Prähospitale EK-Transfusion

Ein Beitrag von PD Dr. Jürgen Knapp, Bern/Schweiz:

Nachdem mit PAMPer und COMBAT zwei große randomisierte Studien zur prähospitalen Transfusion von Blutplasma veröffentlicht wurden (Links), folgt nun eine kleine retrospektive Beobachtungsstudie zur Gabe von Erythrozytenkonzentraten in der zivilen Notfallmedizin

Griggs JE et al. Mortality of civilian patients with suspected traumatic haemorrhage receiving prehospital transfusion of packed red blood cells compared to pre-hospital crystalloid. Scand J Trauma Resus Emerg Med 2018; 26:100

Die Studie kurz zusammengefasst:

  • Retrospektive Vorher-Nachher-Beobachtungsstudie
  • Ein britisches Luftrettungsunternehmen mit Helikoptern und ca. 2000 Einsätzen pro Jahr
  • Beobachtungszeitraum 2010 bis 2015
  • Einschlusskriterien:
    • Stumpfes oder penetrierendes Trauma mit vermutetem hämorrhagischem Schock, wodurch ein sog. „Code Red“-Alarm ausgelöst wurde (Vorbereitung des Schockraum-Teams auf einen transfusionsbedürftigen Patienten)
    • Traumatischer Herz-Kreislauf-Stillstand mit erfolgreicher Reanimation und „Code Red“-Alarmierung
  • n=103 Patienten vor der Einführung der prähospitalen EK-Gabe (Kristalloid-Gruppe, 2010 bis 2013)
  • n=92 Patienten, die prähospital EK-Transfusion erhielten (EK-Gruppe, 2013 bis 2015)
  • primärer Outcome-Parameter: 6 h- und 28 Tage-Sterblichkeit
  • sekundärer Outcome-Parameter: Sterblichkeit der Patienten, die innerklinisch ≥4 bzw. ≥10 EK innerhalb 24 h benötigten
  • Ergebnisse:
    • Nicht-adjustierte Sterblichkeit nach 6 h: 18% in der Kristalloid-Gruppe vs. 10% in der EK-Gruppe, kein statistisch signifikanter Unterschied
    • Nicht-adjustierte Sterblichkeit nach 28 Tagen: 40% in der Kristalloid-Gruppe vs. 26% in der EK-Gruppe, keine statistische Signifikanz
    • Nach Anpassung an Alter, Verletzungsschwere, systolischer Blutdruck und Verletzungsmechanismus:
      • 6 h-Sterblichkeit: odds ratio 0,48, 95%-Konfidenzintervall: 0,19-1,19, p=0,11
      • 28 Tage-Sterblichkeit: odds ratio 0,66, 95%-Konfidenzintervall: 0,32-1,35, p=0,26
    • Im sekundären Outcome-Parameter gab es (auch nach Anpassung) ebenfalls keinen statistisch signifikanten Unterschied
    • Signifikant mehr Patienten in der Kristalloid-Gruppe benötigten innerklinisch innerhalb der ersten 24 h ≥4 EK als in der EK-Gruppe: 60% vs. 40%, p=0,02

Kritik:

  • Die Fallzahl in dieser Beobachtungsstudie ist sicher zu klein, um eine statistische Signifikanz in der Sterblichkeit dieses Patientenkollektivs mit den zahlreichen beeinflussenden Faktoren zu detektieren.
  • Leider ist weder für die Kristalloid-Gruppe noch für die EK-Gruppe die Menge des prähospital applizierten Volumens angegeben
  • Innerhalb des Beobachtungszeitraums von 6 Jahren kann durch Fortschritte in der Trauma-Versorgung das Behandlungsergebnis verbessert worden sein. Die Autoren der Studie selbst argumentieren, dass in diesem Zeitraum die Sterblichkeit von schwer blutenden Traumapatienten in einem großem Traumazentrum in Großbritannien von 50% auf 26% halbiert werden konnte, während sich dagegen der Verbrauch an Blutprodukten ebenfalls halbierte. Auch die Etablierung der Tranexamsäure in der Versorgung von Traumapatienten im hämorrhagischen Schock fiel in den Beobachtungszeitraum.

Fazit:

  • Die beobachteten Trends in den Ergebnissen sind beeindruckend, auch wenn sie keine statistische Signifikanz erreichen und zahlreiche andere Faktoren das Ergebnis beeinflusst haben könnten.
  • Die Ergebnisse von aktuell laufenden großen (randomisierten) Studien zur prähospitalen EK-Gabe dürfen daher mit Spannung erwartet werden.

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