Die Redensart jemandem etwas an der Nasenspitze anzusehen kennt man. Und seien wir mal ehrlich, arbeitstäglich lassen wir uns dazu verleiten, z.B. von einem Wartenden in der Notfallaufnahme zu sagen, der sähe gar nicht krank aus.
Das klingt unprofessionell, so ohne Messwerte des Monitors, Labordaten oder Sono- und Röntgenbefunde … Und doch hat eine neurowissenschaftliche Arbeitsgruppe am renomierten Karolinska-Institut in Stockholm einen interessanten Versuch zu genau dieser Fragestellung publiziert:
Axelsson J, Sundelin T, Olsson MJ, Sorjonen K, Axelsson C, Lasselin J, Lekander M. Identification of acutely sick people and facial cues of sickness. Proceedings. Biological Sciences 2018; 285: 1870
In einer randomisierten doppelblinden Untersuchung wurde 16 jungen (19-34 Jahre), gesunden (keine Dauermedikation, kein Übergewicht, keine Nikotinanamnese, keine exzessiver Alkoholkonsum) Probanden zu zwei verschiednen Zeitpunkten (im Abstand von 3-4 Wochen) entweder Placebo oder 2 ng / kg KG eines E. coli Endotoxins injiziert.
10 Minuten und 2 Stunden nach Injektion wurden frontale Aufnahmen der Probandengesichter gemacht. Dieser Zeitpunkt (+2h) als Krankheitsbeginn (bei den infizierten Probanden) wurde bestätigt durch einen IL-6-Anstieg und einen Fragebogen, der das Krankheitsgefühl abfragte.
Die entstandenen Bilder wurden 62 Beobachtern (medizinische Laien) vorgelegt (31 Frauen u. 31 Männer).
Im Ergebnis wurden die kranken Probanden in 13 von 16 Fällen (81 %) von den Beobachtern erkannt. Damit wird deutlich, dass wir Menschen tatsächlich die Fähigkeit besitzen Kranke frühzeitig zu erkennen. Dies ist evolutionsbiologisch auch verständlich: In einer Zeit, in der uns keine Antibiotika helfen konnten, war die Vermeidung einer Ansteckung der beste Schutz vor Infektionskrankheiten.
Die Forscher um John Axelsson gingen noch einen Schritt weiter und haben eine zweite Beobachtergruppe gefragt, welche Merkmale die Gesichter krank aussehen lassen. Dabei wurden blassere Haut und Lippen, ein eher geschwollenens Gesicht, eher hängende Mundwinkel und Augenlider, rote Augen und mattere Gesichtsfarbe genannt. Insgesamt beurteilten die Beobachter die Gesichter der infizierten Probanden als „müder“.
Die Publikation als PDF finden Sie hier.