Ein Gastbeitrag von Ferdinand Maier, Ulm Rachen-CPAP beschreibt eine bei kleinen Kindern routinemäßig angewandte Technik zur Beatmung über einen nasopharyngeal eingelegten Tubus, der jedoch nicht endotracheal platziert wird, sondern ungeblockt im Rachenraum zum Liegen kommt.

Hierfür wird ein Tubus mit dem Aussendurchmesser des kindlichen Nasenlochs mit einer Insertionstiefe von Nasenloch bis Kieferwinkel in ein Nasenloch eingeführt. Das verbleibende Nasenloch und der Mund des Kindes werden zugehalten, nun kann „normal“ beatmet werden.
Die Terminologie „CPAP“ kann verwirrrend sein, da über den eingelegten Tubus kein kontinuierlicher positiver Atemwegsdruck appliziert wird, sondern eine aktive assistierte Beatmung mit einem Beatmungsbeutel durchgeführt wird.
Bei kleinen Kindern hat sich diese Technik etabliert, da sie einfacher zu sein scheint, als die Beutel-Beatmung mittels Gesichtsmaske.
Nun hat sich eine Arbeitsgruppe damit beschäftigt, ob diese Technik nicht auch bei erwachsenen Patienten sinnvoll angewendet werden könnte:
Markham T, AlFarra AS, Tejani M, Tate DJ, Barrera JE, Paladugu S, Saroukhani S, Jiang Y.
Effectiveness of Ventilation via an Endotracheal Tube in Pharynx Versus a Facemask in Patients With Potentially Difficult Airway: A Randomized, Crossover, and Blind Trial.
Bei einer bewusstlosen Person ist die Ursache einer Atemwegsobstruktion mit hoher Wahrscheinlichkeit im oberen Atemweg zu finden, wobei es dafür verschiedene Gründe geben kann: Tonusverlust der Rachenmuskultur, des weichen Gaumens, der Zunge und eine Blockade im Bereich der oberen Stimmritze.
Die Idee ist, wie bei den Kindern einen Endotrachealtubus im Pharynx (endoTracheal Tubus Im Pharynx=TTIP, also das oben beschriebene „Rachen-CPAP“) diese Ursachen überwinden kann. Die Durchführbarkeit und Wirksamkeit dieser Methode konnte bisher in kleiner angelegten Studien nachgewiesen werden. Boyce et al. berichten in ihrer Studie bei stark adipösen Patienten über eine knapp 35%ige Misserfolgsrate der Maskenbeatmung, ohne Einsatz eines Naso-/Oropharyngealtubus (Guedel/Wendel-Tubus) und es konnten 9 stark adipöse Patienten erfolgreich mit TTIP beatmet werden, nachdem bei diesen die Maskenbeatmung fehlschlug.
Bei einer Maskenbeatmung besteht, ohne Einsatz eines Naso/Oropharyngealtubus ein abwärts gerichteter Druck auf die oberen Atemwege, sodass die Obstruktion aufgrund der schlaffen Rachen/Zungenmuskulatur in Narkose noch verstärkt werden kann. Selbst bei Einsatz eines Naso-/Oropharyngealtubus kann weiterhin eine Obstruktion resultieren, wenn die untere Öffnung nicht auf Glottis Ebene sondern höher (bei falscher Größe) zu liegen kommt.
Die Idee der TTIP Beatmung ist, dass dieser zwischen Rachen und Mundhöhle einen aufwärts gerichteten positiven Druckgradienten erzeugt, der wie ein Stent fungiert und den Atemweg offen hält.
Bisher gab es noch keine Daten zur Effizienz und Sicherheit der TTIP im Vergleich zur Maskenbeatmung und ob die TTIP eine zuverlässige Rettungsstrategie für eine fehlgeschlagene Masken- oder SGA-Beatmung sein kann. Aus diesem Grund stellten Markham et al. die Hypothese auf, dass die TTIP bei bewusstlosen Patienten ebenso wirksam ist wie die Maskenbeatmung und führten eine randomisierte, verblindete Crossover-Studie durch.
Methoden
Die Studie wurde im Zeitraum von Juni 2021 – November 2022 in den Operationsräumen des Memorial Hermann Hospital im Texas Medical Center durchgeführt.
