Eigentlich ein Thema, das vermeintlich eher in den Herbst gehört: Pilzvergiftungen in Deutschland. Die Kollegen um Romanek et al. aus der Abteilung für klinische Toxikologie II, Medizinische Klinik und Poliklinik des Klinikums Rechts der Isar haben sich in einem sehr interessanten Beitrag in Notfall und Rettungsmedizin diesem Thema angenommen:
Romanek K, et al. Pilzvergiftungen: Symptome, Diagnostik und Therapie. Notfall Rettungsmed 2016; 19: 301-314
Nachfolgend ein paar interessante Aspekte aus diesem Beitrag:
- Pilzvergiftungen sind selten
- stetige Zunahme der Beratungen gegen Pilzvergiftungen bei Giftnotrufzentrale in den letzten Jahren
- 2014: 5 schwere Amatoxinvergiftungen (eine davon mit der Notwendigkeit ein Lebertransplantation)
- insgesamt (inkl. leichten Formen) rund 5.000-10.000 Pilzvergiftungen pro Jahr in Deutschland
- von rund 6000 Pilzarten in Deutschland sind rund 40 potentiell tödlich
Bei vorliegen von Symptomen nach Pilzingestion können folgenden Formen unterschieden werden:
- harmloses Indigestonssyndrom („Pilzunverträglichkeitssyndrom“): bei großen Mengen nicht ausreichend durchgegarten Pilzen, kontaminierten/verdorbenen Pilzen oder Unverträglichkeit [z.B. Rauhstielröhrlinge (Leccinum- Spezies), Hallimasch (Armillariamellea) und Perlpilz (Amanita rubescens)]. – Symptomatik: Völlegefühl, Blähungen, Brechdurchfall, Übelkeit. Prophylaxe: Garzeit von mind. 20 min sollte eingehalten werden. Nur Pilze von guter Qualität nutzen. Keine rohen Pilze konsumieren.
- gastrointestinale Pilzsyndrom: verursacht durch Pilze die roh und gekocht giftig sind [Karbolchampignon (z.B. Agaricus xanthoderma), Satansröhrling (Rubroboletus satanas), Bauchwehkoralle (Ramaria pallida), Birkenreizker (Lactarius torminosus), Tigerritterling (Tricholoma pardalotum), Riesenrötling (Entoloma sinuatum) und Täublinge, z.B. der Speitäubling (Russula emetica)]; Symptome (30 min – 4 h nach Mahlzeit): Übelkeit, Erbrechen, Durchfall, Elektrolyt- und Flüssigkeitsverlust. Symptome sind selbstlimitierend. Symptomatische Therapie mit Volumen- und Elektrolytsubstitution, Antiemetika, ggf. Aktivkohle. Interessant sind die Anmerkungen zur stationären Aufnahmeindikation: Diese richtet sich einerseits nach den Vorerkrankungen, dem Patientenzustand und Notwendigkeit zur i.v.-Flüssigkeitssubstitution, andererseits wird aber auch erwähnt, dass jede Intoxikation mit einem Mischpilzgericht zu einer stationären Aufnahme führen sollte, da trotz kurzer Latenzen eine Intoxikation mit einem amatoxinhaltigen Pilz primär nicht ausgeschlossen werden kann.
- potentiell lebensgefährliche Pilzvergiftung
Bedeutung der Latenz des Auftretens von Beschwerden und der Gefährlichkeit der Pilzvergiftung:
- Symptome <6 h nach Pilzingestion: eher nicht-lebensbedrohliches Syndrom
- Symptome >6 h nach Pilzingestion: cave: lebensbedrohliche Vergiftung möglich
Wenn noch verspeiste Pilze vorliegen oder Pilze im Erbrochenen zu erkennen sind, kann ein Pilzberater (lokal bezogen) zu Rate gezogen werden.
Freuen Sie sich auf Teil 2 der Pilzvergiftungen …