Weihnachtsmann: Bart und Bauch erschweren den Atemweg

Fotos: Sylvi Thierbach         Sie haben Dienst am Heiligen Abend. Bisher war es recht ruhig. Doch nun meldet die Rettungsleitstelle einen Schlittenunfall: ein Rentierschlitten sei in einer offensichtlich zu schnell genommenen Kurve aus der Bahn getragen worden und umgekippt.

Ankunft Notaufnahme

Das RTH-Team bringt den Schlittenlenker – einen geriatrischen, offensichtlich übergewichtigen, ateminsuffizienten, männlichen Patienten in Ihre Notfallaufnahme, die HWS mit einem Immobilisationskragen geschient.

Schon das primary assessment lässt vermuten, dass eine Atemunterstützung oder gar Beatmung erforderlich wird. Die schnell abgenommene arterielle BGA bestätigt diese Vermutung. Während einer Präoxygenierung über NIV betrachten Sie aufmerksam Ihren Patienten. Die LEMON-Regel [1] hilft Ihnen den Atemweg einzuschätzen:

Difficult Airway Bauch und BartL: Der Patient ist offensichtlich sehr betagt und übergewichtig. Gerade bei übergewichtigen Patienten besteht ein erhöhtes Risiko mehr als einen Intubationsversuch zur Atemwegssicherung zu benötigen. Dies gilt auch bei der Verwendung eines Videolaryngoskops [2]. Zudem wissen wir, dass übergewichtige Patienten schneller desaturieren.

E: Die Evaluation des thyreomentalen Abstandes wird durch einen weißen Rauschebart deutlich erschwert. Grundsätzlich muss angenommen werden, dass Träger eines Vollbartes möglicherweise ihre Physiognomie kaschieren wollen. Ein verdecktes „fliehendes Kinn“ jedoch kann sowohl die Laryngoskopie als auch die endotracheale Intubation deutlich erschweren. Zusätzlich macht es der Bart nicht einfach eine Gesichtsmaske wirklich dicht aufzusetzen, um beim Scheitern der Intubation Oxygenierung und Ventilation über eine Beutel-Masken-Beatmung sicher zu stellen [3].

M: Der Mallampati-Score[4] wird üblicherweise beim sitzenden oder stehenden, wachen Patienten erhoben, der bei neutraler Kopfhaltung ohne Phonation die Zunge maximal herausstreckt. Auch wenn die Mundöffnung gut zu sein scheint, fällt uns diese Beurteilung beim liegenden atemnötigen Patienten schwer.

O: Eine Atemwegsobstruktion lässt sich bei Ihrem Patienten prima vista nicht erkennen.

N: Die Mobilität des Nackens/Halses ist durch die Immobilisation der HWS mit einen Stif-Neck® beim vor Ihnen liegenden Patieten deutlich eingeschränkt.

Zum damit anatomisch schon schwierigen Atemweg kommt physiologisch erschwerend hinzu, dass dieser Traumapatient nur wenig pulmonale Reserven zu haben scheint. Zum Einen handelt es sich um einen wenn auch rüstigen, so doch sehr betagten Herrn (Da der Weihnachtsmann bereits vor etwa 100 Jahren als „alter Mann“ beschrieben wurde, der mit seinen Rentieren und Wichteln im Berg Korvatunturi in Lappland lebt, muss er inzwischen tatsächlich sehr alt sein). Zum Anderen ist er infolge eines möglichen Thoraxtraumas pulmonal eingeschränkt. Darüber hinaus könnte das bekannt heisere(?) „Ho Ho Ho“ Ausdruck einer bereits über Jahrzehnte bestehenden COPD sein [5].