Ein potentiell schwieriger Atemweg wurde wie folgt definiert: Vorhandensein von mindestens einem Risikofaktor für einen schwierigen Atemweg:
- Body-Mass-Index (BMI) >30kg/m² und/oder
- Mallampati III oder IV
Eine erfolgreiche Beatmung wurde wie folgt definiert:
- Positive Kapnographie in den ersten 3 aufeinander folgenden Atemversuchen
Einschlusskriterien:
- Alter >18 Jahre
- Notwendigkeit einer Vollnarkose mit endotrachealer Intubation
- BMI >30kg/m² und/oder
- Mallampati III oder IV
Ausschlusskriterien:
- akute und chronische Atemwegserkrankungen (einschließlich chronisch obstruktiver Lungenerkrankung (COPD) und Asthma)
- ASA Klassifikation ≥ IV
- Notfalleingriffe
- Narkoseinduktion mittels Rapid Sequence Induction (RSI)
- Notwendigkeit einer fiberoptischen Wachintubation
- Schwangere Patientinnen
- Kontraindikationen für eine Maskenbeatmung
Primärer Endpunkt
Erfolgsrate der Beatmung mit einer Maske im Vergleich zu TTIP bei Patienten mit potenziell schwierigem Atemweg.
Studienprotokoll
- Kopfposition und Lagerung des Oberkörpers (bspw. mittels Ramp Kissen) konnte vom betreuenden Team nach Präferenz gewählt werden
- Verwendung der Standardmonitore zur Überwachung für die Allgemeinanästhesie
- Die Präoxygenierung erfolgte über eine mittelgroße Kunststoffmaske mit einer Durchflussrate von 10 l pro Minute und 100 % Sauerstoff
- Narkoseinduktion ab einer ausgeatmeten Sauerstoffkonzentration ≥80 % mit einer intravenösen Bolusinjektion von Fentanyl (1-2 μg/kg), Propofol (1-2 mg/kg) und Rocuronium (0,6 mg/kg)
- Bei Auftreten der Apnoe Beginn der Beatmung mit Maske oder TTIP, in einem randomisierten Crossover-Verfahren: Erst Beatmung via Maske und dann anschließend via TTIP = „Sequenz Maske“, sowie umgekehrt, erst Beatmung via Tubus und anschließend via Maske = „Sequenz Tubus“
- Durchführung der Maskenbeatmung im Doppel-C-Griff
- Für die TTIP wurde ein Endotrachealtubus mit einer Größe von 7,0 oder 8,0 mm gewählt
- Die Einführtiefe des Tubus für die TTIP entsprach der Länge der Krümmung vom Gehörgang bis zum oberen Schneidezahn
- Für die TTIP öffnete ein Teammitglied mit der einen Hand den Mund und führte mit der anderen Hand den Tubus blind zwischen Gaumen und Zunge ein (die Krümmung des Tubus passend zur Krümmung der Zunge/ des Pharynx)
- Bei Erreichend der Zieltiefe wurden mittels einer Zweihandtechnik die Lippen und die Nase verschlossen, sowie das Kinn angehoben
- Für die Beatmung erfolgte der Anschluss an das Beatmungsgerät
Ergebnisse
Demographische Daten
- Von 147 Patienten wurden 11 Patienten ausgeschlossen (Gerätefehler, Verletzung des Studienprotokolls, Abbruch durch das Studienteam), somit statistische Auswertung anhand von 136 Patienten
- Durchschnittlicher BMI von 36.3 ± 6.7 kg/m²
- 81 Frauen, 66 Männer
- Durchschnittliches Alter von 46.2 ± 14 Jahren
- 42 Patienten mit BMI ≥30 kg/m² und Mallampati ≥3 (23 Patienten in der Sequenz Tubus, 19 Patienten in der Sequenz Maske)
- Es gab keinen signifikanten Unterschied im Ausbildungsstand der Ärzte/Durchführenden zwischen den beiden Sequenzen
Beatmungserfolg der beiden Sequenzen und ihre Bedeutung als Rettungsstrategie
- Erfolgsrate TTIP 127/136 Patienten (93,4%) und Maskenbeatmung 115/136 Patienten (84,6%)
- In der Sequenz Tubus Versagen der TTIP bei 7/71 Patienten (9,9%). Von diesen 7 Patienten konnten anschließend 6 Patienten erfolgreich mit der Maske beatmet („gerettet“) werden (85,7%)
- In der Sequenz Maske Versagen der Maskenbeatmung bei 13/65 Patienten (20%). Von diesen 13 Patienten konnten anschließend alle 13 Patienten mit der TTIP erfolgreich beatmet („gerettet“) werden
- Es gab keinen signifikanten Unterschied zwischen den Anteilen der erfolgreichen Beatmung als Rettungsstrategie (p=0,35)
- Bei 1/136 Patienten (0,7 %) versagte sowohl die Masken- als auch die TTIP-Beatmung. Dieser Patient wurde erfolgreich intubiert, ohne dass ein unerwünschtes Ereignis auftrat
