Chameleon „Synkope“: Hoher Anteil Lungenembolie

Manchmal ist es anderes, zweitens als man denkt. Paolo Prandoni und Kollegen aus Italien haben eine sehr interessante Untersuchung zur Prävalenz der Lungenembolie bei Synkopen publiziert:

Prandoni P, et al. Prevalence of Pulmonary Embolism among Patients Hospitalized for Syncope. NEJM 2016; 375: 1524-1531

In der „Pulmonary Embolism in Syncope Italian Trial“ (PESIT)-Studie wurde der Prävalenz der Lungenembolie bei hospitalisierten Patienten nach erstmaliger Synkope nachgegangen. Die Autoren leiteten ihren Artikel damit ein, dass es bisher wenig Daten zu dieser Konstellation gibt und bisherige Abarbeitungsalgorithmen dieser Fragestellung wenig Aufmerksamkeit schenken würden. In der PESIT-Studie wurde Patienten aus 11 italienischen Krankenhäusern, die zur Abklärung einer Synkope aufgenommen wurden, eingeschlossen. Es erfolgte die initiale Bestimmung des modifizierten Wells-Score:

Modifizierte Wells-Score (Link):

  • Klinische Zeichen oder Symptome einer tiefen Beinvenenthrombose 3 Punkte
  • Alternative Diagnose weniger wahrscheinlich als eine Lungenembolie 3 Punkte
  • Herzfrequenz > 100/min 1,5 Punkte
  • Immobilisation oder chirurgischer Eingriff  in den letzten 4 Wochen 1,5 Punkte
  • vorhergehende venöse Thrombembolie 1,5 Punkte
  • Hämoptyse 1,0 Punkt
  • aktive Tumorerkrankung 1,0 Punkt

Beurteilung: ≤4 Punkte Lungenembolie unwahrscheinlich, > 4 Punkte Lungenembolie wahrscheinlich

Eine Lungenembolie wurde mittels niedriger Vortestwahrscheinlichkeit und negativem D-Dimeren ausgeschlossen. Alle anderen Patienten erhielten zum Ausschluss einer Lungenembolie eine Computertomographie oder Ventilations-Perfusions-Szintigraphie.

Die initiale Patientenkohorte umfasste 2584 Patienten (Alter ≥18 Jahre). Die verwendete Definition einer Synkope war eine rasch einsetzender, kurzzeitige Bewusstlosigkeit von <1 Minute Dauer mit spontanem Wiedereintritt des Bewusstseins. Ausgeschlossen wurden Patienten mit Krampfanfall, Schlaganfall, Schädel-Hirn-Trauma, vorangegangenen Synkopen und Schwangerschaft sowie Patienten, die eine Antikoagulation zum Zeitpunkt des Ereignisses erhielten. Von den initial 2584 Patienten wurde 1867 Patienten nicht stationär aufgenommen. Von den verbleibenden 717 Patienten wurde weitere 157 Patienten aufgrund bestehender Antikoagulation oder rezidivierenden Synkopen ausgeschlossen. Damit bestand das letztendlich analysierte Patientenkollektiv aus 560 Patienten.

Von diesen 560 Patienten (Durchschnittsalter: 76 Jahre; Frauen: 60,2%) konnten aufgrund einer niedrigen Prätestwahrscheinlichkeit und negativen D-Dimeren bei 330 (58,9%) eine Lungenembolie ausgeschlossen werden. Bei den verbleibenden 230 Patientsen wurden in 97 Fällen (42,2%) eine Lungenembolie bestätigt. Die Prävalenz einer Lungenembolie lag damit in der gesamten Kohorte bei 17,3% (95% CI: 14,2-20,5). Von den 230 Patienten, die auf eine Lungenembolie untersucht wurden, hatten 58,7% ein erhöhtes D-Dimere (aber keine erhöhte Vortestwahrscheinlichkeit), 1,3% eine alleinige hohe Prätestwahrscheinlichkeit und 40% sowohl ein erhöhtes D-Dimere als auch einen positiven Wells-Score. 42,2% der Patienten mit einem positiven D-Dimere oder einem Wells-Score > 4 Punkte wiesen eine Lungenembolie auf.

Patienten mit dem Nachweis einer Lungenembolie fanden sich im Vergleich zu denjenigen ohne Lungenembolie folgende Befunde:

  • Tachypnoe 45 vs. 7%
  • Tachykardie 33 vs 16%
  • Hypotonie: 36 vs. 23%
  • klinische Zeichen einer TVT 40 vs 5%
  • vorangegangene VTE 20 vs. 10%
  • aktives Tumorleiden 20 vs. 10%

Bei 25% der Patienten fanden sich keine dieser og wegweisenden Befunde. D.h. einer von vier Patienten wies keine Zeichen für eine VTE auf. Die Autoren schlussfolgerten, dass einer von 6 hospitalisierten Patienten (17%) mit einer erstmaligen Synkope eine Lungenembolie als Ursache aufwiese.

Besonders wichtig ist darauf hinzuweisen, dass in dieser Studie keine Aussage über die Prävalenz der 1867 ambulant entlassenen Patienten hinsichtlich einer Lungenembolie getroffen wurde. Dies wäre von besonders großem Interesse gewesen. Die vorliegende Studie zeigt zwei Dinge gleichermassen, eine Lungenembolie liegt häufiger vor und wird häufiger übersehen als erwartet und weist in einem hohen Anteil eben gerade keine typischen wegweisenden Symptome auf.


Eine sehr schöne Aufarbeitung zu diesem Thema wurde von Prof. Uwe Janssens publiziert:

Janssens U. Lungenembolie als Ursache einer Synkope. Intensiv-News 2017; 1: 16-20


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