REBOA – taugt das jetzt was oder nicht?

REBOA-Training (C) S. Thierbach

Ein Beitrag von PD Dr. Jürgen Knapp, Bern/Schweiz:

Joseph B et al. Nationwide Analysis of Resuscitative Endovascular Balloon Occlusion of the Aorta in Civilian Trauma. JAMA Surg 2019; doi:10.1001/jamasurg.2019.0096

 Nachdem die REBOA beim verblutenden Trauma-Patienten in den letzten Jahren ein ziemliches Revival erfahren hat, liegt nun eine erste gute und sehr große Fall-Kontroll-Studie aus den USA vor, die den Nutzen der REBOA evaluiert. Im Unterschied zu früheren Studien wird hier nicht die REBOA mit der „resuscitative thoracotomy“ verglichen, die ja nur beim Patienten im Herz-Kreislauf-Stillstand in Frage kommt, sondern es wird ein Kollektiv an Patienten, die mit einer REBOA versorgt wurde, verglichen mit gleich schwer verletzten Patienten, die nicht mit einer REBOA versorgt wurden.

Eine kurze Zusammenfassung:

  • retrospektive Fall-Kontroll-Studie aus dem US-amerikanischen Trauma-Register
  • Untersuchungszeitraum: 2015-2016
  • von den knapp 600.000 Trauma-Patienten, die in diesem Zeitraum im Register erfasst wurden, wurden 140 Patienten innerhalb der ersten Stunde der Schockraumbehandlung mit einer REBOA versorgt
  • ausgeschlossen waren Patienten, die bereits bei Aufnahme reanimationspflichtig waren, sowie Patienten, die einer „resuscitative thoracotomy“ unterzogen wurden.
  • die 140 Patienten wurden im Verhältnis von 1:2 mit 280 Patienten „gematcht“, die hinsichtlich der demografischen Daten, den Vitalparametern prähospital sowie im Schockraum, dem Unfallmechanismus, der Verletzungsschwere insgesamt gemessen anhand des ISS, der Verletzungsschwere der einzelnen Körperregionen (gemessen anhand des AIS), der Art der Beckenfraktur, der Verletzung von Gefäßen und Knochen der unteren Extremität und der intraabdominellen Verletzungen sehr gut vergleichbar waren
  • Ergebnisse:
    • eine fast doppelt so hohe Mortalität in der REBOA-Gruppe im Vergleich zur Kontroll-Gruppe: 36% vs. 19% (p=0,01)
    • vergleichbarer Transfusionsbedarf in beiden Gruppen
    • eine deutliche höhere Rate an akutem Nierenversagen in der REBOA-Gruppe: 11% vs. 3% (p=0,02)
    • mehr Amputationen der Beine in der REBOA-Gruppe: 4% vs. 1% (p=0,04)
    • auch in den Subgruppen-Analysen (z.B. systolischer Blutdruck größer bzw. kleiner 80 mmHg) zeigte sich in der REBOA-Gruppe eine deutlich höhere Sterblichkeit
    • das REBOA-Manöver konnte im Median innerhalb von 19 min (Interquartilenabstand: 14-29 min) nach Schockraumaufnahme der Patienten abgeschlossen werden
    • bei Patienten, die mit einer REBOA versorgt wurden, wurde im Median 13 min später eine Angioembolisation (59 vs. 46 min, p=0,04) und 12 min später eine explorative Laparatomie durchgeführt (45 vs. 33 min, p=0,04) als in der Kontrollgruppe

Fazit:

  • die Ergebnisse dieser sehr guten und großen Untersuchung zeigen, dass REBOA keinesfalls die „Wunderwaffe“ in der Versorgung des verblutenden Trauma-Patienten ist. Obwohl das REBOA-Manöver im Schockraum meist sehr zügig gelang, profitierten die Patienten in keiner Weise von der REBOA, im Gegenteil, die Sterblichkeit war fast doppelt so hoch wie bei gleich schwer verletzten Patienten ohne REBOA.
  • eine mögliche Erklärung für dieses schlechte Outcome ist, dass die REBOA-Patienten einige Minuten später angioembolisiert oder laparatomiert wurden. 3 min Verzögerung bis zur Laparatomie erhöhen bekanntermaßen die Mortalität bei Patienten mit intraabdominellen Blutungen um 1%.

Ist die REBOA damit obsolet?

Die REBOA schadet gemäß der vorliegenden – bisher größten und qualitativ hochwertigsten – Untersuchung den Patienten eher. Die vorigen Studien, die einen Vorteil für die REBOA gezeigt haben, waren deutlich kleiner und ohne Kontrollgruppe bzw. verglichen mit Patienten, die einer „resuscitative thoracotomy“ unterzogen wurden.

Obsolet ist die REBOA damit nicht, allerdings für den breiten Einsatz offensichtlich nicht geeignet. Welche Patienten tatsächlich von der REBOA profitieren, ist völlig unklar Die REBOA sollte momentan nur angewandt werden, wenn es dadurch nicht zu einer Verzögerung der definitiven Blutstillung kommt (wenn beispielsweise bei Indikationsstellung zur REBOA bereits eine Schleuse in der A. femoralis liegt).

Vielleicht kann der aktuell in Großbritannien laufende UK-REBOA trial als erste randomisiert kontrollierte Studie zukünftig die Datenlage zur REBOA ergänzen. Aktuell sind hier 36 von 120 Patienten randomisiert.

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