OcEAN: Erstmalig Daten zum Atemwegsmanagement in der Notaufnahme

Erstmalig Daten zum Atemwegsmanagement aus einer deutschen Zentralen Notaufnahme:

Die OcEAN-Studie:

Bernhard M, Bax SN, et al. Airway Management in the Emergency Department (The OcEAN-Study) – a prospective single centre observational cohort study. Scand J Trauma Resusc Emerg Med 2019; 27:20 (PDF) Link

Bisher bestehen kaum Daten zum frühen innenklinischen Atemwegsmanagement (s. Post Atemwegsregister in der Notfallmedizin). Während in viele anderen Teilen der Welt systematische Atemwegsregister bestehen, fehlen diese im deutschsprachigen Raum bisher vollständig.

Vor diesem Hintergrund wurden am Universitätsklinikum Leipzig über ein Jahr das prähospital bereits durchgeführte und das innerklinische erfolgende Atemwegsmanagement bei kritisch kranken nicht-traumatologischen Schockraumpatienten in einer prospektiven monozentrischen Studie evaluiert.

Während der einjährigen Studienphase wurden 34.303 Patienten in der Zentralen Notaufnahme behandelt, von denen 21.074 wegen eines nicht-traumatologischen Notfalls versorgt wurden. 532 dieser Patienten wiesen eine lebensbedrohliche Situation mit einer Schockraumindikation auf.

  • 150 dieser 532 Patienten (28,2%) hatten ein prähospitales Atemwegsmanagement erhalten.
    • In 16 Fällen (11%) musste der inserierte Atemweg innerklinische auf einen Endotrachealtubus gewechselt werden (in 2 Fällen bei einer unbemerkten ösphagealen Intubation und in 15 Fällen aufgrund eines einliegenden Larnyxtubus).
    • 9,3% der im Schockraum aufgenommenen Patienten hatten prähospital einen Larynxtubus inseriert bekommen.
    • 57% der Beatmungen mittels Larynxtubus wurden als insuffizient bewertet.
    • nur 83% der prähospital mit einem Atemweg versorgten Patienten hatten eine Kapnographie erhalten
  • 136 (26%) der kritisch kranken Patienten (die kein prähospitales Atemwegsmanagemet erhalten hatten) erhielten eine Atemwegssicherung direkt nach Aufnahme während der innenklinischen Schockraumversorgung (davon 2 mittels Einlage eines Endotrachealtubus in ein vorbestellendes chirurgisches Tracheostoma)
    • First-Pass Intubation Success (FPS) = 71%
    • Overall-Pass Intubation Success (Gesamterfolgsrate der Atemwegssicherung) = 100%.
    • multiple Intubationsversuche = 29%
    • Ein niedriger Cormack/Lehane (C/L) Grade war mit weniger Intubationsversuchen (C/L1/2 vs. 3/4: 1,2±0,5 vs. 1,8±1,2, p=0,0002) assoziiert.
    • FPS pro C/L Grad: C/L 1: 80%, C/L2: 78%, C/L3: 57%, C/L: 25%
    • Die Komplikationsrate betrug 43%.
      • Hypotension: 20%
      • Desaturierung: 9%
      • Aspiration: 3%
      • endobronchiale Intubation: 1,6%
      • Herzkreislaufstillstand: 3,1%
    • Vergleich direkt Laryngoskopie (n=94) vs. Videolaryngoskopie (CMAC, Storz, Macintosh-like blade, n=40):
      • benötigte Intubationsversuche = 1,2±0,5 vs. 1,2±0,4, p=0,887
      • C/L 1/2 = 81 vs. 74%, p=0,334

