Invasive arterielle Blutdruckmessung auch prähospital

Ein Gastbeitrag von S. Maier, Ulm                     Die Überwachung des Blutdrucks ist bei der Betreuung kritisch kranker Patienten wichtig. Eine strenge Blutdruckkontrolle ist häufig indiziert, z.B. bei Schlaganfall, schweren Kopfverletzungen, Rückenmarksverletzungen, nach einem Herzstillstand und bei hypertensiven Notfällen.

Prähospital wird der Blutdruck am häufigsten mit nicht-invasiven Techniken wie oszillometrischen Standardmanschettengeräten (NIBP) gemessen. Diese sind einfach in der Handhabung und haben wenige Risiken für die Patienten. Die Genauigkeit kann jedoch beeinträchtigt sein. Zudem wird der Blutdruck in der Regel in Intervallen gemessen, sodass eine rasche Verschlechterung des Patientenzustandes erst spät erkannt werden kann.

Nicht zuletzt wegen der kontinuierlichen Blutdrucküberwachung ist der Goldstandard für die innerklinische Versorgung kritisch kranker Patienten die invasive, arterielle Blutdruckmessung (IBP). Allerdings ist die Anwendung teurer, aufwendiger in der Handhabung und birgt größere Risiken für die Patienten, wie z.B. Blutungen und Infektionen. Trotzdem wird an einzelnen Standorten auch prähospital eine invasive, arterielle Blutdruckmessung etabliert.

Perera et al. untersuchten die Genauigkeit von prähospitalen NIBP-Messungen bei kritisch kranken Patienten im Vergleich zu invasiven, arteriellen Blutdruckmessungen:

Perera Y, Raitt J, Poole K, Metcalfe D, Lewinsohn A.

Non-invasive versus arterial pressure monitoring in the pre-hospital critical care environment: a paired comparison of concurrently recorded measurements.

Scand J Trauma Resusc Emerg Med 2024, 32(1): 77

Methode

Es wurde eine retrospektive Kohortenstudie durchgeführt, bei der routinemäßig erhobene Daten einer regionalen Luftrettungsorganisation mit einem Einzugsgebiet von ca. 2,1 Millionen Einwohnern in England verwendet wurden.

Erwachsene Patienten (ab 18 Jahre), die zwischen Mai 2020 und April 2023 gleichzeitig mittels NIBP und IBP versorgt wurden, sind in die Studie aufgenommen worden.

Der Referenzstandard war die IBP-Messung und das primäre Ergebnis war die „paarweise Übereinstimmung“, d.h. der Anteil der gepaarten Beobachtungen, die innerhalb des folgenden Akzeptanzbereichs lagen:

  • <20 mmHg für systolischen (SBP) und diastolischen Blutdruck (DBP)
  • <10 mmHg für den mittleren arteriellen Blutdruck (MAP)

Ein hämodynamischer Schock wurde definiert mit einem IBP-SBP <90 mmHg.

Eine schwere Hypertonie wurde mit einem IBP-SBP >160 mmHg vorgegeben.

Zur Visualisierung der Unterschiede zwischen den Datenpaaren wurden Bland-Altman-Diagramme mit 95 %-Übereinstimmungsgrenzen erstellt. In univariaten Analysen wurden Assoziationen mit dem Alter des Patienten, Indikation für die Versorgung, Transportstatus, hämodynamischer Schock, schwere Hypertonie und der Position des arteriellen Katheters (radial/femoral) untersucht und Anpassungen durch multivariabler logistischer Regressionsmodelle durchgeführt.

Ergebnisse

Es wurden 2.359 gepaarte Messungen von 221 Patienten mit einem Durchschnittsalter von 57 (43-72 Jahre) Jahren durchgeführt. Die häufigsten Gründe für die Notwendigkeit einer prähospitalen Versorgung waren Herzstillstand (n = 79; 35,7 %) und schwere Traumata (n = 83; 37,5 %). Arterielle Katheter wurden am häufigsten in der Radialarterie (n = 155, 70,1 %) etabliert. Die Bland-Altman-Analysen zeigen, dass SBP und MAP vom NIBP bei niedrigen Werten überschätzt und bei hohen Werten unterschätzt werden. Der DBP wird über den gesamten Bereich konsequent überschätzt.

Ein hämodynamischer Schock war mit einer geringeren Übereinstimmung für SBP, DBP und MAP verbunden:

  • SBP (50.6% vs. 65.4%, Χ2 p<0.001; aOR (adjusted odds ratio) 0,52 (95% CI 0,35-0,77)
  • DBP (67.1% vs. 76.8%, Χ2 p=0.001; aOR 0,65 (95% CI 0,42-0,99)
  • MAP (39.8% vs. 56.6%, Χ2 p<0.001; aOR 0,53 (95% CI 0,36-0,78)

Im Gegensatz dazu war Hypertonie mit einer geringeren Übereinstimmung bei SBP, nicht aber bei DBP oder MAP verbunden.

  • SBP (31,4 % vs. 70,7 %, p < 0,001; aOR 0,17 (95% CI 0,11-0,27))
  • DBP (73,9 % vs. 76,2 %, p=0,321; aOR 0,83 (95% CI 0,58-1,18))
  • MAP (50,6 % vs. 55,7 %, p=0,059; aOR 0,82 (95% CI 0,60-1,12))

Es gab keinen Zusammenhang zwischen dem Patiententransport und der Übereinstimmung zwischen den Methoden für SBP, DBP oder MAP.

Schlussfolgerung
Nicht-invasive Blutdruckmessungen sind in der prähospitalen Versorgung häufig ungenau. Vor allem bei Patienten, bei denen eine möglichst genaue Erhebung der Vitalparameter wichtig ist, z.B. bei hämodynamischer Instabilität oder schwerer Hypertonie, zeigte sich häufiger eine Über- oder Unterschätzung des Blutdrucks. Trotzdem werden auf Grundlage dieser Messwerte prähospital möglicherweise Therapien, wie z.B. die Gabe von Vasopressoren und Antihypertensiva eingeleitet. Notfallmediziner sollten sich bewusst sein, dass der NIBP irreführend sein kann und diese Ungenauigkeit in ihre Entscheidungsfindung einbeziehen. In Zukungt könnten weitere Arbeiten dazu beitragen, zu untersuchen, ob die invasive arterielle Blutdruckmessung auch in der prähospitalen Versorgung stärker etabliert werden sollte.

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