Einfluss der Datenschutz-Grundverordnung auf Registerdaten

In einem aktuellen Artikel greift die Leipziger Polytrauma-Arbeitsgruppe die Thematik des Einflusses der seit Mai 2018 in Kraft getretenen europäischen Datenschutzgrundverordnung auf die standardisierte Mortalitätsrate anhand von Registerdaten des Traumaregisters® eines überregionalen Traumazentrums auf.

Özkurtul O et al. „Einfluss der Datenschutz-Grundverordnung auf die Datenqualität bei der Erhebung von Registerdaten“. Der Unfallchirurg 2022. https://doi.org/10.1007/s00113-022-01155-2.

Das Traumaregister® ist die größte Datenbank für Trauma-Patienten, in dem alle in Traumanetzwerken organisierten Kliniken ihre Daten zur Erfassung und Auswertung eingeben. Hieraus ergeben sich Qualitätsindikatoren, die für dir jeweiligen Kliniken entscheidende Hinweise zur Verbesserung ihrer Versorgung geben können. U.a. wird die standardisierte Mortalitätsrate (SMR) aus der prognostizierten und tatsächlich beobachteten Mortalität errechnet. Um diese Daten so genau wie möglich darstellen zu können, ist es unabdingbar möglichst alle Patienten, die einer Schockraum-Versorgung zugeführt werden, vollständig zu erfassen. Die Datenschutzgrundverordnung erfordert die aktive Zustimmung des Patienten nach ausführlicher Aufklärung. Jedoch ist dies im akuten Setting weder angemessen noch wegen der möglichen Verletzungsschwere realisierbar. Häufig sind diese Patienten zudem intubiert und beatmet oder erleiden ein schweres SHT, was eine zeitnahe Aufklärung unmöglich macht. Erschwerend kommt hinzu, dass der Datenschutz in den meisten landesdatenschutzrechtlichen Vorgaben nicht über den Tod hinaus gehen, so dass es zur absurden Situation kommen kann, dass Kliniken nur noch Patienten eingeben, die verstorben sind. In der vorliegenden Arbeit werden die Daten von Patienten, die ins Traumaregsiter eines universiätren Maximalversorgers eingegeben wurden in Bezug zu Patientendaten gesetzt, die zwar schwer verletzt waren, von denen jedoch keine Zustimmung vorlag.

Ergebnisse:

  • Retrospektiv, monozentrische Auswertung eines universitären Maximalversorgers von primär versorgten Patienten mit Aufklärung vs. ohne Aufklärung, die wegen ihrer Verletzungen als Basiskollektiv in das Traumaregister® der DGU hätten dokumentiert werden müssen.
  • 197 Patienten (72% männlich) wurden 147 (74,6%) aufgeklärt und dokumentiert oder sind verstorben und durften dokumentiert werden, 50 Patienten, von denen keine Aufklärung vorlag.
  • Bei den aufgeklärten Patienten lag die prognostizierte, tatsächliche Letalität und die SMR bei 7%, 19% und 1,03. Bei den nicht aufgeklärten Patienten lagen diese Werte bei 7%, 0% und 0. Hätte man alle Fälle berücksichtigt, so wäre eine deutliche günstigere SMR von 0,93 ergeben.
  • Häufige Gründe für das Fehlen der Einwilligung lagen vor allem bei jüngeren Patienten in Sprachbarrieren (20%), genereller Ablehnung der Einwilligung bzw. Motivation (22%), unklares Betreuungsverhältnis (14%), organisatorische Gründe (44%).
  • Die Altergruppe ohne Aufklärung war signifikant jünger im Vergleich zur Gruppe mit Aufklärung (55 vs. 36 Jahren, p<0,001) bei gleicher Verletzungsschwere und vergleichbarem RISC II Score.

Diskussion

Durch die fehlende schriftliche Einwilligung überlebender Patienten konnten nur noch 75% aller Patienten der Uniklinik Leipzig für das Traumaregister DGU® dokumentiert werden. Da die lokale Gesetzeslage eine Registerdokumentation verstorbener Patienten zulässt, ergibt sich daraus eine nachteilige Beeinflussung der SMR, die im Studienkollektiv etwa 10% höher ausfiel als sie in Realität ist. Dies führt zu einer erheblichen Verzerrung des Behandlungsergebnisses der Klinik.

Zusammenfassung

Der Artikel gibt nicht nur einen sehr fundierten Einblick in die gegenwärtige Problematik der Datenerfassung von Patienten für eine zentrales Register, sondern beleuchtet insbesondere auch die rechtlichen Aspekte des Datenschutzes für Patiente, die einer Notfallversorgung zugeführt werden. Anhand der Mortalitätsrate konnte hier gezeigt werden, dass es durch die gesetzlichen Vorgaben zu erheblichen Verzerrungen in der Abbildung der Versorgungsrealität in den Kliniken, die an Registerstudie teilnehmen, kommen kann. Die Autoren appellieren an die politischen Entscheidungsträger eine Anpassung der gesetzlichen Rahmenbedingungen – unter Berücksichtigung der berechtigten Interessen des Datenschutzes des Patienten – zu erwirken.

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