Medikamente auch unter extremen Temperaturschwankungen stabil

Ein Gastbeitrag von Sarah Herrmann, Ulm                           Bei der prähospitalen Aufbewahrung von Notfallmedikamenten ist es eine besondere Herausforderung die vorgegebenen Herstelleranforderungen einzuhalten. Die meisten dieser Medikamente sollten bei Raumtemperatur (15-25°C) oder gekühlt (2-8°C) gelagert werden, was unter teils extremen Umweltbedingungen nahezu unmöglich scheint. Bisher ging man davon aus, dass dies die Haltbarkeit und Stabilität der Medikamente beeinträchtigt, was dazu führt, dass sie sowohl im bodengebundenen Rettungsdienst als auch auf Rettungshubschraubern (RTH) oft vor ihrem Verfallsdatum ausgetauscht werden (müssen).

Deshalb haben Kollegen der Schweizer Rettungsflugwacht (REGA) die Stabilität von Notfallmedikamenten bei der Lagerung im Rettungshubschrauber untersucht:

Pietsch U, Moeckel J, Koppenberg J, Josi D, Jungwirth A, Hautz WE, Wenzel V, Strecke S, Albrecht R.

Stability of Drugs Stored in Helicopters for Use by Emergency Medical Services: A Prospective Observational Study.

Ann Emerg Med 2022 80: 364-370

Die Studie von Pietsch et al untersuchte die Stabilität von 9 Notfallmedikamenten in realen Bedingungen auf zwei RTH in der Schweiz. Einer der RTH war im Flachland stationiert (Airbus H145 in St. Gallen auf 656 m. ü. NN), während der andere im Hochgebirgeoperierte (AugustaWestland Da Vinci in Samedan auf 1.706 m. ü. NN)

Zu den 9 Notfallmedikamenten zählten: Adrenalin, Noradrenalin, Amiodaron, Midazolam, Fentanyl, Naloxon, Etomidat, Ketamin und Rocuronium. Laut Herstellerangaben sollen alle diese Medikamente bei Raumtemperatur gelagert werden, mit Ausnahme von Rocuronium, das gekühlt aufbewahrt werden muss und ungekühlt maximal 12 Wochen verwendet werden darf. Die Medikamente wurden in den üblichen Ampullarien verstaut, die ungekühlt und nicht isoliert sind. Ein Thermo-Logger zeichnete, automatisch alle 10 Minuten die Temperatur in den Ampullarien auf. Zu Studienbeginn waren die Medikamente jeweils zwölfmal vorgepackt, so dass in jedem Monat der Studienphase ein vorher gepacktes Päckchen mit den entsprechenden Medikamenten entnommen und ins Labor zur Testung gebracht werden konnte. Parallel dazu wurde die Temperatur in der RTH-Kabine erfasst.

Getestet wurde die verbleibende Wirkstoffkonzentration innerhalb der Ampulle, nachdem sie einer Sichtprüfung auf Bruch oder andere Veränderungen in Farbe oder Viskosität unterzogen wurde. Medikamente galten als stabil, wenn mindestens 90% der Ausgangskonzentration enthalten war.

Die Ergebnisse:

  • Im Studienzeitraum absolvierten der H145 Helikopter 2.970 Abflüge mit insgesamt 29.143 Flugminuten und der Da Vinci 2.482 Abflüge mit insgesamt 20.310 Flugminuten
  • Temperaturen in den Ampullarien variierten zwischen -1,2 und 38,1°C
  • Temperaturen in der Kabine lagen zwischen -4,7 und 34,7°C
  • 37% der erhobenen Temperaturmesswerte lagen außerhalb des Raumtemperaturbereichs (15-25°C)
  • ALLE getesteten Notfallmedikamente erfüllten das festgelegte Kriterium für Stabilität und wiesen zum Testzeitpunkt mindestens 90% der Wirkstoffkonzentration auf, selbst nach 12 Monaten

Schlussfolgerung der Autoren:

Notfallmedikamente bleiben im Einsatz auf den RTH der REGA stabil in ihrer Wirkstoffkonzentration, trotz extremer Abweichungen der Lagerungsbedingungen hinsichtlich der Temperatur gemäß der Herstellerangaben. Der vorzeitige Austausch von Medikamenten aufgrund der angenommenen Qualitätsminderung sollte überdacht werden, um unnötige Verschwendung zu vermeiden. Testungen zur Medikamentenstabilität unter realen Bedingungen könnten die Antwort auf den wachsenden Ruf nach Nachhaltigkeit und einer sicheren Medikamentenversorgung während potenzieller Versorgungsengpässe bieten.

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