Transportverzicht durch den Rettungsdienst

NotfallsanitäterUnser Beitrag vom 12.6. hat heftige Reaktionen und Diskussionen in den sozialen Medien sowie per Email ausgelöst. Dabei haben wir nur die Frage aufgeworfen, ob der Rettungsdienst die Antwort auf einen scheinbar zunehmenden Versorgungsanspruch der Bevölkerung sein kann.

Von vielen wurde das Thema so aufgefasst, dass wir dem Notfallsanitäter nicht die vom Gesetz vorgesehenen Kompetenzen zubilligen. Deshalb möchten wir an dieser Stelle noch einmal in aller Deutlichkeit unterstreichen, dass wir das Berufsbild des Notfallsanitäters begrüßen und als Notärzte auch nicht wirklich jeden „Hausbesuch“ durchführen wollen, zu dem wir heute alarmiert werden.

Allerdings ist es haftungsrechtlich für den Arzt einfacher Patienten nach persönlicher Begutachtung zuhause zu lassen, als für den Notfallsanitäter. Wenn solche Patienten jedoch „nur“ aus diesem Grund alle in eine Klinik transportiert werden, belasten wir die eh schon überfüllten Notfallaufnahmen und tragen sicher nicht zur Kostensenkung in der Notfallversorgung bei. Mit dem dafür notwendigen Ausbau der rettungsdienstlichen Vorhaltung steigt dann jedoch nicht die Zahl der Einsätze bei vital bedrohten Patienten; in der Folge wird einzelnen Notfallsanitätern die Routine in diesem wichtigen Segment verloren gehen …

Die Kollegen um Andreas Günther und Ulf Harding haben die Thematik „Ambulante Patientenkontakte des Rettungsdienstes ohne Transport“ in der Stadt Braunschweig retrospektiv genauer betrachtet.

Günther, A., Schmid, S., Bruns, A., Kleinschmidt, T., Bartkiewicz, T., & Harding, U. (2017). Ambulante Kontakte mit dem Rettungsdienst. Notfall + Rettungsmedizin, 10(Suppl), 1–8. http://doi.org/10.1007/s10049-017-0268-8

Dabei konnten die Autoren zeigen, „dass Notfallrettung regelmäßig für Notfälle eingesetzt wird, die nach Beurteilung des Patienten vor Ort keine vitale Gefährdung oder schwere drohende gesundheitliche Schäden erkennen lassen“, stellen aber auch durchaus da, dass bei manchen Patienten nur im persönlichen Kontakt lebensbedrohliche Situationen ausgeschlossen werden können.

Die ambulanten Kontakte zum Rettungsdienst scheinen in dieser Auswertung bei jungen Erwachsenen sowie in Alten- und Pflegeeinrichtungen überdurchschnittlich häufig zu sein. In der Stichprobe von 99 solcher Einsätzen ohne Notarzt fanden sich keine Hinweise auf eine höhere Sterblichkeit, aber die Sicherheit sei weiterhin fraglich, da u.a. erneuter Notruf, spätere Krankenhausaufnahme oder Kontakte zu anderen Ärzten nicht erfasst wurden.

Die rechtlichen Voraussetzungen für den Transportverzicht durch Rettungsfachpersonal sind nicht geklärt, Standards zur Durchführung und Dokumentation fehlen. Diese Thematik muss Thema weiterführender wissenschaftlicher und politischer Betrachtungen werden!

2 thoughts on “Transportverzicht durch den Rettungsdienst

  1. Vielen Dank für diese schöne Ergänzung.
    Bei dem Thema „Notfallsanitäter“ kann man derzeit kaum anders als in Wespennester stechen. Auf der einen Seite haben wir durch das Gesetz einen enormen „Selbstbewusstseinsschub“ bei einer Berufsgruppe, die vorher nicht so recht einzuordnen gewesen ist. Waren sie jetzt Assistenten? Waren Sie Träger von Eigenverantwortung?

    Auf der anderen Seite haben wir diejenigen, zumeist Mediziner, die das Ganze mit Argwohn beobachten. Da mögen stellenweise auch Standesinteressen von Belang sein, immerhin wächst tatsächlich auch der Druck auf die Notärzteschaft, aber in erster Linie habe ich da ein gutes Menschenbild und gehe davon aus, dass man sich tatsächlich auch Sorgen um die Patientenversorgung macht.

    Beide Seiten kann ich verstehen. Dies führt uns als „notfallmedizinische Gemeinschaft“ zu ein paar zwingenden Konsequenzen: Mehr Kommunikation untereinander und mehr Forschung zu unserem Arbeitsfeld.

    Das klingt simpel, ist es natürlich aber nur in der Theorie. Gut, dass Ihr mit diesem Beitrag beide Punkte abdeckt. Daran müssen wir jetzt anknüpfen.

  2. Eine der Hauptaufgaben des Rettungsdienstes wird auch dem Notfallsanitäter nicht „erspart“ bleiben: Den Patienten einem Arzt zuzuführen. Sei es nun durch Herbeirufen eines Notarztes oder auch des ärztlichen Bereitschaftsdienstes oder aber durch einen Transport zu einem entsprechenden Zielort (Klinik/Praxis). Macht der Notfallsanitäter dies im Zweifel nicht, muss er damit rechnen, dass das Arzthaftungsrecht auf ihn angewendet wird. Er wird nach den Kompetenzen beurteilt, die er sich angemaßt hat. Dies ist bereits durch eine entsprechende Rechtsprechung bestätigt worden (das gilt auch für Rettungsassistenten). Diese Aufgabe ändert sich auch durch erweiterte Kompetenzen bei der Notfall-/ Erstversorgung für den Notfallsanitäter nicht. Eine Aspekt, der leider sehr häufig von Notfallsanitätern völlig falsch eingeschätzt wird und der sich aufgrund dieses Berufsbildes sogar weiter verschärft, weil die Grenzen der eigenen Kompetenz und der Auftrag, der sich aus der Einordnung des Rettungsdienstes in der Sozialgesetzgebung ergibt, offensichtlich durch die Aufwertung des Berufsbildes unerklärlicherweise in den Hintergrund rückt, obwohl dies vom Gesetzgeber überhaupt nicht gewollt ist und auch nirgendwo publiziert oder gar gelehrt wird.

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