Präklinische Analgesie durch Notfallsanitäter*innen mit Nalbuphin ist sicher und effektiv

Ein Gastbeitrag von PD Dr. Gerrit Jansen, Minden:

Die optimale präklinische Analgesie durch Notfallsanitäter*innen ist nicht zuletzt auf Grund der aktuellen Gesetzesänderungen des Betäubungsmittel- sowie Notfallsanitäter*innengesetzes Gegenstand zahlreicher Diskussionen. Während Befürworter durch die Gesetzesänderungen eine verbesserte Patient*innenversorgung sowie eine steigende Verfügbarkeit der Ressource Notarzt*in anführen befürchten Kritiker*innen eine erhöhte Rate relevante Komplikationen beider Applikation hoch-potenter Opioide. Da Nalbuphin als µ-Rezeptor-Antagonist und Kappa-Agonist nicht unterdas Betäubungsmittelgesetz fällt wurde es in den letzten Jahren zunehmend in der präklinischen Notfallmedizin durch Notfallsanitäter*innen eingesetzt. Bislang fehlten jedoch Daten zur Sicherheit und Effektivität einer präklinischen Analgesie unter Einbeziehung von Nalbuphin. Strickmann et al untersuchten diese Fragestellung in einer retrospektiven Observationsstudie anhand von 1.931 Analgesien durch Notfallsanitäter*innen.

Strickmann B, Deicke M, Hoyer A, Kobiella A, Jansen G. Effectiveness and safety of prehospital analgesia including nalbuphine and paracetamol by paramedics: an observational study. Minerva Anestesiol. 2023 Dec;89(12):1105-1114. doi: 10.23736/S0375-9393.23.17537-7. PMID: 38019174.

Methodik:

  • Retrospektive Observationsstudie im Rettungsdienst des Kreises Gütersloh zwischen 01.01.2020-30.06.2022.
  • Einschluss von präklinischen Analgesien bei Patient*innen ≥ 18 Jahre mit therapie-bedürftigen Schmerzen, definiert anhand der Nummerischen-Rating-Skala (NRS) ≥4 und der Applikation von Analgetika gemäß einer vordefinierten Standard-Operating-Procedure.
  • Zu den eingesetzten Analgetika gehörten Nalbuphin und/oder Paracetamol, Butylscopolamin bei Bauchkoliken und Esketamin bei Versagen der anderen Analgetika.
  • Primärer Endpunkt: NRS am Einsatzende der Operation.
  • Sekundäre Endpunkte: Geschlecht, Schmerzursache, verwendete Analgetika, NRS am Einsatzbeginn und analgetika-assoziierte Komplikationen.

Ergebnisse:

  • Auswertung von 1.931 Notfalleinsätzen (weiblich: n=1.039(53,8%)) mit behandlungsbedürftigen Schmerzen (nicht-traumatische Ursache: n=1.106(57,3%); initiale NRS: 8,0±1,4).
  • Eingesetzte Analgetika: Nalbuphin+Paracetamol (50,6%), Paracetamol (38,7%), Butylscopolamin (13,4%), Nalbuphin mono (7,7%) und Esketamin (4,9%).
  • Durchschnittliche Schmerzreduktion: 4,3±2,3 (Nalbuphin+Paracetamol: 5,0±2,1; Nalbuphin: 4,7±2,3) bzw. Paracetamol: 3,3±2,2.
  • Faktoren, mit Einfluss auf eine NRS-Veränderung:
    • Traumatische Schmerzursache (Regressionskoeffizient: -0,308, CI95: -0,496–0,119, p=.0014)
    • Therapie mit Nalbuphin mono (Regressionskoeffizient: 0.684, CI95:0.0774-1.291, p=.03)
  • Therapie mit Nalbuphin+Paracetamol: Regressionskoeffizient: 0.763, CI95:0.227-1.299, p=.005).
  • NRS am Einsatzende: ≤4: 49,7 %; NRS 4-5: 34,3 %; NRS ≥6: 16,0 %.
  • Faktoren, mit Einfluss auf eine NRS-Reduktion ≤4 am Einsatzende:
    • Trauma: Odds ratio: 0.788, CI95: 0.649-0.957, p=0.02
    • Initiale NRS: Odds ratios: 0.754, CI95: 0.700-0.812, p<.0001.
  • Analgetika-assoziierte Komplikationen wurden nicht beobachtet.

Interpretation:

Eine präklinische Analgesie durch Notfallsanitäter*innen mit Nalbuphin als Monotherapie oder in Kombination mit Paracetamol ermöglicht eine suffiziente Analgesie ohne das Auftreten von Komplikationen. Zukünftige Konzepte zur präklinischen Analgesie durch Notfallsanitäter*innen sollten diese Ergebnisse berücksichtigen.

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