Hyperoxämie bei akuten Traumata – eine multizentrische retrospektive Kohortenstudie

Ein Gastbeitrag von S. Maier, Ulm                   (Poly-)Traumata stellen weltweit eine große Herausforderung des Gesundheitssystem dar. Trotz deutlicher Fortschritte in der Therapie zeigen Traumata weiterhin eine große Morbidität und Mortalität. Die Sauerstoffgabe zählt zu einer der wichtigsten Maßnahmen in der Traumaversorgung. Risiken und Schäden einer möglichen Hyperoxämie (auch wenn diese nur über einen kurzen Zeitraum besteht) sind Gegenstand aktueller Forschungen und Studien. Erste Übersichtsarbeiten zeigen Zusammenhänge zwischen einer liberalen Sauerstoffgabe und einer erhöhten Mortalität und schweren pulmonalen Komplikationen. Es ist unklar, ob Traumapatienten von einer restriktiveren Sauerstofftherapie, als in den bisherigen Leitlinien empfohlen, profitieren könnten.

Iten et al. führten eine retrospektive Kohortenstudie in zwei Schweizer Traumazentren durch:

Manuela Iten, Urs Pietsch, Juergen Knapp et al.

Hyperoxaemia in Acute Trauma is Common and Associated with a Longer Hospital Stay – a Multicentre Retrospective Cohort Study

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Schwerverletzte Traumapatienten (>16 Jahre) mit einem Injury Severity Score (ISS) ≥16 wurden entsprechend der ersten Blutgasanalyse in vier Gruppen eingeteilt:

  • Hypoxämie (PaO2 <80mmHg)
  • Normoxämie (PaO2 80-120mmHg) (Referenzgruppe)
  • moderate Hyperoxämie (PaO2 >120-300mmHg)
  • schwere Hyperoxämie (PaO2 >300mmHg).

Das primäre Ergebnis war die 28-Tage-Mortalität. Die Dauer des Krankenhausaufenthalts (LOS) und die Dauer des Aufenthalts auf der Intensivstation (LOS-ICU) wurden als sekundäre Endpunkte analysiert. Komplikationen (u.a. Infektionen, Myokardinfarkt, Multiorganversagen) wurden ebenfalls erfasst.

 

Ergebnisse

Von 2017 bis 2022 wurden 1189 Patienten in die Studie eingeschlossen (mittleres Alter 57 Jahre, 27,8% der Patienten weiblich):

  • Hypoxämie n=229
  • Normoxämie n=269
  • Hyperoxämie n=491
  • Schwere Hyperoxämie n=200

In den Gruppen der Hyperoxämie (n=151, 30,8%) und schweren Hyperoxämie (n=100, 50%) wurden mehr Patienten prähospital intubiert als in den Gruppen Hypoxämie (n=41, 17,9%) und Normoxämie (n=56, 20,8%). Ein schweres Thoraxtrauma (Abbreviated Injury Scale (AIS) -Thorax >2) war in der Normoxämie- und Hypoxämiegruppe häufiger anzutreffen (52,8 % bzw. 59,4 %) als in den Gruppen mit mäßiger und schwerer Hyperoxämie (46,4 % bzw. 40,0).

Bei der 28-Tage-Mortalität zeigte sich kein statistisch signifikanter Unterschied zwischen den Kohorten (p=0,846). Patienten mit schwerer Hyperoxämie hatten eine signifikant längere LOS mit einem Median von 12,5 Tagen (Interquartilsabstand (IQR) 7-18,5) im Vergleich zu normoxämischen Patienten, die eine mediane LOS von 10 Tagen (IQR 7-17, p=0,040) hatten. Auch bei der LOS-ICU wurde ein signifikanter Unterschied zwischen den beiden Gruppen festgestellt: 3,8 Tage (IQR 1,8-9) bei Patienten mit schwerer Hyperoxämie gegenüber 2 Tagen (IQR 1-5) bei normoxämischen Patienten (p <0,001).

Insgesamt traten bei 435 Patienten (36,6 %) während ihres Krankenhausaufenthalts Komplikationen auf. Unter allen Komplikationen war die Pneumonie mit 10,4 % die häufigste, gefolgt von der Lungenarterienembolie (2,5 %) und Niereninsuffizienz (2,4 %). Unter den Gruppen zeigten sich keine nennenswerten Unterschiede.

Daraus folgern die Autoren:

Diese Studie zeigt, dass eine Hyperoxämie im Vergleich zur Normoxämie nicht mit einer erhöhten 28-Tage-Mortalität verbunden ist. Allerdings konnte bei Traumapatienten häufig sowohl eine moderate als auch eine schwere Hyperoxämie beobachtet werden, wobei eine schwere Hyperoxämie zu einer Verlängerung des Krankenhausaufenthaltes führen kann. Randomisierte, kontrollierte Studien sollten durchgeführt werden, um einen potenziellen Zusammenhang zwischen Hyperoxämie und den Behandlungsergebnissen bei Traumapatienten weiter zu untersuchen.

One thought on “Hyperoxämie bei akuten Traumata – eine multizentrische retrospektive Kohortenstudie

  1. „In den Gruppen der Hyperoxämie (n=151, 30,8%) und schweren Hyperoxämie (n=100, 50%) wurden mehr Patienten prähospital intubiert „.
    Oder „intubierte Patienten wurden hyperoxäm beatmet“?

    Was dann im Umkehrschluss bedeuten könnte, dass „wobei eine schwere Hyperoxämie zu einer Verlängerung des Krankenhausaufenthaltes führen kann“ in Wirklichkeit „Eine invasive Beatmung kann zu einer Verlängerung des Krankenhausaufenthaltes führen“ lauten müsste.

    Bleibt nach dem Bruchstrich:
    Schwer verletzte Traumapatienten (die eine invasive Beatmung benötigen) sind länger im Krankenhaus. Gratulation zu dieser Erkenntnis!
    Erstaunlich also eigentlich, dass dies nicht die Mortalität beeinflusste.

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