- Es gab keinen signifikanten Unterschied im inspiratorischen Spitzendruck zwischen den beiden Verfahren (95% Konfidenzintervall (KI): -0.1 (-0.3, 0.2), p= 0.53)
- Bei vergleichbarem inspiratorischem Spitzendruck war das exspirierte Tidalvolumen der Patienten mit TTIP signifikant niedriger als das der Maskenbeatmung (611,1 ± 318,1 ml gegenüber 701,5 ± 352,4 ml, p< 0.01)
Effizienz der Beatmung anhand endtidalem Kohlendioxid (etCO2) und Sauerstoff
- In beiden Sequenzen war das mittlere etCO2, das bei erfolgreicher Beatmung mit TTIP erreicht wurde, signifikant höher (in der Sequenz Tubus mit 34,4 ± 5,5 vs. 32,7 ± 6,2 mmHg, p<0.01 und in der Sequenz Maske mit 36,4 ± 4,1 vs. 33,9 ± 4,1 mmHg, p<0.01, Gesamtvergleich 95% KI 1 (1.3–2.9) <0.001)
- Der Unterschied zwischen der mittleren ausgeatmeten Sauerstofffraktion bei TTIP (85,1 %) und Maskenbeatmung (84,8 %) war nicht signifikant (95 % KI: 0,3 (-0,6, 1,3), p=0 .47)
Diskussion und Zusammenfassung
Die Beatmung mit TTIP ist genauso effektiv und sicher wie die Maskenbeatmung ohne Verwendung eines Naso/Oropharyngealtubus. Diese Technik kann als zuverlässige Alternative bei fehlgeschlagener Maskenbeatmung dienen und bietet eine hohe Erfolgsquote. Außerdem sind beide Verfahren gegenseitig wirksame Rettungsstrategien. Den Autoren ist bewusst, dass ein Vergleich von TTIP und Maskenbeatmung mit zusätzlicher Verwendung eines Naso/Oropharyngealtubus ideal wäre, da dies nachweislich die Erfolgsraten bei Patienten mit schwierigem Atemweg verbessert. Die Effizienz der TTIP könnte dadurch überschätzt werden. Aufgrund von Ressourcenbeschränkungen innerhalb der Einrichtung der Autoren konnte eine so umfassende Studie mit zusätzlichem Einsatz von Naso/Oropharyngealtuben nicht umgesetzt werden.
Es fiel ein absoluter Unterschied von 90,4 ml im Tidalvolumen zugunsten der Maskenbeatmung bei vergleichbarem inspiratorischem Spitzendruck zwischen den beiden Verfahren auf, was für die Maskenbeatmung spricht. Jedoch kommt bei einer Gesichtsmaske ein signifikanter mechanischer Totraum von bis zu 42% dazu. Der Unterschied im etCO2 ist zwar statistisch signifikant, die klinische Bedeutung jedoch vernachlässigbar.
Ziel dieser Studie war es nicht, die Überlegenheit einer der beiden Verfahren zu beweisen, sondern zu zeigen, dass sich beide Verfahren als Rettungsstrategien bei Versagen der einen Technik eignen können. So zeigte sich, dass bei fehlgeschlagener Maskenbeatmung (13 Patienten) alle erfolgreich mit TTIP beatmet werden konnten. Bei fehlgeschlagener TTIP (7 Patienten) wurden 6 Patienten anschließend mit der Maske erfolgreich beatmet.
Aktuelle Leitlinien empfehlen die SGA als Alternative bei fehlgeschlagener Maskenbeatmung und fehlgeschlagener Intubation. In ihrer Studie fanden Thomsen et al. für die SGA eine Erfolgsrate von nur 62,8% als Rettungsstrategie in einer CICO Situation im perioperativen Umfeld (95 % KI, 52,2 %–72,3 %). Im prähospitalen Bereich gibt es für die Erfolgsrate von SGAs als Alternative bei fehlgeschlagener Maskenbeatmung oder Intubation keine Daten. Eine retrospektive Studie im präshospitalen Bereich von Lee et al. zeigte allerdings eine Erfolgsrate von 83% (n=360) der SGAs im ersten Versuch. Die Autoren halten es für unwahrscheinlich, dass SGAs als Rettungsstrategien bei fehlgeschlagener Maskenbeatmung und Intubation im perioperativen Umfeld wirksamer sind als TTIP.
Die Technik der TTIP könnte eingesetzt werden, wenn SGAs, Oro/Nasopharyngealtuben nicht ohne Weiteres verfügbar sind oder versagen. Die Autoren geben an, dass die TTIP durchaus als potenzielle Überbrückungsmaßnahme dienen könnte, wenn ein chirurgischer Atemweg erforderlich wird. Dabei kann die TTIP gleichzeitig zur Koniotomie durchgeführt werden, das sie das Operationsgebiet nicht blockiert.