Bedeutung des „first pass success“ bei der prähospitalen Reanimation

Ein Beitrag von PD Dr. Jürgen Knapp, Bern/Schweiz:

Wir haben hier in unserem Blog ja schon mehrfach mit Studien darauf hingewiesen, wie wichtig die Bedeutung des Intubationserfolgs im ersten Versuch (sog. „first pass success“, FPS) ist, um Komplikationen bei der Intubation zu vermeiden. Nun ist in Resuscitation eine schöne Studie erschienen, dass der FPS für reanimationspflichtige Patienten sogar Outcome-relevant zu sein scheint.

Murphy DL et al. Fewer tracheal intubation attempts are associated with improved neurologically intact survival following out-of-hospital cardiac arrest. Resuscitation 2021; https://doi.org/10.1016/j.resuscitation.2021.07.001

Die Studie kurz zusammengefasst:

  • retrospektive Beobachtungsstudie aus einem großen städtischen Rettungsdienst in Seattle, Washington, USA
  • Beobachtungszeitraum: 1.1.2015 bis 30.6.2019
  • eingeschlossen wurden alle Patienten, die von den Paramedics des Seattle Fire Departments prähospital reanimiert werden mussten
  • die tracheale Intubation ist das Standardvorgehen für das Atemwegsmanagement in diesem Rettungsdienst: 97% der Patienten wurden intubiert, 3% über einen alternativen Atemweg beatmet
  • die Paramedics verwenden zur Intubation die direkte Laryngoskopie
  • primärer Endpunkt war das Überleben mit gutem neurologischem Ergebnis (CPC 1 oder 2)
  • insgesamt konnten in dieser Zeit 1.205 Patienten in die Studie eingeschlossen werden
  • Die Datenanalyse erfolgte durch Auswertung der vom Monitor aufgezeichneten Vitalparameter (einschließlich Kapnografie) sowie der dort im Rettungsdienstbereich üblichen Audioaufzeichnung während der Reanimation. Daher war man nicht nur auf die Nachbefragung der Paramedics angewiesen.
  • die Erfolgsrate im ersten Versuch (FPS) lag bei 63%, im zweiten Versuch wurden 23% der Patienten intubiert, im dritten Versuch 10% und bei 4% waren 4 oder mehr Intubationsversuche notwendig
  • ein gutes neurologisches Ergebnis konnte bei 11% der Patienten erzielt werden, die im ersten Versuch intubiert werden konnten, nur noch bei 4%, wenn die Intubation im 2. Versuch gelang, bei 3% für Patienten mit 3 Versuchen und 2%, wenn 4 oder mehr Intubationsversuche notwendig waren.
  • Mittels logistischer Regressionsanalyse wurden andere Faktoren, die bekanntermaßen das Outcome bei prähospitaler Reanimation beeinflussen, berücksichtigt: Alter, Geschlecht, Ausgangsrhythmus, Zeit bis zum Eintreffen des Rettungsdienstes, durchgeführte Laienreanimation, beobachteter Eintritt des Herz-Kreislauf-Stillstandes
  • nach Anpassung der Analyse auf diese beeinflussenden Faktoren ergab sich eine odds ratio (OR) für Überleben mit CPC 1 oder 2 von 0,41 (95%-Konfidenzintervall: 0,25-0,68) für jeden zusätzlichen Intubationsversuch, den man braucht
  • das entsprechende angepasste OR für ROSC war 0,66 (0,57-0,75), für Krankenhausaufnahme mit ROSC 0,67 (0,58-0,78) und für Krankenhausentlassung 0,51 (0,36-0,72)
  • auch wenn die Patienten unterschieden wurden in die Gruppe der Patienten, die einen defibrillierbaren Rhythmus aufwies und die Gruppe mit nicht-defibrillierbarem Rhythmus, ergab sich ein ähnliches Ergebnis. Die OR für ein gutes neurologisches Überleben für Kammerflimmer-Patienten (n=252) reduzierte sich mit jedem zusätzlichen Intubationsversuch auf 0,55 (0,36-0,81), für Patienten mit nicht defibrillierbarem Rhythmus (n=913) konnte statistisch nicht berechnet werden, da alle 21 Patienten, die mit CPC 1 oder 2 überlebten, im ersten Versuch intubiert wurden.

