Schockraumindikationskriterien: Revisite

Schockraum CT
Foto: S. Thierbach

Ein Beitrag von Dr. Ulf Harding (Wolfsburg).

 

Vor 12 Jahren wurde das Weißbuch der Schwerverletztenversorgung durch die DGU erstmalig veröffentlicht. Mittlerweile ist eine flächendeckende Vorhaltung von Schockräumen mit festgelegter materieller und personeller Ausstattung vorhanden und die Kliniken sind in Netzwerken organisiert.

Die Indikation zur Aufnahme eines Patienten über den Schockraum folgt einem Katalog an Kriterien, die Bestandteil der S3-Leitlinie Polytrauma/Schwerverletzten-Behandlung sind.

Diese Kriterien können zu einer Über- oder Untertriage führen. In einem Beitrag für die Zeitschrift „Der Unfallchirurg“ setzen sich D. Bieler und Kollegen mit diesen Kriterien auseinander und suchen nach Möglichkeiten der Anpassung.

Bieler D et al. Optimierung der Kriterien zur Schockraumalarmierung. Vermeidung von Über- und Untertriage. Unfallchirurg 2018; 121:788–793. https://doi.org/10.1007/s00113-018-0553-0

Die aktuell verwendeten Kriterien zur Schockraumalarmierung sind nicht an unser Rettungsdienstsystem angepasst und basieren nicht auf Daten aus Deutschland. Eine Untertriage birgt ein unmittelbares Risiko für den Patienten, für den die notwendigen Ressourcen nicht (zeitgerecht) bereitstehen. Eine Übertriage hingegen führt zur Belastung von ohnehin knappen Ressourcen und kann in der Folge, z.B. bei begrenzter Personaldichte im Nachtdienst, eine Minderversorgung anderer Patienten bedeuten. Diese Faktoren haben dazu beigetragen, daß die Alarmierungskriterien zunehmend hinterfragt werden und an einigen Stellen bereits davon abgewichen wird.

Zur Vermeidung einer unkontrollierten Entwicklung bei der Modifikation der Alarmierungskriterien haben die Autoren zunächst mit einer Expertengruppe mittels Delphi-Verfahren und Konsensus-Konferenzen aus primär 95 Kriterien 20 identifiziert, die für die Alarmierung des Schockraumes geeignet scheinen. Eine Überprüfung von 15 dieser 20 Kriterien an Hand von 75.613 Patienten des TraumaRegisters DGU zeigte, daß fast alle Verstorbenen erfasst werden konnten. Die Autoren gehen davon aus, daß kritisch Kranke anhand dieser Kriterien mit hoher Sicherheit identifiziert werden können.

Eine Post-hoc-Analyse anhand eines Registers, wie sie hier durchgeführt wurde, ist jedoch nicht geeignet, die Alarmierungskriterien zu überprüfen. Hinzu kommt, daß nicht alle Alarmierungskriterien der S3-Leitlinie auch im TraumaRegister erfasst werden. Deshalb ist eine prospektive Studie an 12 Kliniken geplant. Für einen Zeitraum von drei Monaten sollen alle Patienten erfasst werden, die nach Trauma durch den Rettungsdienst in die Notfallaufnahme gebracht werden.

Es sollen folgende Punkte untersucht werden:

  • Übertriage: Wie viele Patienten kommen in den Schockraum, ohne daß es erforderlich gewesen wäre
  • Untertriage: Wie viele Patienten, die eine Schockraumbehandlung erfordert hätten, wurden primär nicht hierüber aufgenommen
  • Evaluierung der Alarmierungskriterien
  • Identifizierung weiterer Risikovariablen
  • Entwicklung eines Vorschlages für ein abgestuftes Alarmierungssystem mit zwei Teamstärken (volles vs. reduziertes Team)

Die geplante Untersuchung widmet sich spannenden Fragen, die sicherlich jeden in der Schockraumversorgung tätigen Mitarbeiter bewegen. Es bleibt den Autoren zu wünschen, daß die Alarmierungskriterien auf eine valide Datenbasis gestellt werden können und die Rate an Unter- und Übertriagierungen verringert werden kann. Hiervon werden nicht nur die unmittelbar betroffenen Patienten profitieren, sondern auch alle weiteren Patienten, deren Versorgung nicht zu Gunsten des Schockraumes zurückstellt wird sowie das Personal und Klinikträger durch eine potentiell verringerte Inanspruchnahme.

 

Ein Beitrag von Dr. Ulf Harding (Wolfsburg).

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