Difficult Airway Bauch und BartWichtiges Ziel für die Atemwegssicherung bei diesem Patienten ist eine erfolgreiche Atemwegssicherung auf den ersten Versuch. Um dies zu erzielen sollten bereits für diesen ersten Intubationsversuch optimale Bediungungen geschaffen werden. Da die Wahrscheinlichkeit eines erfolgreichen ersten Intubationsversuchs bei Nutzung eines Videolaryngoskops signifikant größer ist, sollte für die Intubation solcher Notfallpatienten grundsätzlich bereits im ersten Versuch ein Videolaryngoskop verwendet werden.

Selbstverständlich müssen mögliche Alternativen (SGA, Koniotomie) trotzdem vorbereitet und beherrscht werden.

Das News-Papers-Team wünscht allen Lesern ein friedvolles Weihnachtsfest.

Literatur

  1. Reed MJ, Dunn MJG, McKeown DW Can an airway assessment score predict difficulty at intubation in the emergency department? Emergency Medicine Journal 2005 22: 99–102
  2. Joshi R, Hypes CD, Greenberg J, Snyder L, Malo J, Bloom JW et al. Difficult Airway Characteristics Associated with First-Attempt Failure at Intubation Using Video Laryngoscopy in the Intensive Care Unit. Annals of the American Thoracic Society 2017; 14: 368–75
  3. Kheterpal S, Healy D, Aziz MF, et al. Incidence, predictors and outcome of difficult mask ventilation combined with difficult laryngoscopy: a report from the multicenter peri- operative outcomes group. Anesthesiology 2013; 119: 1360–9
  4. Mallampati SR, Gatt SP, Gugino LD, Desai SP, Waraksa B, Freiberger D, Liu PL. A clinical sign to predict difficult tracheal intubation: a prospective study. Canadian Anaesthetists Society Journal 1985 32: 429–34
  5. Mosier JM, Joshi R, Hypes CD, Pacheco G, Valenzuela T, Sakles JC. The Physiologically Difficult Airway. The Western Journal of Emergency Medicine 2015 16: 1109–17

3 thoughts on “Weihnachtsmann: Bart und Bauch erschweren den Atemweg

  1. zu E: ( Zitat: Grundsätzlich muss angenommen werden, dass Träger eines Vollbartes möglicherweise ihre Physiognomie kaschieren wollen…) Diese Bemerkung habe ich schon einmal in einem Vortrag gehört und jetzt hier wieder gelesen. Ziemlich dämliche Bemerkung, denn der Bartwuchs ist dem männlichen Homo sapiens ja leider angeboren. Will die Natur da auch etwas verbergen? Barttragen ist wohl in erster Linie eine Modesache, die zur Zeit gerade wieder mal mehr en vogue ist. Und damit muss man sich halt auch im Notfall arrangieren. Vielleicht ist diese „grundsätzliche Annahme“ als Witz eingefügt, aber ich finde sie unpassend.

    1. Sehr geehrter Herr Blendin,
      haben Sie herzlichen Dank für Ihre Anmerkung. Ich bin selbst Bartträger und in Anbetracht meiner „großen Klappe“ Cormack/Lehane I.
      Es geht auch nicht darum Bartträger zu diskreditieren. Allerdings bestätigt die 20-jährige Berufserfahrung als Anästhesist, dass ein Vollbart dazu beiträgt, die offensichtliche Anatomie (z.B. ein „fliehendes Kinn“) zu übersehen. Deshalb weise ich (und andere Kollegen auch) junge Assistenten stets darauf hin, bei einem Patienten mit Vollbart genauer hinzuschauen!
      Diese Aussage ist keineswegs als Witz gedacht und im Sinne der Patientensicherheit sicher nicht unpassend.
      Mit den besten Wünschen für ein ruhiges Weihnachtsfest
      Björn Hossfeld

  2. Bitte verzeihen Sie meinen Ausdruck „dämlich“, habe mich nur spontan geärgert, aber jetzt nicht mehr. Nachdem Sie so geduldig und nett zu mir waren, würde ich den Ausdruck gerne zurücknehmen und allen Kollegen mitteilen, dass es mir leid tut und dass ich den Kollegen Hossfeld sehr wertschätze.

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