Neue ESC-Guideline für den STEMI

Ein Beitrag von PD Dr. Jürgen Knapp, Bern/Schweiz:

Was bieten die neuen ESC-Guidelines Neues für die prähospitale Versorgung von STEMI-Patienten?

„Killing your darlings“…von der früher üblichen Therapie Nitro-Spray, Sauerstoff, ASS und Morpin ist nicht mehr viel übrig.

The Task Force for the management of acute myocardial infarction in patients presenting with ST-segment elevation of the European Society of Cardiology (ESC): 2017 ESC Guidelines for themanagement of acutemyocardial infarction in patients presenting with ST-segment elevation. Eur Heart J 2017


  • keine routinemäßige Gabe von Sauerstoff, nur bei einer SaO2 von <90% indiziert (AVOID und DETO2X Trials).
  • keine routinemäßige Schmerztherapie mit Morphin

Begründung: Morphin führt zu einer verzögerten Aufnahme der oral verabreichten P2Y12-Inhibitoren.

  • Bei Patienten, bei denen weniger der Thoraxschmerz im Vordergrund steht, sondern die Aufregung und Angst und eine damit verbundene Sympathikusaktivierung und Vasokonstriktion, sollten Benzodiazepine verabreicht werden.
  • auch keine routinemäßige Einsatz von Nitroglyzerin bei STEMI-Patienten (kein Nutzen hinsichtlich Mortalität in der ISIS-4 Studie)
  • möglichst frühzeitige Gabe eines β-Blockers bei hämodynamisch stabilen STEMI Patienten (Klasse IIa). CAVE: Vorsichtig und langsam dosieren. Bei beginnendem kardiogenen Schock, der klinisch noch nicht erkennbar ist, fatale Folgen möglich.
  • 75-250 mg ASS i.v., oft sieht man immer noch die „alten 500 mg“
  • Für die prähospitale Gabe von P2Y12-Hemmern gibt es nach wie vor keine Evidenz. Dennoch empfehlen die Guidelines die möglichst frühe Gabe von Ticagrelor (Brilique®) 180mg oder Prasugrel 60mg (Klasse I Empfehlung).

Anmerkung: Clopidogrel (Plavix®) nur bei elektiver Koronarangiografie oder bei Notfallpatienten mit vorbestehender oraler Antikoagulation (z.B. Marcumar oder NOAK).

  • Heparine: Heparin, 70-100 IU/kg (Klasse I) oder Enoxaparin 0.5mg/kg (Klasse IIa), bei Patienten mit HIT Bivalirudin.
  • Statine: Atorvastatin 80 mg als loading dosis möglichst frühzeitg, aber prähospital bisher nicht untersucht

Links:

8 thoughts on “Neue ESC-Guideline für den STEMI

  1. Bin mit keine „routinemäßige Schmerztherapie mit Morphin“ nicht ganz einverstanden:

    Relief of pain is of paramount importance, not only for comfort reasons
    but because the pain is associated with sympathetic activation,
    which causes vasoconstriction and increases the workload of the
    heart. Titrated intravenous (i.v.) opioids (e.g. morphine) are the analgesics
    most commonly used in this context. However, morphine use
    is associated with a slower uptake, delayed onset of action, and
    diminished effects of oral antiplatelet agents (i.e. clopidogrel, ticagrelor,
    and prasugrel), which may lead to early treatment failure in susceptible
    individuals.61–63
    Es ist immernoch Class IIa Empfehlung. (Besser geht fast nicht)

    Lg Robert

    1. Lieber Robert,

      vielen Dank für Deine Anmerkung. Die Betonung in diesem Satz liegt sicher auf „ROUTINEMÄSSIG“ und daher ist der Satz möglicherweise nicht ganz eindeutig zu verstehen. Für einen Patienten mit starken Schmerzen ist selbstverständlich Morphin indiziert (Klasse IIa). Allerdings bietet Morphin – wenn der Patienten „nur“ über ein thorakales Druckgefühl klagt, um den Patienten zu sedieren, den Patienten vom Stress und der psychischen Belastung abzuschirmen oder „die Vorlast zu reduzieren“ –möglicherweise mehr Nach- als Vorteile. Daher sollte man von der „standardmäßigen“ Gabe (häufig wird Morphin ja in einem Atemzug mit ASS und Heparin genannt) absehen und wirklich nur bei starken Schmerzen eingesetzt werden.