Abb.1: Intubationsbedingungen und Cormack/Lehane Grad und die assoziierte Anzahl an benötigten Intubationsversuche bei 136 kritisch kranken nicht-traumatologischen Schockraumpatiennten aus der OcEAN-Studie.
  • Prähospital und innenklinisch sollte immer eine Kapnnographie Anwendung finden.
  • Weitere Anstrengungen sind zu unternehmen um einen noch höheren First-Pass Intubation Success zu erreichen (Zielwert mindestens 84% (s. Park L, Zeng I, Brainard A. Systematic review and meta-analysis of first-pass success rate in emergency department intubation: creating a benchmark for emergency airway care. Emerg Med Austral. 2017;29:40–48)
  • Obwohl die Videolaryngoskopie mit keiner besseren Einstellbarkeit der Stimmbandebene und keiner niedrigeren Anzahl an Intubationsversuche assoziiert war, war die Videolaryngoskopie ein wichtiges Hilfsmittel. Möglicherweise hat die Lernkurve von in der Videolaryngoskopie nicht so erfahrenen Kolleginnen und Kollegen mit diesem Ergebnis zu tun.

Die OcEAN-Studie zeigt erstmalig entsprechende Atemwegsmanagementergebnisse aus einer deutschen Zentralen Notaufnahme. Lesen Sie die weiteren Details in der im Scandinavian Journal of Trauma, Resuscitation and Emergency Medicine publizierten Studie (Link Open Access).

6 thoughts on “OcEAN: Erstmalig Daten zum Atemwegsmanagement in der Notaufnahme

  1. Schön gemacht und mutig (das meine ich positiv), das zu veröffentlichen. Dürfte ein realistisches Bild eines Maximalversorgers darstellen.

    Bei genauer Betrachtung sind die Zahlen schlimm. First pass success ist das Eine, schlimmer finde ich aber 3% Kreislaufstillstand im Rahmen der Intubation – in unserer internistischen Notaufnahme dürfte diese Zahl noch höher gelgen haben. Das darf nicht passieren! Andererseits halte ich es für unrealistisch, dass „Nicht-regelmäßig-Intubierer“ den Kopf hinreichend frei haben, um sich während der Intubation um Kreislaufmanagement zu kümmern.

    Folgende Lösungsansätze sehe ich:
    – Standardkonzepte (Checklisten, Medikamentenauswahl, Relaxierung, Monitoring, Noradrenalinperfusor läuft immer mit etc.)
    – Teamtrainings (einer kümmert sich um A und B, einer um C…)
    – Intubation = Anästhesie-Notfallkonsil, gerne mit der Bitte um Backup (ich nehme Niemandem etwas weg, ich teache gerne, das setzt aber voraus, dass ich nicht erst gerufen werde, wenn schon die PEA eingetreten ist)

    Bei uns läuft zumindest Punkt 3 mittlerweile sehr gut und wir (Anästhesie) werden sehr frühzeitig hinzugezogen, sicher auch, weil die Kollegen glaube ich mittlerweile sehen, dass wir nicht als neunmalkluge Allesselbermacher ankommen.

    Wie ist es in anderen großen und kleinen Häusern?

    1. Zunächst einmal herzlichen Dank für die Rückmeldung. Ganz so schlecht sind die Zahlen gar nicht. Anders ausgedrückt es gibt bisher noch gar keine anderen Zahlen an denen wir uns „messen“ (modern: benchmarken“ könnten. Der FPS ist einfach erklärt: Da wir ein didaktisches Konzept haben, wird der erste Intubationsversuch häufig durch Assistenten übernommen, daher kommt der FPS bei der direkten Laryngoskopie und der Videolaryngoskopie so schlecht weg. Vergleicht man dies mit den FPS der „übernehmenden Kollegen“ also der Oberärzte der Zentralen Notaufnahme so sehen wir einen sehr hohen FPS von > 88% und damit deutlich besser als die Landmakr angäbe von Park et al. Dies ist auch der Grund warum die Videolaryngoskopie in unserem Setting keinen Vorteil gegenüber der direkten Laryngoskopie erbringt: Aber auch das Training in der Notfallmedizin muss erfolgen. Korrekt ist auch das Thema neben der grob mechanischen Handlung der „endotrachealen Intubation“ das Kreislaufmanagement beizubehalten, daher präferieren wir ja das konservative Schockraummanagement. Also insgesamt ein erster Schritt um tatsächlich Daten zu diesem Prozess in Deutschland zu erhalten, wir können nur ermutigen, dass auch andere Kliniken und Notaufnahme ihre Prozesse nachhalten, evaluieren und publizieren. Also OcEAn voran und weitere Atemwegsregisterdaten rekrutieren.