Fazit für die Praxis:

  • Die tracheale Intubation bei kardiopulmonaler Reanimation des Erwachsenen, die nach wie vor den Goldstandard zur Atemwegssicherung darstellt, ist bekanntermaßen schwieriger als bei nicht reanimationspflichtigen Patienten insbesondere unter prähospitalen Bedingungen.
  • Diese retrospektive Beobachtungsstudie legt nahe, dass durch einen höheren FPS eine deutlich höheren Rate an Patienten erreicht werden kann, die eine prähospitale Reanimation neurologisch ohne schweren Schaden überleben.
  • Für alle in der Notfallmedizin Tätigen muss daher stärkste Anstrengung in gute Ausbildung und Training zum Atemwegmanagement investiert werden.

5 thoughts on “Bedeutung des „first pass success“ bei der prähospitalen Reanimation

    1. Sehr geehrter Herr Sacherer,
      der First-Pass-Succes sollte immer unser Ziel sein, nicht nur im Rahmen der CPR.
      Dazu brauchen wir erfahrene und routinierte Anwender, die als first-line device ein Videolaryngoskop mit Macintosh-Spatel benutzen, so wie es ind er S1-Leitlinie Prähospitales Atemwegsmanagement beschrieben ist.

  1. Sehr geehrter Herr Sacherer,

    Vielen Dank für Ihre Nachfrage!
    Ein Standardvorgehen haben wir nicht etabliert. Die Maßnahmen werden von den sehr variablen Einsatzumgebungen bei der prähospitalen Reanimation beeinflusst. Ich empfehle die Optimierung der Kopflagerung während der initialen Zyklen unter Masken-Beutel-Beatmung durch ein Unterlegen des Kopfes. Das kann im häuslichen Umfeld ein kleines, einigermaßen hartes Kissen sein, ein dickeres Buch oder im Freien z.B. ein Kleidungsstück des Patienten, eine passende Modultasche etc.
    Ganz essentiell für den FPS und mehrfach durch Studien nachgewiesen ist der Einsatz der Videolaryngoskopie, wie auch von Björn Hossfeld schon erläutert. Bezüglich Bougie sind die Daten noch uneinheitlich. Für den weniger erfahrenen Intubierenden kann der Einsatz des „Bougies“ Vorteile für den FPS bringen, verlängert aber etwas den Intubationsvorgang…(Driver at al. Annals Emerg Med 2017 und Bonnette et al. Resuscitation 2020).
    Und natürlich als zwingende Voraussetzung: gute innerklinische Erfahrung und intensives Training in der trachealen Intubation.

    Freundliche Grüße

    Jürgen Knapp

  2. Wie beeinflusst der Einsatz eines Larynxtubus oder einer Larynxmaske durch First Responder die Chancen einer erfolgreichen endotrachealen Intubation? Wie beeinflusst es den letztendlichen Outcome?

    1. Hallo Herr Behrends,
      auch wenn nur wenig Daten dazu vorliegen, war die ROSC-Rate in einer Arbeit aus dem Deutschen ReaRegister (https://journals.plos.org/plosone/article/file?id=10.1371/journal.pone.0208113&type=printable) bei der vorrangig die mechanischen Kompressionsgeräte untersucht wurden, bei intubierten Patienten besser, als bei solchen, die mit SGA beatmet waren. Das könnte daran liegen, dass die Ventilation (bei Thoraxkompression) mit SGA schlechter ist. Dazu sind jedoch sicher weitere Arbeiten erforderlich.
      Herzliche Grüße
      Björn Hossfeld

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