      Herzliche Grüße

      Jürgen Knapp

  2. Hallo! Woher nehmen Sie die verloren gegangene Empfehlung für Nitro? Es gab im Vergleich zu 2012 keine neue Empfehlung, nur der Hinweis es nicht als Diagnosewerkzeug zu nutzen. Die ISIS-4 Studie ist 1995 publiziert worden. Inwiefern ist das also was neues? Im Übrigen sieht sie zwar keine Verbesserung der 1-Monats Mortalitätsrate, aber bestätigt den Einsatz von Nitraten in der Akuttherapie durch eine verbessertes 1-Tag-Überleben. Ich lese den Verweis zum Nitro insbesondere im deutschen Raum häufig, aber ich finde nicht den konkreten Teil in der Leitlinie. Ausländische, insbesondere englischsprachige Plattformen fassen die Neuerungen ohne eine Erwähnung von Nitro zusammen. Und das obwohl besagte Zeilen zur nicht empfohlenen Nutzung zur Diagnostik einer AP nur in der englischsprachigen, und nicht in der deutschsprachigen Version der Leitlinie Erwähnung findet.
    Habe ich etwas überlesen (durchaus möglich)? Oder einen Kommentar zur Leitlinie nicht entdeckt? Ich würde mich freuen, wenn ich eine Antwort finde woher diese Nitroabwertung rührt.
    Mit kollegialem Gruß

    Ludwig Grünert

    1. Habe die Zeile letztlich tatsächlich gefunden. Der plötzliche Bezug auf eine Studie aus 1995 ist für mich dennoch komisch, insbesondere, da diese für die Akutsituation tatsächlich eine Empfehlung für die Nitrogabe ausspricht.
      MfG

      1. Ein letzter Nachtrag: Der Textbaustein zu Nitraten ist fast exakt der selbe wie in der STEMI Leitlinie von 2012. Also keine Neuerung. Die Leitlinie 2017 zeigt ja auch keine Neuerung diesbezüglich an (außer der Zusatz mit der AP Diagnostik). Wieso wird das trotzdem so häufig im Netz publiziert?

        MfG

        1. Lieber Herr Grünert!
          Vielen Dank für Ihre Kommentare und Ergänzungen.
          Zum Thema Sauerstoff beim STEMI: Sie habe vollkommen Recht, Sauerstoff an sich ist selbstverständlich nicht toxisch. Dies wird im Artikel auch nicht postuliert. Dennoch ist in den aktuellen STEMI-Guidelines ein ganz wichtiger Punkt, dass additiver Sauerstoff nur bei einer arteriellen Sauerstoffsättigung von 90% appliziert werden sollte.
          Zum Thema Nitroglycerin beim STEMI: Auch hier habe Sie Recht mit dem Hinweis, dass diese Empfehlung nichts ganz Neues ist in den Leitlinien von 2017. Aber wie auch Sie festgestellt haben, scheint diese Empfehlung gegen den routinemäßigen (!) Einsatz erst jetzt so langsam in der Breite bekannt zu werden und wird deswegen auch so oft erwähnt und diskutiert. Deshalb haben wir diesen Punkt nochmals explizit hier erwähnt. In der Akutsituation beim hypertensiven Patienten kann natürlich (nach Ausschluss eines Hinterwandinfarkts, eines rechtsventrikulären Infarkts sowie einer relevanten Aortenstenose) die Gabe von Nitroglycerin sinnvoll und indiziert sein.
          Ähnlich wie beim Morphin möchten wir mit diesem Blog-Beitrag betonen, dass das routinemäßige Abarbeiten des alten „MONA-Schemas“ der Vergangenheit angehört und beim STEMI eine differenzierte, individuelle und abwägende Therapie nach sorgfältiger Diagnose des Patienten notwendig ist.
          Mit freundlichen Grüßen

          Jürgen Knapp

  3. Nachtrag: Der Hinweis zu der DETO2X Studie ist etwas irreführend, da diese Studie eigentlich als Fazit hat, das O2 gar nicht toxisch sei wie in der AVOID Studie dargestellt. Oder verstehe ich da auch etwas falsch?

    MfG,
    Ludwig Grünert

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