500 mL freie Flüsssigkeit
        • reduzierte Kontrastmittelaufnahme der Darmwand
      • Dünndarmileus meist adhäsionsbedingt und in fast drei Viertel der Fälle konservativ behandelbar
      • Kolonileus meist bei Malignom und in 75 % zeitnahe operativen Therapie

B) Funktioneller Ileus

  • kein lumenobstruierender Prozess als Ursache für die Störung der Nahrungspassage
  • vorwiegend verminderte Kontraktion der glatten Muskulatur der Darmwand
  • Ursachen des paralytischen/funktionellen Ileus:
    • reflektorisch – nach abdominalen oder retroperitonealen Eingriffen (Operationen an der Wirbelsäule) oder bei intraabdominalen oder retroperitonealen Pathologien (Tumor, Blutung, Infekt)
    • Inzidenz nach Kolorektalchirurgie beträgt 17,4 %
    • Postoperativer Ileus: vorübergehender Stillstand der koordinierten Darmperistaltik nach operativen Eingriffen, der eine ausreichende Passage des Darminhaltes und die Toleranz gegenüber oraler Nahrungsaufnahme verhindert
      • Prinzipiell vollständig reversibles Krankheitsbild (aber verlängerter Krankenhausverweildauer mit jährlichen Mehrkosten und hoher sozioökonomische Relevanz)
      • multifaktorielle Ursache
      • meist am 3.-5. postoperativen Tag
      • Symptome: Übelkeit, Erbrechen, Stuhl- und Windverhalt sowie ein distendiertes Abdomen mit spärlicher oder fehlender Peristaltik Laborchemisch häufig keine höhergradigen Auffälligkeiten
      • cave: früh-postoperativen mechanischen Ileus (Torquierung, innere Hernie) oder einen septischen Ileus (Abszess, Peritonitis)
      • „Fast Track“- oder ERAS („enhanced recovery after surgery“)-Konzept
        • multimodales, perioperatives Therapiekonzept,
        • minimalinvasive Chirurgie
        • postoperative Analgesie mittels Periduralkatheter (Sympathikolyse und Einsparung von peristaltikhemmenden Opioiden)
        • postoperative Kauen von Kaugummi zur Stimulation des peristaltik-fördernden und entzündungshemmenden zephalovagalen Reflexes
  • medikamentöse (nach Einnahme von Opioiden, Neuroleptika etc.)
    • beim chronischen Gebrauch: opioidinduzierte Obstipation bzw. opioidinduzierte Ileus
    • Anamnese (Start oder Änderung einer Opoidtherapie) und der klinischen Untersuchung mit rektaler Untersuchung (Stuhlimpaktion)
    • bei laborchemische Infektzeichen weiterführende radiologische Diagnostik
    • Prophylaxe der opioidinduzierten Obstipation steht eindeutig im Vordergrund
      • ballaststoffreiche Kost,
      • ausreichende Flüssigkeitsaufnahme
      • und körperliche Aktivität
      •  Stufenschema der S2k-Leitlinie „Chronische Obstipation bei Erwachsenen“
      • Umstellung des Opioids auf ein Kombinationspräparat (z.B. Oxycodon + Naloxon als peripherer Opioidantagonist mit hohem „First-Pass“-Effekt)
      • oder der zusätzliche Einsatz von peripheren Opioid-Antagonisten (Methylnaltrexon subkutan oder Naloxegol oral)
      • chirurgische Therapie nur in absoluten Ausnahmefällen notwendig
  • metabolische (bei bestehender Hypokaliämie oder Diabetes mellitus) oder
  • vaskuläre (bei vorhandener Minderperfusion)

Bilder: mit freundlichen Genehmigung von Dr. Björn Loewenhardt, Abteilung für Diagnostische und Interventionelle Radiologie, Herz-Jesu-Krankenhaus Fulda.



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