Skiunfälle – Teil 2

Ein Beitrag von PD Dr. Jürgen Knapp, Bern/Schweiz: 

Eine Untersuchung aus Kanada untersuchte, ob durch den Zurückbau von Snowparks in den Skigebieten die Verletzungsschwere von Skifahrern und Snowboardern reduziert wird.

Audit O et al. The association between removing and reintroducing man-made jumps in terrain parks and severe alpine skiing and snowboarding injuries. J Sci Med Sport 2020, https://doi.org/10.1016/j.jsams.2020.08.002

Die Studie kurz zusammengefasst:

Methodik:

  • der Bundesstaat Quebec in Kanada hatte im Untersuchungszeitraum durchschnittlich 78 Skigebiete mit 6-7 Millionen Besuchern pro Jahr
  • zur Skisaison 2007/2008 haben 2 im Rahmen einer Sicherheits- und Unfallpräventionsmaßnahme alle künstlich angelegten Snowparks zurückgebaut, eines dieser Skigebiete hat zur Saison 2013/14 wieder Snowparks eröffnet
  • dies ermöglichte eine quasi-experimentelle Studie mit der Möglichkeit, die Verletzungsschwere der Skifahrer und Snowboarder in den verschiedenen Phasen (PRE: Verletzungsschwere im Snowpark vor der Intervention, INT: Verletzungsschwere in diesem Skigebiet während der Intervention, also ohne Snowpark, und POST: nach Wiedereinführung der Snowparks) zu vergleichen
  • ebenso wurde die Verletzungsschwere der Skifahrer und Snowboardfahrer auf den normalen Pisten zu den verschiedenen Zeitphasen betrachtet.
  • die Daten wurde über die Protokolle der Pistenpatrolleure erhoben
  • eine Verletzung wurde als „schwer“ betrachtet, wenn sie vom Pistenpatrolleur als solche klassifiziert wurde oder eine Hospitalisation notwendig war
  • in der PRE-Gruppe wurden die Patienten der Saisons 2000/01 bis 2006/07 zusammengefasst, in der INT-Gruppe 2007/08 bis 2012/13 und in der POST-Gruppe: 2013/14 bis 2016/17
  • da die Verletzungsschwere von zahlreichen Faktoren abhängig ist, war eine logistische Regressionsanalyse notwendig. Als beeinflussende Faktoren wurden berücksichtigt: Alter, Geschlecht, Tragen eines Helms, Art der Aktivität (Ski/Snowboard) und fahrerisches Niveau (dieses wird auf den Protokollen der Patrolleure routinemäßig erhoben, zur amerikanischen Klassifikation siehe z.B.: https://www.liveabout.com/skiing-ability-levels-3007976)

Ergebnisse:

  • insgesamt 174.181 Verletzte mit vollständig ausgefüllten Protokollen der Patrolleure, 20,2% davon schwer
  • 27126 Verletzte in Snowparks, 23,7% davon schwer
  • 19808 Verletzt in Snowparks in Skigebieten, die ihre Snowparks vorübergehend abgebaut haben, 11,4% aller Verletzten
angepasste odds ratio (aOR) für schwere Verletzungen… aOR (95%-Konfidenzintervall)
…in Snowparks vor Schließung (PRE) 1,05 (0,85-1,30)
…ohne Snowpark während INT 1 (Referenz)
…in Snowparks POST 1,76 (1,24-2,51)
 
…in Snowparks vor der Schließung (PRE) 1,39 (1,03-1,85)
…in Snowparks in den ersten 3 Saisons der Schließung 1 (Referenz)
 
…auf normalen Pisten PRE 0,85 (0,77-0,95)
…auf normalen Pisten während INT 1
…auf normalen Pisten POST 1,29 (1,14-1,46)

Fazit:

Ein Effekt auf den Anteil der schweren Verletzungen bei Ski-/Snowboardunfällen durch die Schließung von Snowparks scheint es nur in den ersten paar Jahren zu geben. Hier sinkt das odds ratio. Über den gesamten Zeitraum der Schließung berechnet zeigt sich schon kein Effekt mehr. Die Wiedereröffnung der Snowparks hatte dann eine Art „rebound-Effekt“ zur Folge: das Risiko für schwere Verletzungen stieg deutlich an. Übe die entsprechenden Zeiträume stieg auch auf normalen Pisten das Risiko, bei einem Unfall schwere Verletzungen zu erleiden, signifikant an.

Ähnlich wie in der zuvor dargestellten Studie zum Tragen eines Helms beim Ski- bzw. Snowboardfahren scheint es also auch hinsichtlich der Schließung von Snowparks einen Risikokompensationsmechanismus zu geben, so dass der initiale Effekt im Verlauf von wenigen Jahren schon wieder verschwindet. Das „ungeschickteste“ Konzept scheint jedenfalls eine Schließung und spätere Wiedereröffnung zu sein, dadurch verdoppelt sich fast das Risiko einer schweren Verletzung bei einem Sturz. Insgesamt steigt gemäß den Ergebnissen dieser Untersuchung aus Kanada das Risiko, bei einem Unfall eine schwere Verletzung zu erleiden, auch außerhalb von Snowparks in den letzten Jahrzehnten signifikant an.

Damit wünschen wir eine gute unfall- und Corona-freie bzw. nicht zu arbeitsreiche Skisaison! Bleiben Sie gesund, sowohl chirurgisch als auch medizinisch!

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