Intensive Blutdruckeinstellung bei ICB – Vorteilhaft ?

Bildschirmfoto 2016-06-11 um 06.17.34Im New Engl J Med ist eine Originalarbeit zum Vergleich des Effektes der intensive Einstellung der Blutdruckwerte bei intracerebraler Blutung erschienen (ATACH-2 Studie):

Qureshi AI, et al. Intensive Blood-Pressure Lowering in Patients with Acute Cerebral Hemorrhage. NEJM 2016; DOI: 10.1056/NEJMoa1603460

In der randomisierten Untersuchung wurden Patienten mit intracerebraler Blutung mit einem Volumen von < 60 cm3 und einem GCS von ≥5 mit entweder dem Ziel eines systolischen Blutdrucks von 110 bis 139 mmHg (Gruppe1) oder 140 bis 179 mmHg (Gruppe 2) behandelt. Ziel war zu zeigen, ob eine intensivere Blutdrucksenkung bei Patienten mit ICB zu einem besseren Überleben und neurologische Behandlungsergebnis (modifizierte Rankin-Score) führt, wenn das Blutdruckziel binnen 4,5 h nach Symptom erreicht wurde.

Die 1000 Studienpatienten hatten im Mittel bei Einschluss in die Studie einen systolischen Blutdruck von 200±27 mmHg.  500 Patienten wurden dann in Gruppe 1 und 500 Patienten in Gruppe 2 behandelt. Im primären Behandlungsergebnis waren 38,7% der Patienten in Gruppe 1 nach intensiver Therapie (RR sys: 110-139 mmHg) im Vergleich zu 37,7% der Patienten in Gruppe 2 (140-179 mm Hg) tot oder schwer behindert (RR: 1,04; 95% Konfidenzinterval: 0,85-1,27) Damit fand sich kein statistisch signifikanter Unterschied zwischen beiden Gruppen. Schwere Komplikationen innerhalb von 72 h nach Behandlungsbeginn waren in beiden Gruppen mit 1,6 vs. 1,2% auch vergleichbar. Jedoch fanden sich eine höhere Rate an Virenversagen binnen 7 Tagen in der Gruppe mit intensiver Blutdrucksenkung (9,0 vs. 4,0%, p=0,002).

Die Autoren des NEJM-Papers kommen hierbei zu dem Schluss, dass eine intensivere Blutdrucksenkung (110-139 mmHg) hinsichtlich Tod und Behinderung keinen Vorteil im Vergleich zu einer moderaten Blutdrucksenkung (140-179 mmHg) erbringt.

Kurz ein paar Kritikpunkte: Die Studie war konzipiert um eine 10% Differenz im Outcome zwischen beiden Studienarmen zu erkennen. Die festgestellte Differenz von 1% liegt also weit darunter, damit muss die Studie als „underpowert“ angesehen werden. Das Behandlungsergebnis mit „lediglich“ 37,7%“ Todesfälle und schwere neurologischer Schaden liegt weit unter der angenommen Rate von 60%, so das ggf. eine Positivselektion stattgefunden hat. Die Studie ist excellent angelegt und zeigt wieder einmal, wie es trotz viel Kraft und Aufwandes dennoch schwierig sein kann, bisher angenommene Therapiestrategien im randomisierten und kontrollierten Studiendesign nachzuweisen.


Bild: mit freundlichen Genehmigung von Dr. Peter Voigt, Klinik und Poliklinik für Diagnostische und Interventionelle Radiologie, Universitätsklinikum Leipzig.

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