In Teil 4 der Serie zum hypertensiven Notfall geht es heute um spezielle Therapiebedingungen:
Bönner G. Der hypertensive Notfall. DMW 2017; 142: 1437-1445
Hypertensiver Notfall bei Myokardinfarkt:
- initiale Blutdrucksenkung um 25 % des Ausgangsdruckes
- diastolische Blutdruck sollte nicht zu tief abfallen und Werte bis 100 mmHg akzeptiert werden, Grund: Sicherung der diastolischen Myokardperfusion, daher auch parallel Sauerstoff verabreichen
- ergänzend:
- Analgesie
- Sedierung
- Thrombozytenaggregationshemmung eingeleiten
- Antihypertensivum der Wahl:
- Nitroglycerin und Urapidil
- Medikamente der 2. Wahl: Betablocker und RAS-Hemmer
- obsolet Dihydralazin und Dihydropyridin-Kalziumantagonisten (bes. unretardierte Galeniken) wegen der Gefahr einer Reflextachykardie
Hypertensive Enzephalopathie:
- Symptome:
- Kopfschmerzen
- Schwindel
- Übelkeit
- Erbrechen
- Sehstörungen
- Benommenheit bis Koma
- neurologische Ausfallserscheinungen mit Parästhesien und Parese oder Krampfanfälle.
- Differentialdiagnosen müssen abgeklärt werden:
- akuter apoplektischer Insult
- Hirntumor
- Subarachnoidalblutung
- starkes Schmerzsyndrom
- beachte: kann der zeitliche Verlauf der Symptome
- bei hypertensiven Enzephalopathie: Symptome langsam progredient bei konstant hohem Blutdruck.
- Akutherapie:
- Blutdrucksenkung um 25 % des Ausgangsblutdruckes
- Medikation mit
- Urapidil oder
- vorsichtig titriert mit Kalziumantagonisten (hier günstig weil Wirkung gegen sekundäre Vasospasmen
- ggf. Betablocker frühzeitig verordnen
- bei Krampfanfällen: Antikonvulsiva
- zurückhaltender beim Einsatz von Clonidin (sedierende Wirkung verschleiert zerebrale Symptomatik)
- kein Nitroglycerin und Dihydralazin wegen direkter vasodilatatorischer Wirkung mit sekundärer Hyperperfusion und Hirnödembildung (Risiko: zerebrale regionalen Ischämie mit bleibenden neurologischen Ausfällen)
Hypertensiver Notfall bei Schlaganfall:
- Schlaganfall in >85 % der Fälle Erhöhung des Blutdruckes
- therapeutisch induzierter akuter Druckabfall in den ersten Stunden kann irreversible ischämische Schäden verursachen (Bedarfshypertonie)
- Blutdruckwerten nur bei >220/120 mmHg senken
- initiale Senkung nicht >15 bis max. 25% des Ausgangswertes
- antihypertensiven Therapie mit
- ACE-Hemmer
- AT1-Blocker
- Kalziumantagonisten
- Urapidil
- vor und 24 Stunden nach Reperfusionstherapie <180/105 mmHg
Hypertensiver Notfall bei intrazerebrales Hämatom:
- bei Subarachnoidalenblutung: Blutdruck < 160 mmHg systolisch
- Minimierung einer progredienten Blutung plus ausreichende Gewebeperfusion
- Blutdrucksenkung mit Urapidil oder Nifedipin unter kontinuierlicher Blutdrucküberwachung
- Hypotensionen vermeiden (wegen sekundärer Vasospasmen mit lokaler Ischämiereaktion)
Hypertensiver Notfall mit Lungenödem:
- rasche Blutdrucksenkung
- Sauerstoffgabe, ggf. NIV
- Beruhigung des Patienten
- ggf. Medikation mit
- Morphin
- RR-Senkung in der 1. Stunde um ca. 15 – 25 % und < 160/100 mmHg in den ersten 2 – 6 Stunden
- RAS-Hemmer, Nitroglycerin und Schleifendiuretika, ggf. Urapidil i. v.
- ggf. Volumenreduktion mittels Hämofiltration
- keine Dihydropyridin-Kalziumantagonisten oder Dihydralazin wegen einer möglichen Reflextachykardie
Hypertensiver Notfall bei Phäochromozytom:
- Ursache ist eine periphere Vasokonstriktion durch Noradrenalin
- Therapie mit Alpha-Adrenozeptoren-blockierende Substanzen (z.B. Phenoxybenzamin p. o. oder Urapidil i.v.)
- Clonidin i. v. muss äußerst langsam erfolgen, um eine initiale periphere Vasokonstriktion mit einem weiteren Blutdruckanstieg zu vermeiden.
- Betablocker dürfen erst sekundär nach wirksamer Alpha-Adrenozeptorblockade verordnet werden!
Hypertensiver Notfall in der Schwangerschaft
- hypertensiver Notfall in der Schwangerschaft = Präeklampsie
- sofortige intensive Überwachung indiziert
- Blutdrucksenkung mit
- Alpha-Methyl-DOPA
- Metoprolol
- Dihydralazin
- ggf. auch retardiertes Nifedipin p. o.
- bei Krampfneigung (Eklampsie): Magnesiumsulfat oder Diazepam
- Ziel diastolischer Blutdruckes <90 mmHg
- cave: unretardiertes Nifedipin 5 mg s. l. nur in Ausnahmefällen, da unkontrollierbare Hypotonien möglich (v. a. bei paralleler Magnesiumtherapie!).
- Therapiekonzept:
- stationäre Behandlung mit intensiver Überwachung!
- Alleinige Krise ohne Symptomatik: Einstellung mit Aplha-Methyl-DOPA, Metoprolol, Dihydralazin oder retardiertem Nifedipin p. o.
- Notfall oder Eklampsie:
- Dihydralazin 5 mg/iv oder Urapidil 6,25 mg/iv.
- bei Krampfneigung Magnesiumsulfat 4 g oder Diazepam 5 – 10 mg i. v.
- vorsichtige langsame Senkung auf diastolisch < 90mmHg, um Störung der Plazenta-Durchblutung zu verhindern: kontinuierliche Blutdrucküberwachung und Kardiotokografie des Feten.
Hypertensiver Notfall mit Aortenaneurysma, -dissektion oder -ruptur
- Red Flag: reißenden Vernichtungsschmerz im Brustkorb oder Bauchraum
- Letalität eines hypertensiven Notfalls mit Aortenbeteiligung: ca. 40 %
- Ziel-Blutdruck: <120/80 mmHg
- Medikamente der ersten Wahl
- Betablocker, Urapidil und Nitrate
- Dihydralazin ist wegen der Reflextachykardie ungeeignet
- Clonidin i. v. wegen eines evtl. initialen Blutdruckanstiegs ungeeignet
- Therapiekonzept:
- Schmerzlinderung
- Herzfrequenzstabilisierung
- rasche Senkung des Blutdruckes < 120/80 mmHg bei ständiger Überwachung
- Medikation:
- Betablocker (Esmolol i. v.) in Kombination mit Urapidil und Nitraten
- Cave: Kein Dihydralazin! Gefahr der Reflextachykardie und Steigerung des HZV
- Clonidin i. v. nur in Kombination mit Dihydralazin
- Cave: Hypotonie mit Hypoperfusion der nachgeschalteten Organe (Niere, Hirn, Darm, Extremitäten)
- parallel: chirurgische Therapieplanung
Lesen Sie den tollen Beitrag von Prof. Bönner:
Bönner G. Der hypertensive Notfall. DMW 2017; 142: 1437-1445