      1. P.S: Zum Thema Kreislaufstillstand, dies liegt an den „kritische kranken“ Patienten und ist tatsächlich vergleichbar bzw. deutlich niedriger als in anderen Publikationen. Der Patient „auf Kante“, der gerade noch der Notaufnahme zugeführt wird, hat ein entsprechend hohes Risiko durch eine sympthomimetische Blockade durch eine Notfallnarkose in einer bereits vorbestellende Kreislaufinsuffizienz noch weiter zu deterioieren. Natürlich muss dies vermieden werden, aber leider ist dies nicht in jedem Einzelfall trotz aller Massnnahmen möglich. Wir haben daher in unser Konzept bereist vor Narkoseeinleitung die Anlage einer invasiven Druckmessung etabliert.

        1. Toll, dass die Autoren auch hier aktiv sind 🙂 Ich finde es wirklich super, diese Daten so zu veröffentlichen. Bislang bewegten wir uns ja eher zwischen „bei uns ist noch nie was passiert“ und „Aspiration ist doch normal“. Nein, ich halte diese Zahlen keineswegs für „schlecht“, sie sind besser als ich geschätzt hätte – aber dennoch würde mein Chef mir ganz zurecht den Kopf abreißen, wenn 3 % meiner kritisch kranken Patienten im OP bei der Narkoseeinleitung einen Kreislaufstillstand erleiden würden.

          Mich würde interessieren, welche Maßnahmen zur Verbesserung der Atemwegssicherung Sie und andere in Ihren Bereichen implementiert haben und welche davon Sie als besonders effektiv erachten. (Bei uns im Haus ist mit Sicherheit der Abbau von „Berührungsängsten“ zwischen Anästhesie und Inneren Kliniken einer der Hauptfortschritte. Ein pauschales Bestehen auf einer invasiven Druckmessung würde ich jetzt persönlich gar nicht als erstrebenswert erachten, ein aktives Abwägen hingegen schon)

      2. Für mich ist die entscheidende Frage hinter dem genannten didaktischen Konzept, inwieweit vorher trainiert wird. Natürlich müssen auch junge Mediziner in Notfallsituationen ausgebildet werden. Dies sollte mEn aber erst erfolgen, wenn eine hohe Zahl von Standardintubationen im OP und entsprechenden Teamtrainings durchgeführt wurden.

        Notgedrungen sind Patienten in der Medizin immer auch „Trainingsobjekte“. Das ist ein Problem, weil wir ihnen ja die bestmögliche Versorgung angedeihen lassen wollen. Diesen Konflikt, also Patienten eben nicht auf Trainingsobjekte zu reduzieren, können wir nur mit maximaler Risikominimierung auflösen.

  2. Hallo Philip,
    um so mehr zeigt dies, dass wir ein Airway-Register für die Notfallmedizin benötigen!
    Meiner Meinung nach sollte die 2019 nicht mehr wie konventionelle Register aufgebaut sein: es sollte sich elektronisch aus der Routineversorgung die Daten „ziehen“, wie dies beim http://www.NotaufnahmeRegister.de der Fall ist. Denn wenn Du im Studienprotokoll Hypotonie oder Hypoxämie als Komplikation ankreuzen musst, ergeben sich sicherlich andere Daten, als wenn die automatisch vom Montior übertragenen Vitaldaten vor und nach dem Zeitstempel der Intubation herangezogen werden. Es könnte sein, dass wir dann im Benchmark auch signifikante Unterschiede in den Versorgungsstufen feststellen können.

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